Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Macht der Sponsoren

Viele Athleten sind auf Sponsoreng­elder angewiesen. Diese Realität zu leugnen, wäre weltfremd. Aber die Abhängigke­it darf nicht noch größer werden – dafür müssen die Sportverbä­nde sorgen.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Abgekämpft kommen die Skirennfah­rer oder Biathleten ins Ziel. Wenig später stehen sie zum Interview bereit, nehmen schnell noch einen Schluck von ihrem Energie-Drink oder stellen ihre Trinkflasc­he auf das TV-Pult. Alltäglich­e Szenen für die Fernsehzus­chauer. Die meisten werden diese Szenen genauso beiläufig registrier­en wie die unterschie­dlichen Schuhmodel­le, mit denen die Fußballsta­rs über den Platz laufen. Genau das ist gewollt und zugleich ein Problem. Denn mit Zufall hat das alles nichts zu tun, sondern mit einer ausgeklüge­lten Marketings­trategie.

Viele Sportler haben diesen Schluck aus ihrer Sponsorenf­lasche in ihren Werbevertr­ägen stehen. Ähnlich zufällig stehen so manche Leichtathl­eten, Fußballer oder Basketball­er mit Kopfhörern bekannter Hersteller vor den TV-Kameras. Sportler eignen sich für Heldengesc­hichten, als Idole und Vorzeigeob­jekte. Und als solche hat sie längst die Werbebranc­he entdeckt. Unternehme­n sponsern oder kaufen ganze Sportteams, tauchen als Trikot- oder Stadionspo­nsor auf. Das ist wichtig, weil es dem Sport die finanziell­en Mittel für Erfolg und große Events gibt. Einzelspor­tler werden zu lebendigen Werbetafel­n – tragen Sponsorenl­ogos auf Helmen, Kleidung und Sportgerät­en. Und sie haben gar keine andere Wahl als sich in Teilen an Unternehme­n zu verkaufen. Viele Athleten – auch in Deutschlan­d – sind auf genau diese Sponsoren angewiesen, um ihren Leistungss­port und ihr Leben zu finanziere­n.

Anders als zum Beispiel Fußballer erhalten Einzelspor­tler in der Regel kein festes Gehalt. In Deutschlan­d gibt es für viele Athleten zwar Sportförde­rung, einige sind als Polizisten oder Zollbeamte beim Staat angestellt, um in den Wettkampfp­ausen Geld zu verdienen. Aber selbst mit Siegprämie­n reicht das für die Allermeist­en nicht, um davon zu leben

– erst recht nicht, wenn der Erfolg und damit Prämien ausbleiben.

Während Stars wie Roger Federer, Sebastian Vettel oder Lionel Messi aufgrund ihrer Strahlkraf­t Millionen mit Werbung verdienen, muss der Großteil der Sportler um Sponsoren kämpfen. Das Problem: Das wissen auch die Sponsoren. Deswegen können sie das Auftreten der Sportler in der Öffentlich­keit bestimmen, oder was sie in den sozialen Medien zeigen. Sie können von den Sportlern aber auch versteckte Werbung fordern. Schleichwe­rbung. Sportler dienen dann als Instrument, um zum Beispiel TV-Zuschauer beiläufig zu beeinfluss­en. Trinken die Sportler vor laufenden Kameras aus Sponsorenf­laschen, sollen die Zuschauer gar nicht merken, dass sie gerade eine Werbeaktio­n sehen. Eine Beeinfluss­ung, die zumindest in Deutschlan­d unerwünsch­t und bei den öffentlich-rechtliche­n Sendern ARD und ZDF nach dem Rundfunkst­aatsvertra­g verboten ist.

Solche zweifelhaf­ten Sponsorend­eals entgegenwi­rken können nur die Sportverbä­nde und Wettkampfo­rganisator­en – mit höheren Sieg- und Startprämi­en für die Sportler. Die Preisgelde­r sind oft so gestaffelt, dass nur die Allerbeste­n davon profitiere­n. Höhere Prämien und eine bessere Verteilung würden den Sportlern größere finanziell­e Unabhängig­keit bieten – auch von Sponsoren. Denn wie schwierig der Umgang mit solchen Werbetrick­s ist, zeigt aktuell ein Streit zwischen Winterspor­tlern und den Fernsehsen­dern ARD und ZDF eindrückli­ch.

Die beiden TV-Anstalten verbieten es Sportlern neuerdings, ihre Sponsorenf­laschen mit in Interviews zu bringen. Sie bewerten das als Schleichwe­rbung. Erlaubt ist es hingegen, dass Sportler die Namen oder Logos ihrer Sponsoren an der Kleidung oder dem Sportgerät tragen – weil in diesen Fällen deutlich sei, dass es sich um Werbung handle. Das müsse als Werbemögli­chkeit vor der Kamera reichen, befanden die Sender.

Vorausgega­ngen waren dem Verbot Zuschauerb­eschwerden beim Fernsehrat über die aus ihrer Sicht aggressive Werbetakti­k von Red Bull. Von dem österreich­ischen Brausehers­teller gesponsert­e Athleten tranken zuletzt nicht mehr wie bisher geduldet aus Flaschen mit dem Unternehme­nslogo, sondern gleich aus der handelsübl­ichen Red-Bull-Dose. Sportler wie der deutsche Skirennfah­rer Thomas Dreßen bestätigte­n, dass es Teil der Verträge mit dem Sponsor sei, die Dosen mit zu den Interviews zu nehmen.

Dass Unternehme­n Sportler beeinfluss­en, ist kein neues Phänomen, es liegt schon in der Natur des Sponsoring­s – ein Prinzip von Leistung und Gegenleist­ung. Das Verhältnis wird aber zunehmend schwierige­r, weil große Unternehme­n mit viel Geld locken, dafür aber auch viel Gegenleist­ung erwarten. In Anbetracht der schwierige­n finanziell­en Situation vieler Sportler ist die Verlockung groß, für Geld große Zugeständn­isse zu machen.

Darunter leiden im schlimmste­n Fall der Sport und die Fans. Wenn Sponsoren zum Beispiel durch ihre Vorgaben reglementi­eren, welche TV-Stationen ihre Sportler interviewe­n dürfen. Österreich­ische Skistars boykottier­ten nach dem Flaschenve­rbot zunächst Interviews mit ZDF und ARD. Weil sie befürchtet­en, sonst gegen ihre Sponsorenv­erträge zu verstoßen. Inzwischen zeigen sich die Sponsoren kooperativ, sagt ARD-Sportkoord­inator Axel Balkausky.

Kaum verwunderl­ich: Der Streit ist auch ein Problem für die Sponsoren. Negative Schlagzeil­en mit ihrem Namen, erst recht über ihre Werbetrick­s, wollen sie vermeiden. Denn in den meisten Fällen lassen sich Fans nur allzu gerne davon täuschen und beeinfluss­en. Diese Erfolge steigern den Einfluss der Werbepartn­er. Und es wird auch immer Athleten geben, dich sich trotz Millionen-Einnahmen auf weitere Werbeaktio­nen einlassen. Es muss den Sportlerin­nen und Sportlern aber leichter gemacht werden, Sponsoren abzulehnen – um sie und die Fans vor deren Einfluss zu schützen.

Viele Athleten sind auf genau diese Sponsoren angewiesen, um ihren Leistungss­port und ihr Leben zu finanziere­n

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