Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Privatversicherte können sparen, ohne auf Leistung verzichten zu müssen.
Private Policen können im Alter sehr teuer werden. Per Tarifwechsel können Versicherte Geld sparen. Ein Selbstversuch.
DÜSSELDORF Wer privat krankenversichert ist, hat sich daran gewöhnt: Der medizinische Fortschritt und das wachsende Durchschnittsalter der Versicherten treiben die Beiträge immer weiter in die Höhe. Mit einem Tarifwechsel können Kunden einer privaten Krankenversicherung (PKV) ihre Beiträge senken. Oft sogar, ohne dass die Versicherungsleistungen sich wesentlich verschlechtern. Wer einen Tarifwechsel plant, sollte sich aber beraten lassen. Das ist das wichtigste Ergebnis meines Selbstversuches.
Ich bin seit über 20 Jahren zufriedener PKV-Kunde und weiß die damit verbundenen Vorteile zu schätzen. Mein Tarif bezahlt von der Chefarztbehandlung über das Einzelzimmer im Krankenhaus bis zum Heilpraktiker so gut wie alles. Aber inzwischen liegt mein monatlicher Beitrag bei über 800 Euro, wovon mein Arbeitgeber rund 350 Euro übernimmt. Das ist in etwa das, was er auch zahlen würde, wenn ich in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) geblieben wäre. 450 Euro pro Monat aus eigener Tasche ist mir zu viel. Ich bin auf der Suche nach einem günstigeren Tarif.
Bei der Recherche im Internet werde ich vor drei Fallen gewarnt. Erstens: „Vorsicht beim Wechsel in einen Bi-Sex-Tarif“. Wie bitte? Ich lerne, dass die PKV bis Ende 2012 getrennte Tarife für Männer und Frauen anbieten durfte. Wer wie ich noch einen alten Bi-Sex-Tarif hat, profitiert von einigen Vorteilen. Der wohl wichtigste: Wenn mir im Alter das Geld ausgeht, darf ich in den Standard-Tarif wechseln. Eine Art Notfall-Tarif mit schmalen Leistungen für kleines Geld. Aus dem Unisex-Tarif heraus ist das nicht möglich. Aber: Wer einmal in einen Unisex-Tarif gewechselt ist, darf danach nie wieder zurück in einen BiSex-Tarif.
Zweitens: Natürlich kann ich auch jetzt schon massenhaft Geld sparen, wenn ich in einen Tarif mit schlechteren Leistungen wechsele. Die Falle: Wenn ich später wieder in einen Tarif mit besseren Leistungen wechseln will, geht das nur nach einer vorherigen Gesundheitsprüfung.
Drittens: Ein Tarifwechsel ist fast immer nur beim gleichen Anbieter sinnvoll. Denn im Laufe der Jahre hat mein Versicherer von meinen Beiträgen Altersrückstellungen abgezwackt, die meine altersbedingten Beitragssteigerungen dämpfen werden. Wechsele ich nur den Tarif, aber nicht den Anbieter, wird die Altersrückstellung übertragen. Wechsele ich auch den Anbieter, ist meine Rückstellung nahezu futsch.
Als erstes frage ich meinen Versicherer DKV, wie ich meinen Beitrag senken kann. Dann zwei unabhängige Versicherungsberater, die unterschiedlich vorgehen: Die Verbraucherzentrale Düsseldorf bietet mir eine Beratung zum Festhonorar von 80 Euro pro Stunde an. Die Münchener Beratung „Minerva Kundenrechte“will nur im Erfolgsfall Geld: Wenn ich in einen von ihr empfohlenen Tarif wechsele, muss ich danach die Hälfte der im ersten Jahr erzielten Ersparnis als Honorar zahlen. Allen mache ich dieselben Vorgaben: Ich möchte möglichst keine Abstriche bei meinen versicherten Leistungen, in einem BiSex-Tarif bleiben und Geld sparen.
DKV Was ich nicht erwartet hätte: Die Wechsel-Empfehlung meines Krankenversicherers deckt sich mit der von zumindest einem der beiden unabhängigen Berater. Die Versicherung bietet mir einen Wechsel in einen Tarif an, den es mit unterschiedlich hohen Selbstbeteiligungen zum Beispiel mit null oder mit knapp 1000 Euro pro Jahr gibt. Selbstbeteiligung heißt: Bis zu diesem Jahresbetrag muss ich Arztrechnungen selbst bezahlen. Erst danach greift die Versicherung. Ich bekomme eine Übersicht, die alle Leistungsabweichungen von meinem bisherigen Tarif dokumentiert. Sie scheinen geringfügig zu sein, was später auch die unabhängigen Versicherungsberater bestätigen. Sogar in der Variante ohne Selbstbehalt sinkt mein Beitrag durch den Wechsel um rund 1000 Euro im Jahr. Wechsele ich in einen Tarif mit hoher Selbstbeteiligung, sinkt mein Beitrag sogar um mehrere Tausend Euro im Jahr, selbst dann, wenn die komplette Selbstbeteiligung von der Beitragsersparnis abziehe. Aber auf ein wichtiges Detail weist die DKV mich nicht hin: Durch die Beitragsersparnis
sinkt auch der Zuschuss meines Arbeitgebers. Der zahlt nur maximal die Hälfte meiner Beiträge, und das auch nur bis zum gesetzlich vorgeschriebenen Maximum, in etwa der Hälfte des Höchstbeitrages in der GKV. Das drückt meine Ersparnis erheblich, ohne dass die DKV mir diesen Effekt vorrechnet.
