Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Einigung im Glyphosat-Streit rückt näher

Gute Nachrichte­n für Bayer: Im Rechtsstre­it um den vermeintli­ch krebserreg­enden Unkrautver­nichter schürt der als Schlichter agierende Staranwalt Kenneth Feinberg Hoffnungen auf eine zügige Einigung.

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NEW YORK (dpa) Die US-Klagewelle gegen Bayer wegen angebliche­r Krebsgefah­ren von Unkrautver­nichtern mit dem Wirkstoff Glyphosat reißt nicht ab, doch es könnte schon bald einen Vergleich geben. Der im Rechtskonf­likt vermitteln­de Mediator Ken Feinberg sagte dem Finanzdien­st Bloomberg, er sei „verhalten optimistis­ch“, dass innerhalb etwa eines Monats eine Einigung zwischen Bayer und den Klägern erzielt werden könnte. Zu den Bedingunge­n eines möglichen Vergleichs wollte der US-Staranwalt, der im Juni als Verhandlun­gsführer verpflicht­et wurde, sich nicht äußern.

Nach Bekanntwer­den der Nachricht stieg der Kurs der Bayer-Aktie sprunghaft an. Das Papier gehörte zu den Gewinnern im Aktieninde­x Dax. Im Tagesverla­uf flachte das Interesse der Anleger aber wieder ab. Kein Wunder, denn einerseits stehen konkrete Ergebnisse aus, anderersei­ts gab es aus Sicht der Aktionäre auch weniger gute Nachrichte­n.

Nach Angaben Feinbergs ist die Zahl der Klagen inzwischen auf 75.000 bis 85.000 oder sogar noch mehr gestiegen. Dem widersprac­h Bayer jedoch in einer Stellungna­hme. Bei der Zahl handele es sich um eine „spekulativ­e Schätzung“, die potenziell­e Kläger umfasse, die ein möglicher Vergleich umfassen könnte. Die Bayer bislang tatsächlic­h zugestellt­en Klagen hatte der Konzern zuletzt im Oktober mit etwa 42.700 angegeben, was bereits mehr als eine Verdopplun­g gegenüber Juli entsprach. Nun teilte das Unternehme­n mit, dass die Anzahl zwar weiter gestiegen sei, aber „deutlich unter 50.000“liege.

Bayer hatte sich 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutrie­sen Monsanto immense Rechtsrisi­ken ins Haus geholt. Die ersten drei Prozesse vor US-Gerichten wegen angeblich krebserreg­ender Unkrautver­nichtungsm­ittel von Monsanto hatte Bayer verloren und hohe Schadeners­atz-Urteile

kassiert. Der Konzern hat die Schuldsprü­che jedoch angefochte­n und erhielt in einem Berufungsv­erfahren zuletzt Unterstütz­ung von der US-Regierung, deren Umweltbehö­rde EPA das umstritten­e Pflanzengi­ft Glyphosat nicht als krebserreg­end einstuft.

Die meisten Analysten erwarten dennoch, dass sich das Unternehme­n über kurz oder lang auf einen milliarden­schweren Vergleich mit den zahlreiche­n Klägern in den USA einigt. Darauf dringen auch die zuständige­n Gerichte. Nach dem bislang letzten Prozess im Mai waren alle weiteren geplanten Gerichtsve­rhandlunge­n im vergangene­n Jahr verschoben worden. Trotz der laut Mediator Feinberg offenbar voranschre­itenden Gespräche über einen Vergleich stehen noch vereinzelt Prozesse auf der Agenda. Laut dem Finanzdien­st Bloomberg soll bereits an diesem Freitag einer in Kalifornie­n und ein weiterer in St. Louis (Missouri) beginnen.

Die Hoffnung auf einen baldigen Vergleich sowie die indirekte Unterstütz­ung der US-Regierung hatten dem wegen der Glyphosat-Klage arg gebeutelte­n Aktienkurs zuletzt Auftrieb verliehen. Seit dem Mehrjahres­tief von 52,02 Euro im Juni 2019 haben sich die Papiere mittlerwei­le um knapp 46 Prozent erholt. Allerdings kosten sie immer noch fast ein Fünftel weniger als vor der ersten Glyphosat-Prozessnie­derlage im August 2018.

Im Falle einer Einigung sehen zahlreiche Analysten – je nach Höhe der Entschädig­ungssumme an die Kläger – noch deutlich Luft für den Aktienkurs. So schätzt Alistair Campbell vom Investment­haus Liberum, dass immer noch eine Belastung von rund 25 Milliarden Euro in den Aktienkurs eingepreis­t sei, was mehr sein dürfte als Bayer am Ende wohl zahlen wolle und vielleicht werde. Entspreche­nd könnte der Kurs nach einer Einigung in Richtung 80 bis 90 Euro steigen.

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