Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Bedroht das Coronavirus auch Deutschland?
China hat 40 Millionen Menschen praktisch unter Quarantäne gestellt. Jetzt gibt es erste Fälle in Europa. Was tun die deutschen Behörden?
BERLIN Millionen Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit, seit die Nachricht von einer rapiden Ausweitung einer neuen Variante des Coronavirus die Schlagzeilen beherrscht. Zahlreiche chinesische Millionenstädte wurden abgeriegelt, in Wuhan wird in Windeseile eine Klinik speziell für Infizierte gebaut. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur aktuellen Lage auch in Europa.
Wie gefährlich ist das Virus?
Aus deutscher Sicht ist die momentan grassierende Grippewelle deutlich gefährlicher. Hier registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) bundesweit bislang 13.350 Fälle. Seit Oktober starben nachweislich 32 Menschen daran. Nach RKI-Schätzungen stecken sich bei einer schweren Grippewelle fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung an – mehrere Zehntausend Tote sind die Folge. Beim neuen Coronavirus 2019-nCoV handelt es sich dagegen um eine Mutation, die noch nicht erforscht ist. Es scheint schwere Krankheitsverläufe zu geben, die vor allem bei Vorerkrankungen der Infizierten zum Tod führen können. Bislang starben in China mindestens 26 Menschen, es gibt mindestens 870 Infizierte, über 100 Verdachtsfälle.
Woran ist eine Infizierung zu erkennen?
Gewöhnliche Coronaviren verursachen meist milde Erkältungssymptome mit Husten, Schnupfen und Halsschmerzen. Bei 2019-nCoV ist es schlimmer, bis hin zur Lungenentzündung. Letzte Klarheit ergeben nur medizinische Untersuchungen durch Ärzte.
Wie wird das Virus übertragen?
Die Behörden gingen zunächst davon aus, dass sich alle Betroffenen
direkt auf einem Tiermarkt in Wuhan angesteckt hätten. Dieser wurde Ende vergangenen Jahres geschlossen. Inzwischen wird auch eine Übertragung durch Tröpfcheninfektion (etwa beim Husten) von Mensch zu Mensch angenommen. Allerdings wurde beobachtet, dass sich jeweils nur eine Person im engen Kontakt mit Erkrankten ansteckte. Zudem erschwert der in der unteren Lunge vermutete Krankheitsherd eine Ansteckung. Problematisch ist die lange Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen ohne Symptome, während der Übertragungen möglich zu sein scheinen.
Wie kann man sich schützen?
Gewöhnliche Atemmasken sind offenbar nur von begrenzter Wirkung. Es ist eher das Mittel der Wahl für Erkrankte, nicht für diejenigen, die sich schützen wollen. Die Experten empfehlen, von mutmaßlich Infizierten Abstand zu halten, sich gründlich die Hände mit Seife zu waschen und Desinfektionsmittel zu verwenden. Das RKI legt zudem eine „Husten- und Nies-Etikette“nahe. Also sich wegdrehen, besser in die Ellenbeuge als in die Hand niesen, Taschentuch nur einmal benutzen.
Gibt es offizielle Warnungen?
Das RKI hält sich derzeit noch zurück und verweist auf das Auswärtige Amt, das dazu geraten hat, nicht notwendige Reisen in die betroffenen Gebiete zu verschieben. Der diplomatische Dienst verweist insbesondere darauf, dass Ausreisen aus Wuhan und einer ganzen Reihe weiterer chinesischer Millionenstädte derzeit weder per Flugzeug oder Bahn noch per Fähre oder Bus möglich sind.
Stehen wir vor einem weltweiten Notstand?
Mit Coronaviren ist nicht zu spaßen, erst recht nicht, wenn sie mutieren und vom Tier zum Menschen übertragen werden. So war es bei den Varianten Sars 2002 und Mers 2012 mit jeweils vielen Hundert Toten. Damals sprang das Virus vermutlich von Katzen und Dromedaren über. Dieses Mal werden Geflügel und Fische vermutet. Die Weltgesundheitsorganisation beobachtet
die Entwicklung. Das RKI rechnet damit, dass „Einzelfälle“auch in Deutschland auftauchen werden.
Frankreich hat am Freitag zwei Fälle bestätigt, es sind die ersten bekannten in Europa. Beide Erkrankte seien in China gewesen, sagte die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Sie erwarte weitere Fälle.
Das RKI hat eine Koordinierungsstelle eingerichtet sowie Erkennungsund Behandlungsmethoden für medizinisches Personal zusammengestellt. Die Bevölkerung wird im Internet unter www.rki.de auf dem Laufenden gehalten. Auch die Gesundheitsämter, die bei der Einreise Erkrankter handeln müssen, sind informiert. „Wichtig ist, dass deutsche Kliniken sich bereits jetzt darauf vorbereiten, solche Patienten behandeln zu können“, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU).
Derzeit würden von der Weltgesundheitsorganisation keine Fieberkontrollen an Flughäfen empfohlen, unterstreicht Heike Baehrens (SPD), Vorsitzende des Unterausschusses Globale Gesundheit. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schränkt das ein. Derzeit seien Fiebermessungen bei China-Reisenden zwar nicht sinnvoll. „Grundsätzlich sollte aber ein solcher Einsatz der Messungen vorbereitet werden.“