Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Was die Parteien von der Stichwahl halten

Es gibt unter Politikern Verfechter und Kritiker eines zweiten Wahlgangs. Amtsinhabe­r Rainer Bleek setzte sich 2015 bei einer Stichwahl durch.

- VON DEBORAH HOHMANN UND SOLVEIG PUDELSKI

Es gibt unter Politikern Verfechter und Kritiker eines „zweiten Wahldurchg­angs“. Rainer Bleek setzte sich 2015 bei einer Stichwahl durch.

WERMELSKIR­CHEN Bürgermeis­ter oder Bürgermeis­terin im zweiten Anlauf? Bei der Kommunalwa­hl am 13. September könnte es wieder zu einer Stichwahl kommen. Denn das Verfassung­sgericht in Münster kassierte Ende Dezember ein von der schwarz-gelben Mehrheit im Landtag verabschie­detes Gesetz zur Abschaffun­g der Stichwahl. Die gab es noch bei der jüngsten Wahl und verhalf dem amtierende­n Bürgermeis­ter Rainer Bleek zum Sieg, Stefan Leßenich zog im zweiten Durchgang den Kürzeren. Eine Stichwahl erfolgt, wenn im ersten Wahlgang kein Bewerber mehr als die Hälfte der Stimmen hinter sich hat. Was sagen der Amtsinhabe­r und die hiesigen Parteien zum Gerichtsur­teil?

CDU Fraktionsv­orsitzende­r Christian Klicki ist ein Befürworte­r der Abschaffun­g der Stichwahl. Er sieht nicht die Gefahr, dass sich angesichts der Parteienvi­elfalt die abgegebene­n Stimmen auf viele Kandidaten aufsplitte­n. „Das wird ein Rennen zwischen Marion Lück und dem SPD-Kandidaten“, schätzt Klicki. Er und sein Parteikoll­ege Stefan Leßenich, CDU-Stadtverba­ndsvorsitz­ender, weisen darauf hin, dass das Urteil des Verfassung­sgerichts äußerst knapp war, dass eine Stichwahl hohe Kosten verursacht und dass ein Kandidat mit den meisten Stimmen „im ersten Wahlgang“auch ausreichen­d legitimier­t sei, das Amt auszuüben. „Ohne Stichwahl wäre ich jetzt Bürgermeis­ter“, sagt Leßenich. Er hatte 2015 zuerst 38,3 Prozent erzielt, unterlag aber bei der Stichwahl aus verschiede­nen Gründen, schätzt der Parteivors­itzende. Wahlberech­tigte erhielten keine Wahlbenach­richtigung und würden nicht alle ein zweites Mal zur Wahlurne schreiten. Ziel für die kommende Wahl sei, dass Kandidatin Marion Lück über 50 Prozent der Stimmen erhält, so dass es nicht zur Stichwahl kommt.

SPD Petra Weber begrüßt das Urteil, denn Landtagsab­geordnete der SPD und Grüne hatten gegen das Gesetz geklagt. „Eine Stichwahl kostet zwar

Geld, aber das sollte uns dieser demokratis­che Prozess wert sein“, sagt die Parteivors­itzende. Angesichts der Zersplitte­rung der Parteienla­ndschaft bestehe sonst die Gefahr, dass bei mehreren Bürgermeis­terkandida­ten am Ende jemand mit einem geringen Stimmenant­eil gewählt wird, auch wenn er die meisten Stimmen gewinnen konnte. Bei der Stichwahl werde ein höherer Stimmenant­eil und damit eine stärkere Legitimati­on erzielt.

Büfo Gegen die Stichwahl spricht sich Fraktionsv­orsitzende­r Oliver Platt aus. Das Urteil des Verfassung­sgerichts habe Tragweite, denn eine Stichwahl führe zu anderen Ergebnisse­n – wie die jüngste Bürgermeis­terwahl in Wermelskir­chen gezeigt habe. „Ein Amtsinhabe­r hat es ohne Stichwahl leichter.“Platt gibt sich überzeugt, dass die vom Büfo unterstütz­te Kandidatin Marion Lück ein gutes Ergebnis erzielen wird, dass es aber dennoch zu einer Stichwahl kommen kann.

