Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Habeck: Klimaschutz nicht abwälzen
Der Grünen-Chef warnte beim Empfang der IHK Düsseldorf, den Klimaschutz auf andere Länder abzuschieben. IHK-Präsident Andreas Schmitz mahnte, dabei marktwirtschaftliche Grundsätze nicht zu vergessen.
DÜSSELDORF Die Wirtschaft und die Grünen – das ist eine späte Liebe. In den Anfangsjahren galt die Ökopartei als Bürgerschreck und Klassenfeind. 40 Jahre nach ihrer Gründung hat sich das grundlegend gewandelt. „Die Grünen wurden von der Protestpartei zur Gestaltungsmacht“, lobte Andreas Schmitz, Präsident der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf, vor rund 1400 Gästen beim Neujahrsempfang. Er erinnerte daran, dass die Grünen einst die Vergesellschaftung aller Schlüsselindustrien und den Austritt aus der Nato gefordert hatten. Ein Gast wie Robert Habeck wäre damals undenkbar gewesen.
„Haben Sie keine Angst vor dem Wandel, den hat es immer gegeben.“
Robert Habeck Grünen-Chef
Doch nun ist der Grünen-Chef als Gastredner geladen. Schmitz sagt, dass inzwischen alle dazu gelernt hätten. In Kommunen und Ländern funktioniere grüne Regierungsverantwortung oft gut. „Wer in der Jugend kein Kommunist war, hat kein Herz. Und wer es im Alter immer noch ist, hat keinen Verstand“, zitierte Schmitz den Philosophen Bertrand Russell.
Der IHK-Präsident nannte Grünen-Chef Robert Habeck „eine gelungene Mischung aus Robert Redford, Heinrich Böll und Sandmännchen“und lobte: „Habecks Ton wird nicht mehr wie bei früheren Vorsitzenden als Sirene im Dauerbetrieb wahrgenommen, sondern eher wie das Glöckchen zur Bescherung.“
Der Grünen-Chef nahm den Ball auf. Den aktuellen Konflikt um die Klimapolitik erklärt er so: „Politik denkt linear, aber die Entwicklung verläuft in Schüben.“Auch die Bewegung Fridays for Future sei nicht kontinuierlich, sondern plötzlich entstanden. Das überfordere viele. „Rationale Politik – und die Kanzlerin ist eine der rationalsten Politiker – scheint aus der Zeit gefallen.“
Er warnte, den Klimaschutz auf andere Länder abzuwälzen: „Es ist nicht schlau, die Kohlendioxid-Emissionen in anderen Regionen der Welt einzusparen.“Eine Wirtschaft ohne Klimaschutz sei kein Geschäftsmodell für die Zukunft. Deshalb müsse Deutschland vorangehen.
In vielen Wählerschichten kommt die Botschaft der Grünen offenbar an. „40 Prozent der Gründer und Start-up-Mitarbeiter haben eine Zuneigung für die Grünen“, zitierte der 50-Jährige eine Umfrage. „Der Grund ist, dass sie auf Nachhaltigkeit setzen.“Wenn man Veränderung wolle, sollte man bei sich selbst anfangen – und eben auch in den Braunkohleregionen.
Habeck mahnte: „Haben Sie keine Angst vor dem Wandel, den hat es schon immer gegeben.“Vor 189 Jahren, als die IHK Düsseldorf gegründet wurde, habe sich auch keiner vorstellen können, dass nur noch 1,5 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten würden. Die aktuellen Sorgen der Mitarbeiter bei Autozulieferern seien verständlich, so Habeck, aber das werde den Strukturwandel der Autobranche weg vom Verbrennungsmotor nicht aufhalten. Er betonte: „Ich bin nicht gegen das Auto, aber das Verkehrssystem das Zukunft wird ganz anders, vernetzter aussehen.“Und da werde auch längst nicht mehr jeder ein Auto haben.
Die Unternehmer zeigten sich angetan von der freundlich-intellektuellen Attacke. „Nicht jeder Unternehmer wird Ihre Thesen unterschreiben, aber wir sind beeindruckt von der Begründung und freuen uns über Ihr Bekenntnis zur Marktwirtschaft“, sagte Schmitz.