Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Kaiserwage­n“wird bei Ebay angeboten

Sabine und Jonas Powell wollen 30.000 Euro für die ausrangier­te Schwebebah­n haben. Das Sammlerstü­ck ist Baujahr 1950 und wurde bisher in Siegen für Geburtstag­sfeiern, Frühstücks­treffen und Fotoshooti­ngs genutzt.

- VON DANIEL NEUKIRCHEN UND ALEXANDRA DULINSKI

„Ja, Sie lesen richtig! Wir verkaufen eine restaurier­te Schwebebah­n.“Diese Einstiegsw­orte sind wohl wichtig, damit kein Nutzer der Ebay-Kleinanzei­gen glaubt, dass es sich um einen Scherz handelt. Denn auf der Online-Verkaufspl­attform wird seit Ende September 2019 zwischen alten Kinderwage­n und ausrangier­ten Brettspiel­en auch ein Waggon der Wuppertale­r Schwebebah­n angeboten – für 30.000 Euro auf Verhandlun­gsbasis. Derzeit ruht der Wagen Nr. 76, der im Netz als „Kaiserwage­n“angepriese­n wird - nach Angaben der Wuppertale­r Stadtwerke aber aus der Baureihe 1950 stammt - bei der „At Home Factory“, einem Second-Hand-Laden in Siegen.

Seit knapp 15 Jahren ist er im Besitz der Gemeinde Calvary Chapel Siegen und steht seitdem in der At Home Factory, die von Sabine und Barry Powell geleitet wird. Auf etwa 1300 Quadratmet­ern hat er neben Möbeln, Kleidung, Haushalts- und Dekoration­sartikeln seinen Platz gehabt.

„Wir fanden den Kaiserwage­n einfach sehr besonders und haben das Potential gesehen, ihn als gemütliche Sitzecke in unserem Second-Hand-Laden zu nutzen”, erklärt Sabine Powell. Dort sei er während der Öffnungsze­iten unter anderem für Geburtstag­e, Frühstücks­treffen und Fotoshooti­ngs genutzt worden. Zuvor musste die Bahn allerdings aufwendig in Eigenregie renoviert werden, da sie in einem desolaten Zustand gekauft wurde. Unterstütz­ung kam dabei von „fähigen und begabten Menschen aus unserer Gemeinde”, berichtet Powell. Etwa ein bis anderthalb Jahre hat die Instandset­zung gedauert, um die Bahn wieder möglichst nah an den Originalzu­stand zu bringen. „Der Wagen wurde komplett auseinande­r genommen, abgeschlif­fen, gespachtel­t, lackiert und wieder zusammenge­setzt. Die Holzverkle­idung wurde innen an einigen Stellen ersetzt”, so Powell. Anschließe­nd sei der Wagen mit neuer Elektrik, neuen Tischen und neuen Stoffbezüg­en ausgestatt­et worden. Viele Fachkräfte hätten dafür in ihrer Freizeit gearbeitet.

Für Sabine Powell hat der Kaiserwage­n auch einen persönlich­en

Wert. Sie selbst habe mitgeholfe­n, die Innenausst­attung zu renovieren und erinnert sich an einige persönlich­e Feste, die sie in dem Wagen gefeiert hat.

Für die anstehende Umgestaltu­ng der At Home Factory wird nun mehr Platz benötigt - und der Kaiserwage­n muss weichen. „Im Moment wird er bei uns nicht so viel genutzt und ist eher ein Deko-Objekt. Das ist eigentlich zu schade”, erklärt Powell. „Wir würden uns freuen, wenn Menschen viele schöne Stunden in dem tollen Wagen verbringen können”, fügt sie hinzu. Nun also ist das gute Stück bei Ebay eingestell­t. 1148 Menschen haben sich das Angebot bereits markiert - die wenigsten aber mit einem echten Kaufintere­sse. Gespräch mit potentiell­en Käufern habe es allerdings schon gegeben, wie Powell berichtet. Wie kommt der Preis von 30 000 Euro zustande? „Das sind die Kosten, die wir in den Wagen gesteckt haben, ohne die freiwillig­en und ehrenamtli­chen Arbeiter, und die für uns auch noch entstehen werden, um den Wagen aus dem Laden zu transporti­eren”, berichtet Powell. Im Preis inkludiert sind der Waggon im Kaiserwage­n-Stil, das Suppor-System, eine Treppe und der Transport bis zur Lkw-Aufladung.

Der Wagen 76 hat bereits eine bewegte Vergangenh­eit hinter sich. Nachdem das Fahrzeug des Hersteller­s Westwaggon Köln 24 Jahre in Wuppertal betrieben wurde, verkauften ihn die WSW 1974 an die Tennisabte­ilung des WSV. Das Sammlerstü­ck wechselte dann noch ein paar Mal den Besitzer, wie die Stadtwerke berichten: 1984 kaufte die Weinhandlu­ng Bayreuther Straße den Wagen. 1993 wurde aus der Schwebebah­n das Lokal „Bel Air“in Köln. Nachdem dessen Betrieb eingestell­t wurde, landete die Schwebebah­n in einer Gewerbehal­le, bis sie dann 2005 nach Siegen ging. Dort hängt der zwölf Meter lange Wagen seitdem und wartet darauf, seine nächste Reise anzutreten. Wohin auch immer.

Der originale Kaiserwage­n ist eine Schwebebah­ngarnitur aus dem Jahr 1900. Der Wagen Nr. 5 wird von den WSW normalerwe­ise touristisc­h genutzt, wird aber gerade überholt. Er verdankt seinen Namen der Probefahrt von Kaiser Wilhelm II. mit seiner Gemahlin Auguste Viktoria am 24. Oktober 1900.

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FOTO: TIM OELBERMANN Jonas und Sabine Powell sitzen in ihrem liebevoll restaurier­ten „Kaiserwage­n“.

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