Minerva Kundenrechte Die Münchener beraten rund 200 Kunden pro Monat beim PKV-Tarifwechsel. Auch Minerva-Chef Nicola Ferrarese rät mir zu dem Tarif, den die DKV empfohlen hatte. Aber anders als die DKV nicht zu irgendeinem aus der Tarifgruppe, sondern gezielt zu dem mit dem zweithöchsten Selbstbehalt. „Wegen der zu erwartenden Beitragsentwicklung“, sagt Ferrarese. Erfahrungsgemäß würden Tarife mit hohen Selbstbehalten, die sich bislang gut entwickelt haben, auch künftig besser laufen. Der Grund: In der Tendenz werden solche Tarife vor allem von gesünderen Kunden gesucht. Wer chronisch krank ist, scheut den Selbstbehalt.
Um den Arbeitgeberzuschuss trotz des niedrigen Beitrages voll auszuschöpfen, empfiehlt Ferrarese die Aufstockung des reinen Krankenversicherungstarifes um eine zusätzliche Altersrückstellung: Über diesen Zusatz-Baustein kann ich meinen gesenkten Versicherungsbeitrag wieder erhöhen, was mir im Alter helfen wird, weil ich das auf diesem Weg freiwillig zu viel eingezahlte Geld dann als Beitragssenkung zurück bekomme.
Das Schöne an diesem Zusatz-Baustein: Der Arbeitgeber finanziert die Hälfte auch davon mit – bis zur gesetzlich festgelegten Höchstgrenze des Arbeitgeberzuschusses. Ferrarese erstellt ein Gutachten, in dem er die tariflichen Unterschiede zwischen bisherigem und empfohlenem Tarif dokumentiert, erklärt und bewertet. Im Gegensatz zur DKV und der Verbraucherzentrale berücksichtigt das Minerva-Gutachten auch die Auswirkungen der jeweiligen Varianten auf den Arbeitgeberzuschuss und die Effekte des Zusatz-Bausteins im Alter.
Ergebnis: 4000 Euro Beitragsersparnis pro Jahr. Der Arbeitgeberzuschuss sinkt um etwa 1500 Euro, und der Selbstbehalt beträgt bis zu 1000 Euro. Somit hätte ich bei ähnlichen Leistungen eine Ersparnis von rund 1200 Euro pro Jahr. Stocke ich den Tarif um den Altersrückstellungs-Baustein auf, kostet das gut 1600 Euro zusätzlich, die der Arbeitgeber hälftig mitfinanziert. Damit schrumpft die jährliche Beitragsersparnis zwar auf rund 400 Euro. Ab einem Alter von 65 wirkt sich der Rückstellungs-Baustein aber mit einer jährlichen Beitragsersparnis von 4000 Euro aus.
Verbraucherzentrale Versicherungsberater Holger Neubert kostet 80 Euro pro Stunde. Zwei, maximal drei Beratungsstunden je Fall seien die Regel. „Grundsätzlich bezweifle ich, dass man einen Tarifwechsel bei gleichen Leistungen für niedrigere Beiträge hinbekommt“, sagt Neubert. Er bestätigt den grundsätzlichen Vorteil von Bi-Sex-Tarifen, relativiert ihn aber: „Weil da keine Jüngeren mehr reinkommen, werden die Beiträge in drei bis vier Jahren für fast alle zu teuer.“Das Gros der Versicherten, die wie ich noch in einem Bi-Sex-Luxustarif versichert
seien, werde deshalb später ohnehin in einen Uni-Sex-Tarif mit geringeren Leistungen wechseln. „Der Verzicht auf ein Ein-Bett-Zimmer im Krankenhaus zum Beispiel ist vielleicht akzeptabel, zumal die Krankenhäuser so was auch gar nicht mehr so oft anbieten“, so Neubert.
Schon wegen dieses Ansatzes lassen sich Neuberts Angaben kaum mit denen der DKV und der Minerva vergleichen. Trotzdem hat er nützliche Tipps: Je höher der Selbstbehalt, desto kleiner die Auswahl an Tarifen, in die man danach problemlos wechseln könne. Denn bei einem Tarifwechsel zählt auch ein verkleinerter Selbstbehalt bereits als Leistungsverbesserung, was eine neue Gesundheitsprüfung voraussetzen kann.
Neubert bestätigt aber die Minerva-These, nach der Tarife mit hohen Selbstbeteiligungen tendenziell ein gesünderes Publikum anziehen und sich deshalb oft günstiger entwickeln. Auch den von Minerva empfohlenen zusätzlichen Altersrückstellungs-Baustein findet Neubert sinnvoll, „solange der Arbeitgeber davon die Hälfte mitbezahlt“.
Ich frage den Profi, ob man als privat Krankenversicherter überhaupt eine Chance habe, sich bei diesem Thema auf eigene Faust zurechtzufinden. Neubert: „Nein. Als Laie ist man da komplett aufgeschmissen.“