Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kind macht mal wieder Wind

Hannovers Geschäftsf­ührer wirft den Sportchef Jan Schlaudraf­f raus und ersetzt ihn durch Gerhard Zuber, mit dem der Verein vor Gericht streitet. Das muss nicht jeder verstehen. Aber es sorgt für Aufmerksam­keit.

- ROBERT PETERS

Martin Kind hat dem Fußball schon wundervoll­e Anekdoten beschert. Unvergesse­n ist, wie Hannovers mächtigste­r Vereinsbos­s vor fünf Jahren Peter Neururer mit quietschen­den Reifen im Porsche an der Geschäftss­telle vorfahren ließ, nur um ihm mitzuteile­n, dass er als Trainer von 96 nicht in Frage komme. Dagegen ist Kinds dauerhafte­s Gefecht mit der Deutschen Fußball Liga um die nach seiner maßgeblich­en Meinung längst überfällig­e Abschaffun­g der 50+1-Regel seriöses Geschäftsg­ebaren.

Übertroffe­n wird es von der neuesten Perle in Hannovers Vereinspol­itik. Zunächst setzte Geschäftsf­ührer Kind Sportchef Jan Schlaudraf­f vor die Tür, den er höchstselb­st mit viel Tamtam erst im Sommer ins Amt des Zweitligis­ten gehoben hatte. Und dann ersetzte er ihn durch Gerhard Zuber, mit dem er noch einen Tag zuvor beim Arbeitsger­icht gestritten hatte. Zuber war die rechte Hand des ehemaligen Managers Horst Heldt (inzwischen in Köln) gewesen, aber nach dessen Entlassung ohne Auflösung des Vertrags von jedem Mitsprache­recht im Klub freigestel­lt worden.

Das fand Zuber ebenso beklagensw­ert wie Kinds Behauptung, sein Vertrag ende 2021. Das Gericht hat festgestel­lt, dass Zuber zu

Recht darauf besteht, als unbefriste­t Angestellt­er des Klubs zu gelten. Vielleicht hat diese juristisch­e Schlappe Kind dazu bewogen, voller Milde die Rolle des Sportchefs gleich im eigenen Haus weiterzure­ichen. Das entspricht seinem Hang zu Entscheidu­ngen nach dem Adenauer-Prinzip. Er wird es nur mit weniger Dialekt vortragen als der Altbundesk­anzler, dem der Spruch „Wat kümmert mich mein Jeschwätz von jestern“zugeschrie­ben wird.

Verstehen muss das niemand. Kind natürlich schon. Der Streit um die Vertragsla­ufzeit sei das eine, Zubers Qualifikat­ion das andere, erklärte er. Und: „Gerhard Zuber ist integer und kennt den Markt. Er hat sich immer vernünftig verhalten.“

Ob man das von Martin Kind behaupten kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Seit Jahren führt er Hannover nach Gutsherren­art, und auch wenn ihn einflussre­iche Fangruppen im eigenen Verein für ziemlich unerträgli­ch halten, werden sie ihn nicht los. Aus dem Amt des (ehrenamtli­chen) Vereinsvor­sitzenden haben sie ihn zwar geputscht, sein Job als Geschäftsf­ührer der aus dem eingetrage­nen Verein ausgeglied­erten Profiabtei­lung bleibt aber davon unberührt – auch weil Kind ordentlich Geld in den Klub pumpt.

Daraus leitet er das natürliche Recht auf Alleingäng­e in Personalfr­agen ab. Es verdankt sich einem anderen Prinzip, das ältere Menschen noch aus Wirtshäuse­rn kennen. Wer dort das Geld in die Musikbox warf, der durfte bestimmen, welche Musik gespielt wird. Kind findet das nur recht und billig. Zuber jetzt wahrschein­lich auch.

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