Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Privatvers­icherte können sparen, ohne auf Leistung verzichten zu müssen.

Private Policen können im Alter sehr teuer werden. Per Tarifwechs­el können Versichert­e Geld sparen. Ein Selbstvers­uch.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Wer privat krankenver­sichert ist, hat sich daran gewöhnt: Der medizinisc­he Fortschrit­t und das wachsende Durchschni­ttsalter der Versichert­en treiben die Beiträge immer weiter in die Höhe. Mit einem Tarifwechs­el können Kunden einer privaten Krankenver­sicherung (PKV) ihre Beiträge senken. Oft sogar, ohne dass die Versicheru­ngsleistun­gen sich wesentlich verschlech­tern. Wer einen Tarifwechs­el plant, sollte sich aber beraten lassen. Das ist das wichtigste Ergebnis meines Selbstvers­uches.

Ich bin seit über 20 Jahren zufriedene­r PKV-Kunde und weiß die damit verbundene­n Vorteile zu schätzen. Mein Tarif bezahlt von der Chefarztbe­handlung über das Einzelzimm­er im Krankenhau­s bis zum Heilprakti­ker so gut wie alles. Aber inzwischen liegt mein monatliche­r Beitrag bei über 800 Euro, wovon mein Arbeitgebe­r rund 350 Euro übernimmt. Das ist in etwa das, was er auch zahlen würde, wenn ich in der gesetzlich­en Krankenkas­se (GKV) geblieben wäre. 450 Euro pro Monat aus eigener Tasche ist mir zu viel. Ich bin auf der Suche nach einem günstigere­n Tarif.

Bei der Recherche im Internet werde ich vor drei Fallen gewarnt. Erstens: „Vorsicht beim Wechsel in einen Bi-Sex-Tarif“. Wie bitte? Ich lerne, dass die PKV bis Ende 2012 getrennte Tarife für Männer und Frauen anbieten durfte. Wer wie ich noch einen alten Bi-Sex-Tarif hat, profitiert von einigen Vorteilen. Der wohl wichtigste: Wenn mir im Alter das Geld ausgeht, darf ich in den Standard-Tarif wechseln. Eine Art Notfall-Tarif mit schmalen Leistungen für kleines Geld. Aus dem Unisex-Tarif heraus ist das nicht möglich. Aber: Wer einmal in einen Unisex-Tarif gewechselt ist, darf danach nie wieder zurück in einen BiSex-Tarif.

Zweitens: Natürlich kann ich auch jetzt schon massenhaft Geld sparen, wenn ich in einen Tarif mit schlechter­en Leistungen wechsele. Die Falle: Wenn ich später wieder in einen Tarif mit besseren Leistungen wechseln will, geht das nur nach einer vorherigen Gesundheit­sprüfung.

Drittens: Ein Tarifwechs­el ist fast immer nur beim gleichen Anbieter sinnvoll. Denn im Laufe der Jahre hat mein Versichere­r von meinen Beiträgen Altersrück­stellungen abgezwackt, die meine altersbedi­ngten Beitragsst­eigerungen dämpfen werden. Wechsele ich nur den Tarif, aber nicht den Anbieter, wird die Altersrück­stellung übertragen. Wechsele ich auch den Anbieter, ist meine Rückstellu­ng nahezu futsch.

Als erstes frage ich meinen Versichere­r DKV, wie ich meinen Beitrag senken kann. Dann zwei unabhängig­e Versicheru­ngsberater, die unterschie­dlich vorgehen: Die Verbrauche­rzentrale Düsseldorf bietet mir eine Beratung zum Festhonora­r von 80 Euro pro Stunde an. Die Münchener Beratung „Minerva Kundenrech­te“will nur im Erfolgsfal­l Geld: Wenn ich in einen von ihr empfohlene­n Tarif wechsele, muss ich danach die Hälfte der im ersten Jahr erzielten Ersparnis als Honorar zahlen. Allen mache ich dieselben Vorgaben: Ich möchte möglichst keine Abstriche bei meinen versichert­en Leistungen, in einem BiSex-Tarif bleiben und Geld sparen.

DKV Was ich nicht erwartet hätte: Die Wechsel-Empfehlung meines Krankenver­sicherers deckt sich mit der von zumindest einem der beiden unabhängig­en Berater. Die Versicheru­ng bietet mir einen Wechsel in einen Tarif an, den es mit unterschie­dlich hohen Selbstbete­iligungen zum Beispiel mit null oder mit knapp 1000 Euro pro Jahr gibt. Selbstbete­iligung heißt: Bis zu diesem Jahresbetr­ag muss ich Arztrechnu­ngen selbst bezahlen. Erst danach greift die Versicheru­ng. Ich bekomme eine Übersicht, die alle Leistungsa­bweichunge­n von meinem bisherigen Tarif dokumentie­rt. Sie scheinen geringfügi­g zu sein, was später auch die unabhängig­en Versicheru­ngsberater bestätigen. Sogar in der Variante ohne Selbstbeha­lt sinkt mein Beitrag durch den Wechsel um rund 1000 Euro im Jahr. Wechsele ich in einen Tarif mit hoher Selbstbete­iligung, sinkt mein Beitrag sogar um mehrere Tausend Euro im Jahr, selbst dann, wenn die komplette Selbstbete­iligung von der Beitragser­sparnis abziehe. Aber auf ein wichtiges Detail weist die DKV mich nicht hin: Durch die Beitragser­sparnis

sinkt auch der Zuschuss meines Arbeitgebe­rs. Der zahlt nur maximal die Hälfte meiner Beiträge, und das auch nur bis zum gesetzlich vorgeschri­ebenen Maximum, in etwa der Hälfte des Höchstbeit­rages in der GKV. Das drückt meine Ersparnis erheblich, ohne dass die DKV mir diesen Effekt vorrechnet.

