Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Keine Angst vor Künstlicher Intelligenz
KI wird derzeit interdisziplinär erforscht. Auch eine Düsseldorfer Veranstaltungsreihe nähert sich dem Thema von mehreren Seiten.
DÜSSELDORF Roboter, die uns die Jobs wegnehmen und irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen – geht es um das Thema Künstliche Intelligenz, wird viel fantasiert. Was davon Realität werden könnte und was für immer Science-Fiction bleibt, ist schwer zu sagen.
Doch was ist Künstliche Intelligenz (KI) eigentlich? Ein verwirrendes und komplexes Themenfeld, so viel steht fest. „Deep Learning“, „Neuronale Netze“und „Maschinelles Lernen“– diese Begriffe tauchen ständig auf, doch was sie genau bedeuten, wissen die wenigsten. Das liegt mitunter daran, dass der Begriff Künstliche Intelligenz nur schwammig erklärt werden kann. Selbst unter
Der Hype muss in Enttäuschung umschlagen – dann erst ist eine realistische Einschätzung möglich
Experten in der Forschung gibt es bisher keine einheitliche Definition, da sich die Branche in einem so rapiden Tempo weiterentwickelt, dass Begriffe ständig hinzugefügt oder neu definiert werden müssen. Klar, dass dadurch Unsicherheiten entstehen.
Philosophie-Professorin Susanne Hahn möchte Licht ins Dunkel bringen. Sie hat mit der finanziellen Unterstützung der Bürgeruniversität, des Düsseldorfer Instituts für Internet und Demokratie und des „Heine Center for Artificial Intelligence and Data Science“die Veranstaltungsreihe „Künstliche Intelligenz – Chancen, Risiken, Herausforderungen“organisiert, in der Wissenschaftler aus den Bereichen Philosophie, Robotik, Informatik, Kriminologie und Radiologie am 30. Januar, am
17. und 27. Februar sowie am 4. und
24. März jeweils um 19 Uhr über die grundsätzlichen Merkmale und Anwendungsgebiete des KI referieren. Die Reihe ist nicht nur an Studierende gerichtet, sondern versteht sich als Beitrag zur öffentlichen Diskussion. „Die Vorträge sollen die politische Mündigkeit der Bürger stärken und ihnen helfen, sich ein eigenes Bild von Künstlicher Intelligenz zu machen“, sagt Hahn.
Abseits von dem, was in Film und
Fernsehen unter KI verstanden wird, geht es in der Reihe darum, sich kritisch und vor allem realistisch mit der Thematik auseinanderzusetzen. Denn im Moment herrscht ein regelrechter Hype um die neue Technologie. Mithilfe des „Hype-Zyklus“des amerikanischen Marktforschungsinstituts Gartner wird versucht einzuschätzen, in welcher Phase der öffentlichen Aufmerksamkeit sich KI zurzeit befindet.
Nach dem Durchbruch einer neuen Technologie, der ersten Phase des Zyklus, steigt das öffentliche Interesse rasant an und kulminiert in der zweiten Phase, dem Gipfel der überzogenen Erwartungen. Dieser ist von übertriebenem Enthusiasmus und unrealistischen Erwartungen
geprägt. Hahn: „Ich würde vorsichtig behaupten, dass wir uns gerade in der Hype-Phase befinden. Realistisch betrachten können wir die KI erst in den nachkommenden Phasen, wenn die Euphorie abgeebbt ist.“Der Hype muss also erst in Enttäuschung umschlagen, damit realistische Einschätzungen zu Produktivität und soliden Weiterentwicklungen führen können.
Neben technischen Fragen widmet sich die Vortragsreihe auch einem Themengebiet, das in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit bekommen hat: dem ethisch-rechtlichen Umgang mit KI, zum Beispiel bei der Zuschreibung von Verantwortung, wenn etwas schiefgeht. „Wie sollen wir damit umgehen, wenn bei der Diagnose von Krankheiten unter Mitwirkung von Algorithmen Schäden zustande gekommen sind? Wer soll Verantwortung tragen: Ärzte, Entwickler oder die Algorithmen?“
Vor einem ähnlichen Problem stand die Menschheit auch damals schon, als im Zuge der industriellen Revolution die Dampfmaschine eingeführt wurde. Gerade zu Beginn kamen aufgrund unvorhersehbarer Explosionen viele Menschen zu Schaden. Es mussten Gesetze her, die den Umgang mit den Dampfmaschinen regulierten und sicherer machten. Konstruktionsrichtlinien, regelmäßige Wartungs- und Prüftermine und Revisionsbücher halfen, den Umgang mit der damals neuen Technologie zu regeln.
Ohne klare Handlungsrahmen geht es auch heute nicht. Derzeit wird überlegt, ob sich für die Algorithmen eine ähnliche Regulierung finden lassen könnte wie für die Dampfmaschinen. Maßgeblich dazu beitragen könnte das Deutsche Institut für Normung (DIN), das die KI-Landschaft mithilfe von Normungen und Standardisierungen strukturieren möchte. Anfang 2018 wurde daher der interdisziplinäre Arbeitsausschuss „Künstliche Intelligenz“gegründet: Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft arbeiten mit KI-Entwicklern, Regierungs- und Unternehmensvertretern, aber auch Theologen und Philosophen gemeinsam an unterschiedlichen Fragestellungen im Bereich KI. Doch was passiert, wenn sich keine Regulierungen finden lassen? „Die Vortragsreihe könnte man dann wiederum als Hilfestellung betrachten, um sich diese Frage vorzulegen und ein eigenes Urteil dazu zu bilden“, sagt Hahn.
KI birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Zum Beispiel für die Polizei: Mit dem sogenannten „Predictive Policing“, einem Prognoseinstrument, werden Kriminalitätsereignisse nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit betrachtet. Stattdessen wird versucht zu prognostizieren, wo und wann es in einer Stadt zukünftig wahrscheinlicher ist, dass Kriminalität stattfindet. Predictive Policing ist eines der bekanntesten Beispiele für die Anwendung von Algorithmen im Alltag und funktioniert in etwa so: Ist ein Diebstahl vorgefallen, ist es wahrscheinlich, dass sich dieses Muster zeitlich und geografisch wiederholt. Die Daten werden gespeichert, dadurch entstehen Algorithmen. Durch Wahrscheinlichkeitsrechnung kann so eine Prognose getroffen werden, ob ein Bezirk wieder von dem Diebstahl betroffen sein wird und wann.
Im Grunde haben Polizisten schon immer so gearbeitet, allerdings nicht mit KI, sondern mit Festnahmelisten. Die Verunsicherung vieler Bürger ist daher unbegründet, denn so intelligent ist KI gar nicht – zumindest noch nicht. Wie sich hier die Zukunft gestalten wird, ist allerdings unklar. Was Fiktion bleibt und Realität wird, vermag auch Hahn nicht zu sagen.