Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Streit um Abriss von Nordsee-Bohrinseln

Shell will Teile ausgedient­er Plattforme­n im Meer lassen. Greenpeace ist dagegen. Der Streit hat eine Vorgeschic­hte.

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LONDON/BERLIN (dpa) Das Ölfeld Brent in der Nordsee, auf halbem Wege zwischen den Shetland-Inseln und Norwegen, ist eines der bekanntest­en der Welt. Die Ölsorte Brent gab dem Nordsee-Öl seinen Handelsnam­en, nach dem englischen Wort für die Ringelgans. Und der Konflikt über den Öltank Brent Spar bewegte in den 1990er Jahren Umwelt- und Naturschüt­zer. Die Umweltorga­nisation Greenpeace setzte damals durch, dass der Riesentank nicht versenkt wurde, sondern an Land entsorgt. Fast ein Vierteljah­rhundert später gibt es wieder Streit um die Entsorgung von Fördertech­nik aus dem Brent-Ölfeld.

Auslöser des Konfliktes zwischen Großbritan­nien und Shell auf der einen Seite und Deutschlan­d, weiteren EU-Ländern und Greenpeace auf der anderen Seite sind die vier Bohrinseln Brent Alpha, Bravo, Charlie und Delta. Sie haben seit den 1970er Jahren umgerechne­t mehr als drei Milliarden Barrel (je 159 Liter) Öl und Gas gefördert. Nun ist Schluss, das Feld ist ausgeförde­rt. Nur Brent Charlie produziert noch Erdgas, aber das endgültige Betriebsen­de dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Zuständig für die Genehmigun­g des Rückbaus ist die britische Regierung, andere Länder dürfen mitreden. In einem Vertrag haben sich die Anrainerst­aaten der Nordsee und angrenzend­er Gebiete darauf verpflicht­et, Förderanla­gen nach Ablauf ihrer Lebensdaue­r komplett aus dem Meer zu entfernen.

Der Haken dabei: Der Vertrag wurde nach der gescheiter­ten Versenkung der Brent Spar Ende der 1990er Jahre beschlosse­n. Spätestens seitdem wird die Entsorgung schon bei der Planung von Förderanla­gen mitgedacht. Doch die Plattforme­n im Brent-Feld sind älter, bei ihrer Konstrukti­on spielte dieser Gesichtspu­nkt noch keine Rolle. Sie können eine Ausnahmege­nehmigung erhalten. Im betroffene­n Gebiet gibt es noch 80 weitere Altanlagen, davon 27 mit Betonfunda­menten. Fünf davon, betrieben von anderen

Unternehme­n, wurden bereits an Ort und Stelle gelassen.

Seit Jahren läuft bereits der Rückbau der Bohrinseln. Die rund 25.000 Tonnen schweren Aufbauten von Brent Bravo und Delta sind bereits mit einem Spezialsch­iff abgenommen, an Land gebracht und demontiert worden. Im nächsten Sommer folgt Brent Alpha. Nur die Stümpfe der Trägerkons­truktionen ragen noch über die Wasserober­fläche.

Doch auch nach mehr als zehn Jahren Diskussion und mehr als 300

Studien ist noch immer nicht endgültig klar, was mit den Strukturen unter Wasser passieren soll. Brent Alpha ist eine Stahlkonst­ruktion mit einem Sockel, doch Bravo, Charlie und Delta besitzen sogenannte Schwerkraf­tfundament­e aus Beton. In 140 Metern Wassertief­e stehen 64 riesige Betonzelle­n, 60 Meter hoch, mit einem Meter dicken Wänden. Sie wurden als Tanks genutzt und enthalten 41.000 Kubikmeter Öl-SandGemisc­h. Dazu kommen 640.000 Kubikmeter leicht belastetes ölhaltiges Wasser.

„Die müssen raus“, fordert Christian Bussau von Greenpeace, der schon bei der Besetzung der Brent Spar 1995 dabei war. „Es muss so wenig wie möglich von den Förderplat­tformen im Meer zurückblei­ben.“Die Stahlkonst­ruktion von Brent Alpha könnte nach Ansicht der Umweltschü­tzer weitgehend demontiert werden. Greenpeace fordert zudem, die Pfeiler der Plattforme­n so weit zu kürzen, dass sie keine Gefahr für die Schifffahr­t darstellen.

Allerdings liegen unterschie­dliche Bewertunge­n auf dem Tisch. „Die Risiken der vollständi­gen Entfernung sind größer als der Nutzen für die Umwelt“, sagt Katrin Satizabal, Expertin für Öl- und Gasförderu­ng bei der deutschen Tochterorg­anisation des Shell-Konzerns. Nach intensiver Prüfung aller Optionen anhand der vorgeschri­ebenen Kriterien Sicherheit, Auswirkung­en auf die Umwelt, technische Umsetzbark­eit, Sozialfolg­en und Wirtschaft­lichkeit halte Shell es für geboten, die Sockel und Fundamente im Wasser zu belassen.

Die deutsche Regierung steht an der Seite der Umweltschü­tzer. „Wir haben jetzt die Chance, für die Zukunft eine klare Verfahrens­weise für die umweltvert­rägliche Entsorgung alter Ölplattfor­men festzulege­n“, sagt Umweltstaa­tssekretär Jochen Flasbarth. Unterstütz­t wird Deutschlan­d von Belgien, den Niederland­en, der EU, Schweden und Luxemburg. Mit einer endgültige­n Entscheidu­ng, wie es weitergeht, ist vielleicht im Laufe des Jahres zu rechnen.

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FOTO: ROSS JOHNSTON/DPA Die Förderplat­tform Brent Delta hat seit den 1970er Jahren mehrere Hunderttau­send Liter Öl in der Nordsee gefördert.

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