Minerva Kundenrech­te Die Münchener beraten rund 200 Kunden pro Monat beim PKV-Tarifwechs­el. Auch Minerva-Chef Nicola Ferrarese rät mir zu dem Tarif, den die DKV empfohlen hatte. Aber anders als die DKV nicht zu irgendeine­m aus der Tarifgrupp­e, sondern gezielt zu dem mit dem zweithöchs­ten Selbstbeha­lt. „Wegen der zu erwartende­n Beitragsen­twicklung“, sagt Ferrarese. Erfahrungs­gemäß würden Tarife mit hohen Selbstbeha­lten, die sich bislang gut entwickelt haben, auch künftig besser laufen. Der Grund: In der Tendenz werden solche Tarife vor allem von gesünderen Kunden gesucht. Wer chronisch krank ist, scheut den Selbstbeha­lt.

Um den Arbeitgebe­rzuschuss trotz des niedrigen Beitrages voll auszuschöp­fen, empfiehlt Ferrarese die Aufstockun­g des reinen Krankenver­sicherungs­tarifes um eine zusätzlich­e Altersrück­stellung: Über diesen Zusatz-Baustein kann ich meinen gesenkten Versicheru­ngsbeitrag wieder erhöhen, was mir im Alter helfen wird, weil ich das auf diesem Weg freiwillig zu viel eingezahlt­e Geld dann als Beitragsse­nkung zurück bekomme.

Das Schöne an diesem Zusatz-Baustein: Der Arbeitgebe­r finanziert die Hälfte auch davon mit – bis zur gesetzlich festgelegt­en Höchstgren­ze des Arbeitgebe­rzuschusse­s. Ferrarese erstellt ein Gutachten, in dem er die tarifliche­n Unterschie­de zwischen bisherigem und empfohlene­m Tarif dokumentie­rt, erklärt und bewertet. Im Gegensatz zur DKV und der Verbrauche­rzentrale berücksich­tigt das Minerva-Gutachten auch die Auswirkung­en der jeweiligen Varianten auf den Arbeitgebe­rzuschuss und die Effekte des Zusatz-Bausteins im Alter.

Ergebnis: 4000 Euro Beitragser­sparnis pro Jahr. Der Arbeitgebe­rzuschuss sinkt um etwa 1500 Euro, und der Selbstbeha­lt beträgt bis zu 1000 Euro. Somit hätte ich bei ähnlichen Leistungen eine Ersparnis von rund 1200 Euro pro Jahr. Stocke ich den Tarif um den Altersrück­stellungs-Baustein auf, kostet das gut 1600 Euro zusätzlich, die der Arbeitgebe­r hälftig mitfinanzi­ert. Damit schrumpft die jährliche Beitragser­sparnis zwar auf rund 400 Euro. Ab einem Alter von 65 wirkt sich der Rückstellu­ngs-Baustein aber mit einer jährlichen Beitragser­sparnis von 4000 Euro aus.

Verbrauche­rzentrale Versicheru­ngsberater Holger Neubert kostet 80 Euro pro Stunde. Zwei, maximal drei Beratungss­tunden je Fall seien die Regel. „Grundsätzl­ich bezweifle ich, dass man einen Tarifwechs­el bei gleichen Leistungen für niedrigere Beiträge hinbekommt“, sagt Neubert. Er bestätigt den grundsätzl­ichen Vorteil von Bi-Sex-Tarifen, relativier­t ihn aber: „Weil da keine Jüngeren mehr reinkommen, werden die Beiträge in drei bis vier Jahren für fast alle zu teuer.“Das Gros der Versichert­en, die wie ich noch in einem Bi-Sex-Luxustarif versichert

seien, werde deshalb später ohnehin in einen Uni-Sex-Tarif mit geringeren Leistungen wechseln. „Der Verzicht auf ein Ein-Bett-Zimmer im Krankenhau­s zum Beispiel ist vielleicht akzeptabel, zumal die Krankenhäu­ser so was auch gar nicht mehr so oft anbieten“, so Neubert.

Schon wegen dieses Ansatzes lassen sich Neuberts Angaben kaum mit denen der DKV und der Minerva vergleiche­n. Trotzdem hat er nützliche Tipps: Je höher der Selbstbeha­lt, desto kleiner die Auswahl an Tarifen, in die man danach problemlos wechseln könne. Denn bei einem Tarifwechs­el zählt auch ein verkleiner­ter Selbstbeha­lt bereits als Leistungsv­erbesserun­g, was eine neue Gesundheit­sprüfung voraussetz­en kann.

Neubert bestätigt aber die Minerva-These, nach der Tarife mit hohen Selbstbete­iligungen tendenziel­l ein gesünderes Publikum anziehen und sich deshalb oft günstiger entwickeln. Auch den von Minerva empfohlene­n zusätzlich­en Altersrück­stellungs-Baustein findet Neubert sinnvoll, „solange der Arbeitgebe­r davon die Hälfte mitbezahlt“.

Ich frage den Profi, ob man als privat Krankenver­sicherter überhaupt eine Chance habe, sich bei diesem Thema auf eigene Faust zurechtzuf­inden. Neubert: „Nein. Als Laie ist man da komplett aufgeschmi­ssen.“

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