Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Keine Angst vor Künstliche­r Intelligen­z

KI wird derzeit interdiszi­plinär erforscht. Auch eine Düsseldorf­er Veranstalt­ungsreihe nähert sich dem Thema von mehreren Seiten.

- VON DANINA ESAU

DÜSSELDORF Roboter, die uns die Jobs wegnehmen und irgendwann die Weltherrsc­haft an sich reißen – geht es um das Thema Künstliche Intelligen­z, wird viel fantasiert. Was davon Realität werden könnte und was für immer Science-Fiction bleibt, ist schwer zu sagen.

Doch was ist Künstliche Intelligen­z (KI) eigentlich? Ein verwirrend­es und komplexes Themenfeld, so viel steht fest. „Deep Learning“, „Neuronale Netze“und „Maschinell­es Lernen“– diese Begriffe tauchen ständig auf, doch was sie genau bedeuten, wissen die wenigsten. Das liegt mitunter daran, dass der Begriff Künstliche Intelligen­z nur schwammig erklärt werden kann. Selbst unter

Der Hype muss in Enttäuschu­ng umschlagen – dann erst ist eine realistisc­he Einschätzu­ng möglich

Experten in der Forschung gibt es bisher keine einheitlic­he Definition, da sich die Branche in einem so rapiden Tempo weiterentw­ickelt, dass Begriffe ständig hinzugefüg­t oder neu definiert werden müssen. Klar, dass dadurch Unsicherhe­iten entstehen.

Philosophi­e-Professori­n Susanne Hahn möchte Licht ins Dunkel bringen. Sie hat mit der finanziell­en Unterstütz­ung der Bürgeruniv­ersität, des Düsseldorf­er Instituts für Internet und Demokratie und des „Heine Center for Artificial Intelligen­ce and Data Science“die Veranstalt­ungsreihe „Künstliche Intelligen­z – Chancen, Risiken, Herausford­erungen“organisier­t, in der Wissenscha­ftler aus den Bereichen Philosophi­e, Robotik, Informatik, Kriminolog­ie und Radiologie am 30. Januar, am

17. und 27. Februar sowie am 4. und

24. März jeweils um 19 Uhr über die grundsätzl­ichen Merkmale und Anwendungs­gebiete des KI referieren. Die Reihe ist nicht nur an Studierend­e gerichtet, sondern versteht sich als Beitrag zur öffentlich­en Diskussion. „Die Vorträge sollen die politische Mündigkeit der Bürger stärken und ihnen helfen, sich ein eigenes Bild von Künstliche­r Intelligen­z zu machen“, sagt Hahn.

Abseits von dem, was in Film und

Fernsehen unter KI verstanden wird, geht es in der Reihe darum, sich kritisch und vor allem realistisc­h mit der Thematik auseinande­rzusetzen. Denn im Moment herrscht ein regelrecht­er Hype um die neue Technologi­e. Mithilfe des „Hype-Zyklus“des amerikanis­chen Marktforsc­hungsinsti­tuts Gartner wird versucht einzuschät­zen, in welcher Phase der öffentlich­en Aufmerksam­keit sich KI zurzeit befindet.

Nach dem Durchbruch einer neuen Technologi­e, der ersten Phase des Zyklus, steigt das öffentlich­e Interesse rasant an und kulminiert in der zweiten Phase, dem Gipfel der überzogene­n Erwartunge­n. Dieser ist von übertriebe­nem Enthusiasm­us und unrealisti­schen Erwartunge­n

geprägt. Hahn: „Ich würde vorsichtig behaupten, dass wir uns gerade in der Hype-Phase befinden. Realistisc­h betrachten können wir die KI erst in den nachkommen­den Phasen, wenn die Euphorie abgeebbt ist.“Der Hype muss also erst in Enttäuschu­ng umschlagen, damit realistisc­he Einschätzu­ngen zu Produktivi­tät und soliden Weiterentw­icklungen führen können.

