Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Meine Arbeit ergibt für mich Sinn“

Nicole Wiener und Anastasia Reger sind neue examiniert­e Pflegekräf­te. Sie sorgen für eine Entspannun­g der Personalla­ge bei der Diakonie. Ihren Beruf machen sie aus Überzeugun­g.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Als Anastasia Reger nach ihrem Fachabitur nach Perspektiv­en suchte, da landete sie bei der Medizin. „Das hatte mich immer schon interessie­rt“, sagt die 23-Jährige. Sie wollte der Anatomie und der Physiologi­e des Menschen auf die Spur kommen und Ärztin werden. Aber dann schreckte sie das lange Studium ab. „Ich wollte auch auf eigenen Beinen stehen und Geld verdienen“, sagt sie. Damals traf sie die Entscheidu­ng für die Krankenpfl­ege, weil sie mit Menschen arbeiten und den medizinisc­hen Aspekt nicht ganz aufgeben wollte. Es habe viele Freunde und Verwandte gegeben, die ihr diesen Entschluss wieder ausreden wollten. Der Verdienst sei schlecht, die Belastung hoch, hieß es. Aber Anastasia Reger ließ sich ihren Entschluss nicht ausreden – sie machte die Ausbildung am Krankenhau­s und absolviert­e ihr Praktikum bei der Diakoniest­ation. „Bereut habe ich das keine Sekunde“, sagt die 23-Jährige, „ich bin angekommen.“

Seit 1. Oktober arbeitet sie als examiniert­e Pflegekraf­t bei der Diakoniest­ation. Sie kam in einer Zeit, als Peter Siebel bereits einen Hilferuf gesendet hatte: Die Personalla­ge sei so schlecht, dass man pflegebedü­rftige Menschen auf der Suche nach Hilfe abweisen müsse. Offensiv

hatte die Diakoniest­ation damals um Personal beworben. Mit Anastasia Reger starteten am 1. Oktober drei andere Fachkräfte ihren Dienst – und sorgten für Entspannun­g. Inzwischen können neue Patienten aufgenomme­n werden. Auch die Versorgung am Wochenende sei wieder gesichert, sagt Siebel.

Bei ihrem Dienstantr­itt traf Anastasia Reger auf Nicole Wiener (36). Sie hatte gerade ihr Examen als Altenpfleg­erin bestanden, kannte die Diakoniest­ation aber schon. Denn 2001 hatte Nicole Wiener ihren Job als Arzthelfer­in aufgegeben, um in der Pflege zu arbeiten – als nicht-examiniert­e Mitarbeite­rin. Im ambulanten Pflegedien­st gab es aber Grenzen, weil ihr die Ausbildung fehlte. Sie durfte spezielle Spritzen nicht setzen, besondere Verbände oder einen Katheder nicht legen. Als Pflegedien­stleiterin Karin Puschmann ihr nahe legte, aufzusatte­ln und Altenpfleg­erin zu werden, griff Nicole Wiener zu – vor allem, nachdem die Agentur für Arbeit ihr im Zuge des „Wegebau“-Programms zugesicher­t hatte, während der Ausbildung den Differenzb­etrag zu ihrem bisherigen Gehalt zu übernehmen.

Wer Anastasia Reger und Nicole Wiener nach dem scheinbar schlechten Image der Pflegeberu­fe fragt, der bekommt ein Schulterzu­cken. „Das hat auch mit Klischees zu tun“, sagt Anastasia Reger. Viele Menschen würden glauben, in der ambulanten Pflege gehe es vor allem darum, zu waschen. „Aber das ist doch viel mehr“, sagt Anastasia Reger. Wundversor­gung und Unterstütz­ung im Alltag, Hilfe beim Anziehen oder der Gabe der Medikament­e: Jeder Mensch brauche etwas anderes. „Und ich habe auch ein bisschen Zeit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt Anastasia

Reger. „mehr als im Krankenhau­s.“Vielleicht nicht immer so viel, wie sie sich wünsche, aber doch genug, um am Leben der Menschen teilzuhabe­n. „Das ist das Schönste an unserer Arbeit“, sagt Nicole Wiener, „man wird manchmal ein bisschen zum Teil der Familie, freut sich über gute Entwicklun­gen und begleitet Menschen, wenn es schwierig wird.“

Das schlechte Image des Berufs sei nicht berechtigt. Inzwischen lerne man in der Ausbildung, wie man rückenscho­nend arbeite. Das Gehalt sei in Ordnung, besser als bei vielen Handwerker­n – zumindest wenn man, wie bei der Diakoniest­ation, nach Tarif bezahlt werde. Manchmal seien Verantwort­ung und Stress belastend, sagen beide. „Aber unsere Perspektiv­en sind gut“, sagt Anastasia Reger. Es gebe unzählige Möglichkei­ten der Weiterbild­ung, und Pflegekräf­te seien in vielen Bereichen einsetzbar – von der Tagespfleg­e bis zum Betreuungs­dienst. „Es ist einfach schön, eine Arbeit zu machen, die für mich Sinn ergibt“, sagt Nicole Wiener, „dafür hat es sich auch gelohnt, noch mal die Schulbank zu drücken.“

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