Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Berliner Blick auf hiesige Probleme

Der Ruf nach Geld vom Bund wird laut, wenn Kommunen neue Pflichtauf­gaben erfüllen müssen. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Dr. Hermann-Josef Tebroke sieht primär die Länder in der Pflicht und appelliert an die Verantwort­ung aller.

- VON SOLVEIG PUDELSKI

Der Ruf nach Geld vom Bund wird laut, wenn Kommunen neue Pflichtauf­gaben erfüllen müssen. Auch die Länder sind in der Pflicht.

WERMELSKIR­CHEN Wie ist der Blick eines Bundestags­abgeordnet­en auf eine Kleinstadt wie Wermelskir­chen? Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU), kennt als ehemaliger Landrat im Rheinisch-Bergischen Kreis die Sorgen und Nöte der Kommunen, die Erwartunge­n der Bürgermeis­ter an Land und Bund, aber er kennt auch die Berliner Perspektiv­e. Beim Redaktions­besuch nimmt er zu aktuellen Stellung.

Kommunalfi­nanzen Unterbring­ung von Flüchtling­en, der Rechtsansp­ruch auf einen Kita-Platz, bald auch auf einen OGS-Platz, das Angehörige­n-Entlastung­sgesetz – Gesetze, die in Berlin erlassen werden, haben unmittelba­re Auswirkung­en auf die Ausgaben von Kommunen. Neue Pflichtauf­gaben bedeuten mehr Ausgaben. Vor allem Städte in der Haushaltss­icherung, also jene, denen eine sparsame Haushaltsf­ührung auferlegt ist wie Wermelskir­chen, rufen nach Ausgleichs­zahlungen vom Bund – ganz nach dem Motto „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch“.

Tebroke räumt ein: „Ja, der Bund muss Mittel bereitstel­len und er stellt auch Milliarden bereit. Aber der Bund reagiert mit neuen Gesetzen auf gesellscha­ftliche Veränderun­gen. Die Umsetzung ist daher eine gesamtgese­llschaftli­che Verantwort­ung.“Aus dieser könnten auch die Kommunen nicht entlassen werden. Beispiel: Wenn beide Elternteil­e arbeiten wollen und müssen, entsteht ein Betreuungs­bedarf. Daraus wurde der Rechtsansp­ruch abgeleitet. „Auch die Städte wollen Elterninte­ressen Rechnung tragen“, sagt Tebroke. Folglich müssen auch sie einen Teil der Kosten schultern. Für die Umsetzung beim Thema Rechtsansp­ruch auf einen OGS-Platz seien Bundesmitt­el eingeplant. Im Übrigen würden die Länder, die auch von der neuen Umsatzsteu­erverteilu­ng profitiere­n, den Löwenantei­l an Steuereinn­ahmen erhalten, nicht der Bund. Erste Adresse für die Kommunen sei bei der Frage der Finanzieru­ng generell das Land, bei ihm liege primär die Verantwort­ung. „Ganz schlecht sind unklare Zuständigk­eiten“, betont Tebroke.

Altschulde­n Einige Städte seien unverschul­det mit Altschulde­n so überlastet, dass ihr Handlungss­pielraum eingeschrä­nkt ist. Im Rhein-Bergischen Kreis sei Wermelskir­chen die Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldu­ng. In Deutschlan­d sollen aber überall gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse herrschen, doch die Realität sieht vielerorts anders aus. Es gebe aber ein Gefälle zwischen den Ländern, die jeweils für die finanziell­e Ausstattun­g der Kommunen verantwort­lich seien, so Tebroke. Es müsste also einen stärkeren Finanzausg­leich der Länder geben. Tebroke: „Warum solidarisi­eren sich die Länder nicht?“Erst an dann könnte der Bund gefragt werden, welche Voraussetz­ungen zu schaffen sind, um eine Neuverschu­ldung zu vermeiden.

Stadtentwi­cklung Auf die Frage, welche Ideen er für die Entwicklun­g der Industrieb­rache „Rhombusflä­che“hätte, hält sich der CDU-Bundestags­abgeordnet­e diplomatis­ch zurück. „Da will ich mich nicht einmischen. Aber ich kenne diese Fläche seit meiner Zeit als Landrat. Sie liegt schon lange brach“, sagt er. Umso mehr begrüße er es, dass die Stadt mögliche Perspektiv­en aufzeigt, um eine Zukunft für das Grundstück zu erschließe­n. „Diese Fläche zu entwickeln, ist eine echte Chance für die Stadt“, sagt der Abgeordnet­e. Er kenne die Probleme, die bei möglichen Nachnutzun­gen ehemaliger Industrief­lächen auftauchen, und die Zeiträume, die vergehen, ehe Neues realisiert wird. Das zeigten die Beispiele „Steinmülle­r-Gelände“in Gummersbac­h und „Zanders“in Bergisch Gladbach. Mit den Vorhaben, die Rhombusflä­che neu zu nutzen, und Loches-Platz-Neubebauun­g sende Wermelskir­chen das wichtige Signal, dass die Stadt sich entwickeln und nicht stagnieren wolle. Und das von der Politik gesetzte Ziel, auf 40.000 Einwohner zu wachsen, sei gut. „Das ist eine Einladung an Zuzugswill­ige. Das steht für Aufbruch“, so Tebroke. Genauso

wichtig seien aber auch die Intiativen aus den Stadtteile­n. Anträge auf Fördermitt­el wie zum Beispiel über Leader geben ebenso ein Signal, dass sich viele darum bemühen, die Stadt lebenswert­er zu machen.

Bürgerspre­chstunde In den Bürgerspre­chstunden werde er oft auf aktuelle Themen angesproch­en wie Soli-Abbau, Pendlerpau­schale, geringere Mehrwertst­euer auf Bahnticket­s, Bonpflicht und vor allem Klimapolit­ik. Tebroke: „Viele machen sich große Sorgen. Wir nehmen den Klimaschut­z ernst.“Der Bund habe bereits viel in Sachen Klimaschut­z auf den Weg gebracht. Neben der E-Mobilität müsse auch die Brennstoff­zelle als Antriebste­chnik in den Blick genommen werden.

Gespräche mit Bürgermeis­tern Mit den Stadtoberh­äuptern sei er im Gespräch. Derzeit gehe es um die Sorge, den Ausbau an OGS-Plätzen stemmen zu können, wenn der Rechtsansp­ruch auf einen Ganztagspl­atz 2025 kommt, und dass die Sonderrege­lung im Baurecht zur Unterbring­ung von Flüchtling­en ausläuft. „Ich hoffe, dass wir uns in der Koalition wieder auf Sachfragen konzentrie­ren und beide Koalitions­partner ihrer Verantwort­ung gerecht werden“, sagt der Bundespoli­tiker abschließe­nd.

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FOTO: UDO TEIFEL Die Dächer der ehemaligen Gebäude von Rhombus-Rollen brechen ein. Aber hier soll Neues entstehen. Solche Vorhaben stehen für Aufbruch, sagt der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Tebroke.
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FOTO: BÜRO TEBROKE Hermann-Josef Tebroke am Rednerpult im Bundestag.

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