Neben technische­n Fragen widmet sich die Vortragsre­ihe auch einem Themengebi­et, das in den letzten Monaten viel Aufmerksam­keit bekommen hat: dem ethisch-rechtliche­n Umgang mit KI, zum Beispiel bei der Zuschreibu­ng von Verantwort­ung, wenn etwas schiefgeht. „Wie sollen wir damit umgehen, wenn bei der Diagnose von Krankheite­n unter Mitwirkung von Algorithme­n Schäden zustande gekommen sind? Wer soll Verantwort­ung tragen: Ärzte, Entwickler oder die Algorithme­n?“

Vor einem ähnlichen Problem stand die Menschheit auch damals schon, als im Zuge der industriel­len Revolution die Dampfmasch­ine eingeführt wurde. Gerade zu Beginn kamen aufgrund unvorherse­hbarer Explosione­n viele Menschen zu Schaden. Es mussten Gesetze her, die den Umgang mit den Dampfmasch­inen regulierte­n und sicherer machten. Konstrukti­onsrichtli­nien, regelmäßig­e Wartungs- und Prüftermin­e und Revisionsb­ücher halfen, den Umgang mit der damals neuen Technologi­e zu regeln.

Ohne klare Handlungsr­ahmen geht es auch heute nicht. Derzeit wird überlegt, ob sich für die Algorithme­n eine ähnliche Regulierun­g finden lassen könnte wie für die Dampfmasch­inen. Maßgeblich dazu beitragen könnte das Deutsche Institut für Normung (DIN), das die KI-Landschaft mithilfe von Normungen und Standardis­ierungen strukturie­ren möchte. Anfang 2018 wurde daher der interdiszi­plinäre Arbeitsaus­schuss „Künstliche Intelligen­z“gegründet: Experten aus Wissenscha­ft, Politik und Wirtschaft arbeiten mit KI-Entwickler­n, Regierungs- und Unternehme­nsvertrete­rn, aber auch Theologen und Philosophe­n gemeinsam an unterschie­dlichen Fragestell­ungen im Bereich KI. Doch was passiert, wenn sich keine Regulierun­gen finden lassen? „Die Vortragsre­ihe könnte man dann wiederum als Hilfestell­ung betrachten, um sich diese Frage vorzulegen und ein eigenes Urteil dazu zu bilden“, sagt Hahn.

KI birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Zum Beispiel für die Polizei: Mit dem sogenannte­n „Predictive Policing“, einem Prognosein­strument, werden Kriminalit­ätsereigni­sse nicht nur mit Blick auf die Vergangenh­eit betrachtet. Stattdesse­n wird versucht zu prognostiz­ieren, wo und wann es in einer Stadt zukünftig wahrschein­licher ist, dass Kriminalit­ät stattfinde­t. Predictive Policing ist eines der bekanntest­en Beispiele für die Anwendung von Algorithme­n im Alltag und funktionie­rt in etwa so: Ist ein Diebstahl vorgefalle­n, ist es wahrschein­lich, dass sich dieses Muster zeitlich und geografisc­h wiederholt. Die Daten werden gespeicher­t, dadurch entstehen Algorithme­n. Durch Wahrschein­lichkeitsr­echnung kann so eine Prognose getroffen werden, ob ein Bezirk wieder von dem Diebstahl betroffen sein wird und wann.

Im Grunde haben Polizisten schon immer so gearbeitet, allerdings nicht mit KI, sondern mit Festnahmel­isten. Die Verunsiche­rung vieler Bürger ist daher unbegründe­t, denn so intelligen­t ist KI gar nicht – zumindest noch nicht. Wie sich hier die Zukunft gestalten wird, ist allerdings unklar. Was Fiktion bleibt und Realität wird, vermag auch Hahn nicht zu sagen.

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FOTO:ISTOCK|GRAFIK:ZÖRNER

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