Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Feuerwehr zeigt Übergriffe konsequent an
Dutzendfach wurden Sanitäter 2019 beleidigt, bespuckt, geschlagen. Silvester traf es auch die Feuerwehr. Zum Schutz greift oft die Polizei ein.
Mitarbeiter der Feuerwehr müssen sich jedes Jahr mehrfach bei Einsätzen gegen Angriffe wehren. Insbesondere Rettungsdienst-Kräfte sind betroffen. Das geht aus Zahlen hervor, die die Feuerwehr Düsseldorf für unsere Redaktion ermittelte. Demnach hat es 2019 27 Vorfälle gegeben, bei denen Mitarbeiter der Feuerwehr Opfer von Übergriffen wurden. 2018 waren es ebenso viele. Alle Vorfälle ereigneten sich im Rettungsdienst. In 15 Fällen wurden Sanitäter beleidigt oder beschimpft (2018: neun). Zwölf Mal kam es zu Tätlichkeiten wie Treten, Schlagen, Anspucken oder Beschädigung von Einsatzfahrzeugen. Im Vorjahr waren es 18 Fälle gewesen. Drei (2018: fünf ) Mitarbeiter wurden dabei verletzt.
Nicht in diese Statistik eingegangen ist ein Vorfall aus der Silvesternacht, der damit ins Jahr 2020 zählt, und bei dem auch Feuerwehrleute angegriffen wurden: Im Hinterhof eines Mehrfamilienhauses in Lierenfeld brannte ein Sperrmüllhaufen – so heftig, dass mehrere Wohnungen mit Brandrauch gefüllt waren und die Flammen bis zur zweiten Etage hochschlugen. Während die Feuerwehr 15 Menschen aus dem Gebäude rettete und 42 medizinisch begutachtete, legten sich mindestens zwei Passanten aus ungeklärtem Grund mit den Rettern an. Sie beleidigten und bespuckten Feuerwehrleute. Die Polizei nahm sie vorübergehend in Gewahrsam.
Wie in diesem Fall wurde auch bei allen anderen Übergriffen auf Feuerwehrpersonal 2019 Strafanzeige gestellt. Die Feuerwehr setzt zur Prävention auf regelmäßige Deeskalationstrainings, so ein Sprecher. „Kommt es zu einem Übergriff, steht die Feuerwehr Düsseldorf in einem engen Austausch mit der Polizei, um die Situationen schnell zu klären.“Betroffene Mitarbeiter hätten dann die Möglichkeit, sich anonym psychosoziale Unterstützung durch ein speziell geschultes Team zu holen, um das Geschehen zu verarbeiten.
Während die Feuerwehr immerhin keine gestiegenen Übergriffszahlen verzeichnet, sieht das bei den Mitarbeitern des Ordnungsund Servicediensts (OSD) anders aus. Von 2009 bis 2019 sollen sich die Zahlen versechsfacht haben. Nun soll der OSD mit „Einsatzmehrzweckstöcken“ausgerüstet werden. „Wie in jedem großen Unternehmen bewerten wir im Sinne des Arbeitsschutzes die Gefahrensituationen
des Berufs und wollen etwas tun, damit unsere Mitarbeiter sich im Zweifel verteidigen können“, so Ordnungsdezernent Christian Zaum.
Die deutlich größere Zahl der Übergriffe führt er einerseits darauf zurück, dass nicht mehr bei jeder Lärmbeschwerde Polizisten den OSD begleiten könnten. Die Wirkung sei eben doch eine andere, wenn bewaffnete Polizeibeamte mit vor der Tür stünden. Die gravierendere Ursache sei aber ein gesellschaftlicher Wandel insgesamt, der dazu führe, dass das Klima rauer sei – egal ob auf Schulhöfen oder auf der Straße. Zaum: „Das müssen unsere Beamten am Ende ausbaden.“
Um auf das Problem zu reagieren, werden seit 2018 sogenannte Verfahren zum Nachteil von Polizisten bei der Staatsanwaltschaft gebündelt erfasst. Im Jahr 2019 gingen hier 1600 Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein. Nicht in allen Fällen kam es natürlich zum Prozess.
Für den Rettungsdienst geht die größte Gefahr von Patienten aus. „Die meisten Übergriffe ereignen sich bei der Behandlung von Patienten“, sagt Feuerwehrsprecher Christopher Schuster. „In rund 70 Prozent der Fälle geht die Gewalt vom Patienten aus, der Rest entfällt auf Angehörige
oder Passanten.“Und ein weiterer Faktor spielt nach Beobachtung der Feuerwehr eine große Rolle: „Die Täter waren in 75 Prozent der Fälle alkoholisiert oder standen unter Drogeneinfluss.“
Die Feuerwehr geht relativ abgeklärt mit dem Thema um: „Allen Mitarbeitern ist die Gefahr, die der Beruf mit sich bringt, allgegenwärtig“, so Schuster. „Das Thema Übergriffe ist inzwischen ein fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung.“Das heiße nicht, dass Übergriffe toleriert würden. „Jeder Übergriff wird konsequent zur Anzeige gebracht.“
Lesen Sie hier einen Kommentar unserer Autorin zum Thema.