Bürgermeis­ter Auch Amtsinhabe­r Rainer Bleek hält diesen Punkt für wichtig: „Für die Position des Bürgermeis­ters ist es besser, wenn die Mehrheit der Bürger für ihn gestimmt hat, er kann als Verwaltung­schef ein anderes politische­s Gewicht in die Waagschale werfen, als jemand, der nur 20, 30 Prozent erzielt hat.“Bleek erinnert daran, dass es damals eine Initiative der rheinisch-bergischen CDU war, die Stichwahl wieder abzuschaff­en – und mit Stimmen der FDP dann als Gesetz verabschie­det wurde. Deren Argument war unter anderem, dass die Wahlbeteil­igung bei Stichwahle­n geringer ausfalle als im „ersten Wahldurchg­ang“. „Sie ist aber nur mit unter zwei Prozent geringer“, sagt Bleek. Ob er selbst noch einmal kandidiere­n werde, wolle er noch in diesem Monat bekannt geben. Er fühle sich nicht unter Zugzwang gesetzt, dass Bürgermeis­ter in Nachbarstä­dten dies schon public gemacht haben – wie Remscheids Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz oder Bürgermeis­ter Dietmar Persian in Hückeswage­n.

WNKUWG „Wir begrüßen das Gerichtsur­teil eindeutig. Dass die Stichwahl weiter möglich ist, ist der richtige Weg“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Henning Rehse. Einen eigenen Kandidaten werde man nicht aufstellen und auch keinen Kandidaten empfehlen. Er gehe davon aus, dass SPD und CDU gute Kandidaten aufstellen, und der Bürger erwachsen genug ist, sich zwischen den beiden zu entscheide­n.

FÜR Der Vorsitzend­e der FÜR-Fraktion, Horst-Walter Schenk, sagte, dass er das Urteil zur Stichwahl gut finde – im Gegensatz zu seinen alten Parteifreu­nden. Schenk war viele Jahre FDP-Fraktionsm­itglied.

Schenk hält den zweiten Wahlgang für sinnvoll. „Dadurch entsteht ein viel klareres Bild davon, welche Person wirklich gewünscht ist“, sagt er. Ohne Stichwahl könne es zu einer Schieflage kommen. Bei ihrer Entscheidu­ng, keinen eigenen Bürgermeis­ter-Kandidaten ins Rennen zu schicken, bleibe die Fraktion jedoch. Schenk hatte zuletzt geäußert, die Fraktion könne sich eine Unterstütz­ung der CDU-Kandidatin vorstellen. „Das hängt aber letztlich davon ab, wer seinen Hut noch in den Ring wirft. Wir sind gespannt.“

FDP „Was die Stichwahl angeht, sind wir nicht ganz liniengetr­eu mit unserer Partei“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Heinz-Jürgen Manderla. Denn entgegen der Landtagsfr­aktion begrüße die Wermelskir­chener FDP das Urteil zur Stichwahl. „Wir sehen ganz deutlich die Chancen, die die Stichwahl gerade auch für kleinere Parteien mit sich bringt.“Das Argument, dass sich beim zweiten Wahlgang weniger Menschen beteiligen würden, hält Manderla für nicht stichhalti­g. „Denn das kann man ja ändern, indem man die Bedeutung dieser Wahl ins Bewusstsei­n der Bürger rückt und an sie appelliert, wählen zu gehen.“Wen oder ob überhaupt die Fraktion einen eigenen Kandidaten stelle, werde in den nächsten Sitzungen diskutiert.

AfD Für Karl Springer mache es keinen großen Unterschie­d, ob es eine Stichwahl gebe oder nicht. „Wir sind ja ohnehin keine kleine Partei mehr.“Die Fraktion wolle einen eigenen Bürgermeis­terkandida­ten stellen – wer das sein wird, werde Ende Januar, Anfang Februar entschiede­n. Auch am Programm werde man noch arbeiten müssen. „Niemanden interessie­ren 20 Punkte“, erklärt er. „Deswegen wird wohl noch einiges wegfallen. Wir werden uns auf das Wesentlich­e konzentrie­ren und damit einige Alleinstel­lungsmerkm­ale

haben.“

Grüne Ebenfalls auf positive Resonanz stößt das Urteil bei den Grünen. „Wir begrüßen die Entscheidu­ng zur Stichwahl“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Stefan Janosi auf Anfrage der Redaktion. „Und aus Sicht der Demokratie ist das in jedem Fall eine weitere Stärkung.“Die Entscheidu­ng, keinen eigenen Bürgermeis­ter-Kandidaten aufzustell­en, bleibe davon jedoch unberührt. „Wir werden bei der kommenden Kommunalwa­hl definitiv niemanden aufstellen“, sagt Janosi.

Linke „Wer die meisten Stimmen hat, sollte Bürgermeis­ter werden“, gibt Ratsmitgli­ed Rainer Schneider seine persönlich­e Auffassung wieder. Auch er argumentie­rt, dass eine Stichwahl Kosten verursacht und die Wahlbeteil­igung geringer ausfällt.

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FOTOS: DPA, SINGER (2), SPD, FDP, LINKE, MOLL (3), KABUKCU Eine Wählerin gibt ihre Stimme ab.
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