Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Keine Entlastung für Notaufnahme in Sicht
Die ärztliche Bereitschaftspraxis in Bergisch Gladbach soll Wermelskirchener Patienten eine Alternative bieten. Für viele ist der Weg zu weit.
WERMELSKIRCHEN In der Notaufnahme des Krankenhauses in Wermelskirchen landen häufig Fälle, die eigentlich nicht dorthin gehören – zusätzlich zu tatsächlichen Notfällen. Dadurch sind Wartezeiten von mehreren Stunden keine Seltenheit. Für Patienten, die außerhalb der regulären Sprechzeiten Beschwerden haben, ist die Notaufnahme jedoch die einzige Anlaufstelle vor Ort.
Hier sollen akute Beschwerden behandelt werden, die möglicherweise operativ versorgt werden müssen. „Dazu zählen unter anderem Luftnot, kolikartige Bauchschmerzen und Schmerzen in der Brust“, erklärt Alexander Schlichter, Internist und ärztlicher Leiter der Notfallaufnahme. Zusätzlich zu den Notfällen würden auch Patienten mit lapidaren Beschwerden die Notaufnahme in Anspruch nehmen. „Die Fälle reichen von der Harnwegserkrankung bis zum Wespenstich“, berichtet Schlichter. Weggeschickt werde jedoch niemand, ohne untersucht zu werden. „Aber das behindert wertvolle Ressourcen des Personals“, sagt Monika Hartung, die als Pflegedienstleitung die Mitarbeiter der Notaufnahme koordiniert. Sie verdeutlicht damit den Kern des Problems: die Fehl-Inanspruchnahme der Notfallambulanz.
Um einschätzen zu können, ob es sich um einen akuten Fall handelt
oder nicht, werde jeder Patient innerhalb von zehn Minuten nach der Anmeldung durch besonders geschultes Pflegepersonal eingeschätzt, berichtet Schlichter. Dabei kommt das sogenannte Triage-Verfahren zum Einsatz: Nach bestimmten Algorithmen werden die Patienten einer von fünf Stufen zugeordnet, die die Dringlichkeit ihrer Behandlung festlegt. Die Wartezeit richtet sich also nicht nach der Reihenfolge der Aufnahme, sondern nach dem Grad der Beschwerden. „Das verstehen aber viele nicht“, sagt Hartung. Deswegen würden momentan entsprechende Informationszettel verteilt werden.
Für Personen, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind, aber mit ihren Beschwerden auch nicht bis zur nächsten Sprechstunde warten können, gibt es den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte, der seit 2012 unter der Hotline 116 117 zu erreichen ist. „Dieser Dienst ist außerhalb der Sprechstundenzeiten für Patienten mit Beschwerden da, die normalerweise zum Besuch beim Hausarzt führen,“erklärt Heiko Schmitz, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Das Problem: Die entsprechende Notdienstpraxis, in der die niedergelassenen Ärzte wechselweise Bereitschaft haben, befindet sich in Bergisch Gladbach, knapp 30 Kilometer von Wermelskirchen entfernt. „Das ist für Patienten schlichtweg zu weit“, so Monika Hartung. „Deswegen kommen sie weiterhin zu uns ins Krankenhaus.“
Das bestätigt Tobias Hopff, Allgemeinmediziner aus Dabringhausen. Wie andere hier niedergelassene Ärzte hat auch er Bereitschaftsdienste im sogenannten Integrierten Notfallzentrum des Marien-Krankenhauses in Bergisch Gladbach übernommen. „Patienten aus Wermelskirchen kamen so gut wie nie“, berichtet er. Seit Jahresbeginn sind die Wermelskirchener Ärzte nicht mehr in den Dienst der Praxis involviert.
In zahlreichen deutschen Krankenhäusern sind die Notaufnahmen überlastet, wozu Patienten mit leichten Beschwerden wesentlich beitragen. Nach den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn sollen Patienten künftig besser gesteuert werden – durch Praxen wie die in Bergisch Gladbach, die als Integrierte Notfallzentren oder Portalpraxen bezeichnet werden und direkt an Krankenhäuser angeschlossen sind. Nach der Ersteinschätzung des Patienten an einer zentralen Aufnahme wird er je nach Dringlichkeit entweder durch die Ambulanz des Krankenhauses oder durch die Bereitschaftsärzte weiterbehandelt. Damit soll den Patienten die Entscheidung abgenommen werden, welche Anlaufstelle für sie die richtige ist, erläutert Heiko Schmitz.
In Wermelskirchen gibt es ein solches Konzept bisher nicht. „Es gab vor einigen Jahren den Versuch, eine Notdienstpraxis am Krankenhaus zu etablieren“, sagt Christian Madsen, Geschäftsführer des Wermelskirchener Krankenhauses. Von der Kassenärztlichen Vereinigung sei jedoch entschieden worden, dass die Notfallversorgung vor Ort ausreichend sei. „Das sehen wir natürlich anders“, so Madsen. Das Krankenhaus könne jedoch nichts weiter unternehmen, da der Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte in den Verantwortungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung fällt.
Die schätzt Wermelskirchen momentan nicht als Standort ein, an dem eine Portalpraxis eingerichtet werden soll. Mit rund 75 Notdienstpraxen in Nordrhein gebe es bereits ein dichtes Netz an Anlaufstellen, erklärt Heiko Schmitz. „Die Antwort auf die Fehl-Inanspruchnahme der Krankenhaus-Ambulanzen sind also nicht noch mehr Notdienstpraxen, die ja auch ärztlich besetzt sein wollen, sondern effiziente, ärztliche Ressourcen schonende Strukturen und Prozesse, die dafür sorgen, dass mehr Patienten an der richtigen Stelle behandelt werden.“Auch Ärztesprecher Tobias Hopff hat eine klare Meinung zu einer Bereitschaftspraxis in Wermelskirchen: „Ich habe lange Sprechstunden, teilweise bis 20 Uhr“, sagt er. Außerdem mache er sechsmal im Jahr einen ärztlichen Fahrdienst. „Noch einen Dienst könnte ich momentan nicht leisten.“
„Die Wartezeit richtet sich nicht nach Reihenfolge, sondern nach Beschwerden“
Alexander Lichter Ärztliche Leitung Notaufnahme
Der Schwierigkeit der ärztlichen Ressourcen ist man sich im Krankenhaus bewusst. „Wir möchten natürlich keine niedergelassenen Ärzte zusätzlich belasten“, sagt Madsen. Eine Praxis vor Ort hätte ihm nach jedoch den Vorteil, dass keine weiten Strecken zurückgelegt werden müssten – weder von den diensthabenden Ärzten noch von den Patienten. Ihnen würde man damit auch die Entscheidung abnehmen, ob sie in die Praxis nach Bergisch Gladbach oder in die Notfallaufnahme nach Wermelskirchen fahren, sagt Alexander Schlichter. „Jeder fühlt sich subjektiv krank. Es ist die Aufgabe von uns Ärzten und die des Pflegepersonals, die Beschwerden objektiv einzuschätzen.“