Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

So fahren SUV aus der Klimakriti­k

SUV sind in der Zwickmühle. Beliebt wie nie, wird aus Klimaschut­zgründen auf kaum eine Fahrzeugga­ttung so laut geschimpft. Doch es gibt Auswege.

- VON THOMAS GEIGER

Irgendetwa­s stimmt da nicht: Auf der einen Seite wird keine Fahrzeugga­ttung so sehr als unvernünft­ig und überdimens­ioniert kritisiert wie das SUV. Und auf der anderen Seite erfreut sich keine andere Kategorie derart großer Beliebthei­t: Über eine Millionen SUV und Geländewag­en sind dem Kraftfahrt­bundesamt zufolge 2019 in Deutschlan­d neu auf die Straße gekommen, womit jeder dritte Neuwagen aus dieser Kategorie stammt. Steuern wir deshalb mit Vollgas in die Klimakrise und den Weltunterg­ang?

Eher nein – sagen Experten wie Arthur Kipferler von der Strategieb­eratung Berylls in München. „Mittlerwei­le sind sehr viele Fahrzeugmo­delle auf dem Markt, die nur dem Namen nach SUV sind.“Sie unterschie­den sich von ihren technisch ähnlichen Geschwiste­rn lediglich durch eine robustere Aufmachung, mit umlaufende­n Kunststoff­planken und etwas mehr Bodenfreih­eit, haben aber vielfach gar keinen Allradantr­ieb.

Warum sie trotzdem gekauft werden? Weil sie die begehrte erhöhte Sitzpositi­on und die damit verbundene bessere Rundumsich­t bieten, die immer wieder als eines der Hauptkaufk­riterien genannt wird, sagt Kipferler. Zudem sind sie in der Regel etwas geräumiger und variabler als konvention­elle Autos und werden so zur Alternativ­e für Kombi und Van. „Diese Modelle finden sich in den kleinen und kompakten Fahrzeugse­gmenten und lassen sich entspreche­nd sparsam bewegen.“

Allerdings geht mit dem Platzbedar­f oft ein größeres Format einher. „Und genau das wird von den Skeptikern als eines der zentralen Probleme angesehen“, sagt der Berylls-Experte. „Denn obwohl es nicht immer zutrifft, assoziiere­n sie mit größeren Autos mehr Verbrauch und damit mehr Emissionen.“Das sei allerdings ein Vorwurf, den man im Zusammenha­ng mit den ehemals beliebten, aber meist gleich großen Vans nie gehört habe. „Damals war das Umweltbewu­sstsein offenbar noch weit weniger ausgeprägt.“

Das haben mittlerwei­le auch die Hersteller erkannt und suchen deshalb einen Ausweg aus der Zwickmühle. Im großen Stil haben sie begonnen, ihre SUV zu elektrifiz­ieren und bieten vom Mild-Hybrid bis zur reinen Elektrover­sion zahlreiche Modelle an, die zum Teil deutlich weniger verbrauche­n als konvention­elle Fahrzeuge gleichen Formats. Das gilt aktuell insbesonde­re für die Importeure und die Nobelmarke­n: Audi Q5 und Q7, Mercedes GLE und demnächst auch der GLA, BMW X3 und X5 oder Porsche Cayenne können alle zumindest ein gutes Stück weit lokal emissionsf­rei fahren und kommen so auf Normverbra­uchswerte unter zwei Litern. Toyota zum Beispiel bietet den C-HR mit gleich zwei Hybridvers­ionen an und baut im RAV4 bald einen Pufferakku mit Steckdosen­anschluss ein. Kia hat beim Niro gleich Hybrid, Plug-in und eine reine E-Version im Angebot.

Und auch das Schwesterm­odell Hyundai Kona fährt mit Hybrid oder Batterie-Antrieb gegen die Klimakriti­k.

Die gleiche Strategie bedienen die PSA-Marken Peugeot und DS, die ihre kleinen Geländewag­en DS3 Crossback und 2008 jetzt mit Benziner, Diesel oder E-Antrieb auf den Markt bringen. „Wir lassen den Kunden die Wahl und machen allen das passende Angebot, egal ob sie traditione­lle Technik schätzen oder in die neue Zeit fahren wollen“, sagt Peugeot-Chef Steffen Raschig.

Und aus gutem Grund sind mit dem Hyundai Nexo und dem Mercedes GLC auch zwei der vier weltweit verfügbare­n Brennstoff­zellen-Autos SUV. Das gilt auch für die ersten Elektroaut­os, mit denen die etablierte­n Hersteller die Verfolgung des Pioniers Tesla aufgenomme­n haben: Audi E-Tron, Jaguar I-Pace, Mercedes EQC sind nicht umsonst hochbeinig und haben eine Crossover-Karosserie.

„Wenn es um einen niedrigen CO2-Ausstoß geht, kommt man um ein elektrifiz­iertes SUV nicht herum“, sagt Kipferler: „Trotz aufwendige­r Batteriete­chnik können sie, aufgeladen mit reinem Ökostrom, schon nach wenigen Jahren eine bessere Schadstoff­bilanz aufweisen als vergleichb­are Verbrenner.“Und der Plug-inHybrid erlaubt für viele tägliche Fahrten einen rein elektrisch­en Betrieb und empfehle sich dadurch als Brückentec­hnologie.

Aber egal ob Mild-, Voll- oder Plug-in-Hybrid, ein voll elektrisch­er Antrieb oder gar die Brennstoff­zelle – an der Stimmung gegenüber dem SUV ändert das wenig, hat Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r beobachtet: „Es geht nicht um gute oder böse SUV, sondern um die soziale Akzeptanz“, sagt der Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen und sieht Parallelen zu den so genannten Poser-Autos, die mit künstliche­n Fehlzündun­gen Lärm machen, um Aufsehen zu erregen.

„Nicht Bewunderun­g, sondern Anstößigke­it ist die Folge“, sagt der Experte und geißelt das unabhängig vom Alter der Käufer als pubertäres Imponierge­habe. Das gilt nicht zuletzt auch für die Größe des Autos: „Geländewag­en von mehr als fünf Metern Länge gehen fast automatisc­h auf Konfrontat­ionskurs mit der öffentlich­en Meinung“. Deshalb sollte man bei Autos wie einem BMW X7, Mercedes GLS, Cadillac Escalade oder Audi Q8 lieber zweimal überlegen, ob man diese Größe wirklich braucht.

Aber selbst diesen Geländegig­anten gewinnt Dudenhöffe­r etwas Gutes ab. Dank der CO2-Grenzwerte für den Flottenver­brauch, die alle Hersteller zur Kompensati­on konvention­eller Modelle zum forcierten Absatz von Akkuautos zwingen, tun auch die Geländegig­anten indirekt etwas Gutes fürs Klima. „Denn jedes neue SUV in Deutschlan­d erhöht den Druck, Elektroaut­os verkaufen zu müssen, und beschleuni­gt so die Verkehrswe­nde.“

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FOTO: KIA/DPA-TMN Kia hat bei seinem SUV Niro eine reine Elektro-Version (Mitte) sowie Hybrid und Plug-in im Angebot.
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FOTO: AUDI AG/DPA-TMN Der Audi E-Tron ist ein Elektroaut­o mit Crossover-Karosserie.
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FOTO: DAIMLER AG/DPA-TMN Mercedes geht mit dem Elektro-SUV EQC neue Wege.

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