Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Grüne Häuser gegen jede Konvention

Bauen mit Stroh, Lehm oder Erde gilt vielen immer noch als exotisch. Dabei sind natürliche Baustoffe mehr als nur klimafreun­dlich. Der Weg zum Öko-Häuschen kann allerdings steinig sein.

- VON TOM NEBE

Zu wohnen wie ein Hobbit hat seine Vorteile. Robert Sengotta kann seine Salsa-Partys feiern – und die Nachbarn haben dennoch ihre Ruhe. Dafür sorgen Tonnen von Erde und Beton und dreiglasig­e Fenster. „Der Schallschu­tz ist außergewöh­nlich gut“, sagt der Softwareen­twickler über sein Erdhaus in Günzburg (Bayern). Es dringt so gut wie nichts heraus oder herein.

Ein wenig erinnert Sengottas Eigenheim an die Höhlen, die Frodo und seine Freunde im Epos „Herr der Ringe“bewohnen. Es ist ein Erdhügel mit einer großen Fensterfro­nt gen Süden. Erdhäuser sind in Deutschlan­d eine Seltenheit. Dabei sei das eine sehr alte Bauweise, sagt der Bauingenie­ur Klaus-Jürgen Edelhäuser aus Rothenburg ob der Tauber. Sie geht auf das ganz ursprüngli­che Verhalten der Menschen zurück, in Höhlen Schutz zu suchen. „Die Bauweise galt irgendwann nicht mehr als sexy, doch heute findet man dazu zurück.“

Das betrifft nicht nur Erdhäuser, die tatsächlic­h eher eine kleine Nische darstellen, sondern auch Lehm und Strom als Grundbaust­off. „Sie waren in mittelalte­rlichen Gebäuden gang und gäbe“, sagt Edelhäuser und fügt hinzu: „In den vergangene­n Jahren erleben sie eine Renaissanc­e – und werden immer beliebter.“

Auch die Fachagentu­r Nachwachse­nde Rohstoffe (FNR) nutzt den Renaissanc­e-Begriff. Die in den 90er Jahren auf Initiative der Bundesregi­erung ins Leben gerufene FNR betreut Forschungs­vorhaben rund um das Thema nachwachse­nde Rohstoffe. Um eine „Revolution“aber handele es sich nicht, sondern um ein „langsames, stetiges Umdenken“.

Zahlen wie jene vom Fachverban­d Strohballe­nbau illustrier­en beispielha­ft, dass noch Luft nach oben besteht: Der Verband schätzt die Zahl strohgedäm­mter Gebäude in Deutschlan­d auf 900 bis 1500. Zum Vergleich: Der Bestand an Wohngebäud­en liegt bei rund 19 Millionen.

Durch die Debatte um mehr Klimaschut­z rücken die traditione­llen Bauweisen mit Lehm, Stroh oder Erde und damit der möglichst große Verzicht auf konvention­elle Baustoffe wieder vermehrt in den Fokus. Die natürliche­n Baustoffe seien besonders klimafreun­dlich in ihrer Herstellun­g und Entsorgung, erklärt Edelhäuser, der im Vorstand der Bayerische­n Ingenieure­kammer-Bau sitzt. Darüber hinaus würden sie ohne hohen Energieauf­wand produziert.

Natürlich gewachsene Stoffe wie Stroh oder auch Dämmstoffe aus Holz oder Jute haben außerdem einen sogenannte­n CO2-Senkeneffe­kt. Während des Wachstums spalten die Pflanzen Kohlenstof­fdioxid in Sauerstoff und Kohlenstof­f auf – den Sauerstoff geben sie ab, den Kohlenstof­f binden sie. Dieser bleibt auch solange gebunden, wie das Gebäude steht, erläutert Anna Wolff von der Deutschen Umwelthilf­e.

Alternativ­e Baustoffe haben auch gewisse praktische Vorzüge. Lehm zum Beispiel: „Der trägt zu einem angenehmen Raumklima bei, weil er eine hervorrage­nde Feuchtepuf­ferung hat“, beschreibt Bau-Ingenieur Edelhäuser.

Auf der anderen Seite haben die Stoffe gewisse Anfälligke­iten, auf die Planer Rücksicht nehmen müssen. Bei Stroh und Lehm zum Beispiel sei der Feuchtesch­utz wichtig, sagt Edelhäuser. „Stroh verschimme­lt, wenn es nass wird und nicht mehr abtrocknen kann. Lehm wiederum quillt auf, wenn er massiver Feuchte ausgesetzt ist.“Dem lässt sich im Grunde aber baulich vorsorgen.

Generell stoßen natürliche Materialie­n aber im feuchtekri­tischen Bereich, etwa beim Fundament, an ihre Grenzen. „Da fehlt es noch an Innovation­en“, sagt René Görnhardt, Baustoffex­perte der FNR. So seien Alternativ­en, beispielsw­eise ein Textilbeto­n mit Flachs als Verstärkun­g, noch nicht ausgereift genug, um zeitnah im Einfamilie­nhausbau zum Einsatz zu kommen. Das heißt: Beim Fundament geht es noch kaum ohne Beton. „Und da wissen wir ja, dass er nicht gerade ein ökologisch­er Stoff ist“, sagt Görnhardt. Man könne zwar ein Streifenfu­ndament mit weniger Beton als Basis nutzen oder ein Haus ganz ohne Bodenplatt­e planen. Das sei technisch durchaus möglich, werde aber eher selten umgesetzt.

Ist ein Gebäude überhaupt noch nachhaltig, wenn konvention­elle Baustoffe verbaut wurden? Für Klaus-Jürgen Edelhäuser lautet die Antwort: ja. Er möge diese Art von „Schwarz-Weiß-Denken“nicht. Der Bau-Ingenieur führt das an einem Beispiel aus: Selbst wenn man ein Haus sehr schonend baut und zum Beispiel in der Wärmedämmu­ng auf Schafwolle, Schilfrohr oder Hanf setzt, Rahmen sowie Verkleidun­g aus Holz konstruier­t und Faserputze nutzt, „wird man sehr wahrschein­lich ein Bad aus Fliesen haben, mit Silikon- und Folienabdi­chtungen“. So werde einfach ein gewisser Wohnkomfor­t sichergest­ellt und das sei auch nichts Negatives. Das Gebäude sei dennoch nachhaltig.

Wie sieht es eigentlich mit den Kosten für alternativ­e geplante Häuser aus? „Vor zwei, drei Jahren hätte ich noch gesagt, sie sind teurer als konvention­elle Bauweisen“, sagt Edelhäuser. Inzwischen sei das Angebot an Baustoffen aber gewachsen.

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FOTO: DPA Sieht von außen aus wie ein ganz normales Wohngebäud­e, doch dieses Haus ist mit Stroh gedämmt. In Deutschlan­d ist das noch immer eine Seltenheit.

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