Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kind macht mal wieder Wind
Hannovers Geschäftsführer wirft den Sportchef Jan Schlaudraff raus und ersetzt ihn durch Gerhard Zuber, mit dem der Verein vor Gericht streitet. Das muss nicht jeder verstehen. Aber es sorgt für Aufmerksamkeit.
Martin Kind hat dem Fußball schon wundervolle Anekdoten beschert. Unvergessen ist, wie Hannovers mächtigster Vereinsboss vor fünf Jahren Peter Neururer mit quietschenden Reifen im Porsche an der Geschäftsstelle vorfahren ließ, nur um ihm mitzuteilen, dass er als Trainer von 96 nicht in Frage komme. Dagegen ist Kinds dauerhaftes Gefecht mit der Deutschen Fußball Liga um die nach seiner maßgeblichen Meinung längst überfällige Abschaffung der 50+1-Regel seriöses Geschäftsgebaren.
Übertroffen wird es von der neuesten Perle in Hannovers Vereinspolitik. Zunächst setzte Geschäftsführer Kind Sportchef Jan Schlaudraff vor die Tür, den er höchstselbst mit viel Tamtam erst im Sommer ins Amt des Zweitligisten gehoben hatte. Und dann ersetzte er ihn durch Gerhard Zuber, mit dem er noch einen Tag zuvor beim Arbeitsgericht gestritten hatte. Zuber war die rechte Hand des ehemaligen Managers Horst Heldt (inzwischen in Köln) gewesen, aber nach dessen Entlassung ohne Auflösung des Vertrags von jedem Mitspracherecht im Klub freigestellt worden.
Das fand Zuber ebenso beklagenswert wie Kinds Behauptung, sein Vertrag ende 2021. Das Gericht hat festgestellt, dass Zuber zu
Recht darauf besteht, als unbefristet Angestellter des Klubs zu gelten. Vielleicht hat diese juristische Schlappe Kind dazu bewogen, voller Milde die Rolle des Sportchefs gleich im eigenen Haus weiterzureichen. Das entspricht seinem Hang zu Entscheidungen nach dem Adenauer-Prinzip. Er wird es nur mit weniger Dialekt vortragen als der Altbundeskanzler, dem der Spruch „Wat kümmert mich mein Jeschwätz von jestern“zugeschrieben wird.
Verstehen muss das niemand. Kind natürlich schon. Der Streit um die Vertragslaufzeit sei das eine, Zubers Qualifikation das andere, erklärte er. Und: „Gerhard Zuber ist integer und kennt den Markt. Er hat sich immer vernünftig verhalten.“
Ob man das von Martin Kind behaupten kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Seit Jahren führt er Hannover nach Gutsherrenart, und auch wenn ihn einflussreiche Fangruppen im eigenen Verein für ziemlich unerträglich halten, werden sie ihn nicht los. Aus dem Amt des (ehrenamtlichen) Vereinsvorsitzenden haben sie ihn zwar geputscht, sein Job als Geschäftsführer der aus dem eingetragenen Verein ausgegliederten Profiabteilung bleibt aber davon unberührt – auch weil Kind ordentlich Geld in den Klub pumpt.
Daraus leitet er das natürliche Recht auf Alleingänge in Personalfragen ab. Es verdankt sich einem anderen Prinzip, das ältere Menschen noch aus Wirtshäusern kennen. Wer dort das Geld in die Musikbox warf, der durfte bestimmen, welche Musik gespielt wird. Kind findet das nur recht und billig. Zuber jetzt wahrscheinlich auch.
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