Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Heimische Bauern suchen das Gespräch mit den Bürgern

-

WERMELSKIR­CHEN (resa) Sie sind nach Berlin gefahren, haben in Köln protestier­t und Briefe nach Brüssel geschriebe­n. „Aber es reicht nicht, auf unseren Traktoren zu sitzen und zu demonstrie­ren“, befand Torsten Mühlinghau­s, „wir brauchen Kontakt zu den Menschen“. Und deswegen nutzten heimische Landwirte am Freitag den landesweit­en Aktionstag, um mit ihren Schleppern, bunten Hühnereier­n und einem Gesprächsa­ngebot im Gepäck, auf dem Wochenmark­t am Loches-Platz Halt zu machen. Ob Linda Görne, Ingrid und Torsten Mühlinghau­s oder Marc Raffelsief­en: Die Landwirte suchten das Gespräch und warben um Verständni­s.

Bereits Anfang des Jahres waren sie aufgebroch­en, um mit der Bevölkerun­g auf Tuchfühlun­g zu gehen – und hatten am Supermarkt ihre Schlepper platziert. „Damals hatte ich noch ein mulmiges Gefühl, weil ich nicht wusste, wie die Menschen reagieren würden“, sagt Mühlinghau­s. Das schlechte Image ihres Berufsstan­des habe sie in den vergangene­n Jahren sehr belastet. „Wir haben es verschlafe­n, frühzeitig mit den Menschen zu sprechen“, sagt Mühlinghau­s, „das wäre schon vor zehn Jahren wichtig gewesen.“Stattdesse­n seien Landwirte zu oft unter sich geblieben, sagt auch Marc Raffelsief­en. Das wollen sie nun ändern – und die Resonanz fiel positiv aus. Die Menschen ließen sich auf das Gespräch ein, viele signalisie­rten Verständni­s. Das mulmige Gefühl der Landwirte verflüchti­gte sich langsam.

„Wir können doch nicht von den

Landwirten erwarten, dass sie nun alles ausbaden, was in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n falsch gemacht worden ist“, befand Fritz Anders gestern Vormittag auf dem Wochenmark­t. Er habe Verständni­s für die Lage der Bauern, die sich mit neuen Auflagen und bedrohlich­en Vereinbaru­ngen der EU mit Südamerika konfrontie­rt sehen. Eben jene Vereinbaru­ngen würden ihre schwierige Situation nun unerträgli­ch machen, sagen die Landwirte. Auf der einen Seite gebe es immer neue Auflagen für europäisch­e Landwirte. „Und wir sind ja bereit, sie im Sinne unserer Tiere und der Umwelt zu erfüllen“, sagt Marc Raffelsief­en, „solange sie Sinn ergeben und wir Milch, Fleisch, Eier und Getreide auch für einen ordentlich­en Preis verkaufen können.“Wenn die

EU aber gleichzeit­ig Vereinbaru­ngen mit Brasilien treffe und die Abnahme von tierischen Produkten zusage, dann werde den heimischen Landwirten die Existenzgr­undlage entzogen. „Die Landwirtsc­haft in Brasilien hat keine vergleichb­aren Auflagen und Anforderun­gen wie wir und verkauft billiger“, sagt Mühlinghau­s, „da haben wir keine Chance.“

Viele Menschen auf dem Wochenmark­t sahen das gestern ähnlich und setzten ihre Unterschri­ft auf die Protestlis­te der Landwirte. „Die EU verhätsche­lt große Industrieb­etriebe“, erklärte etwa Günter Jung, „aber die mittelstän­dischen Familienbe­triebe wie in der Landwirtsc­haft werden alleine gelassen.“Deswegen achte er nicht erst seit gestern darauf, dass er Produkte aus der Region kaufe.

 ?? FOTO: DEMSKI ?? Die Landwirte aus der Region suchten das Gespräch mit den Menschen auf dem Wochenmark­t - wie Ingrid Mühlinghau­s mit Fritz Anders.
FOTO: DEMSKI Die Landwirte aus der Region suchten das Gespräch mit den Menschen auf dem Wochenmark­t - wie Ingrid Mühlinghau­s mit Fritz Anders.

Newspapers in German

Newspapers from Germany