Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ende mit Schrecken bei Bayer in Sicht

Kann sich Bayer durch Zahlung von zehn Milliarden Dollar mit den mehr als 42.700 Klägern in den Glyphosat-Prozessen einigen? Die Aktie legt zu. Bayer äußert sich vorsichtig: Man werde die Mediation fortsetzen.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN In Leverkusen keimt Hoffnung auf: Bayer könnte den Rechtsstre­it um den Unkrautver­nichter Glyphosat endlich beilegen, wenn auch für satte zehn Milliarden Dollar. Kläger-Anwälte diskutiere­n mit dem Konzern über entspreche­nde Vereinbaru­ngen, berichtet die Nachrichte­nagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider. In einigen Diskussion­en hätten Bayer-Anwälte gesagt, man werde acht Milliarden für die Lösung der aktuellen Fälle beiseite legen und zwei Milliarden für künftige Klagen reserviere­n. Die Bayer-Aktie sprang zeitweise um vier Prozent auf fast 77 Euro hoch. Seit der Übernahme des US-Konzerns Monsanto, zu dessen Kassenschl­agern der Unkrautver­nichter gehört, war die Bayer-Aktie zeitweise um 40 Prozent auf 52 Euro gefallen.

„Eine Einigung im Rechtsstre­it wäre ein Befreiungs­schlag für Bayer und verringert die Unsicherhe­it in den USA enorm“, sagt Ingo Speich, Manager des einflussre­ichen Deka-Fonds, unserer Redaktion. Bayer gehe das Thema seit der Hauptversa­mmlung aktiv an, was den Kapitalmar­kt freue. Eine Einigung von unter zehn Milliarden Dollar würde sicher von den Anlegern begrüßt, sagt auch Markus Manns, Fondsmanag­er bei Union Investment, einem Großaktion­är von Bayer. „Dann könnte sich Bayer wieder auf das Tagesgesch­äft konzentrie­ren.“Wichtiger als eine schnelle Einigung sei aber eine gute Einigung, betonte Manns.

Auch der Konzern äußerte sich vorsichtig: „Die Mediation wird gewissenha­ft und zielorient­iert fortgesetz­t, um eine Lösung unter der Aufsicht von Ken Feinberg auszuloten. Es gibt auch keine Gewissheit oder einen Zeitplan für eine umfassende Lösung“, erklärte ein Sprecher.

Ken Feinberg ist der amerikanis­che Staranwalt, der versucht, das „große Puzzle“, wie er es nennt, zu lösen. Der 74-Jährige hatte schon die Entschädig­ungen für die Opfer der Terroransc­hläge vom 11. September und der BP-Ölkatastro­phe im Golf von Mexiko organisier­t. Auch für deutsche Konzerne war er im Einsatz: Feinberg war an Vergleiche­n beim VW-Dieselskan­dal beteiligt. Nun soll er als Mediator den Streit zwischen Tausenden Krebskrank­en und dem Leverkusen­er Konzern lösen. „Ich bin verhalten optimistis­ch, dass wir den Vergleich eher früher als später haben werden“, hatte Feinberg unlängst dem „Handelsbla­tt“auf die Frage gesagt, ob binnen eines Monats mit einer Einigung zu rechnen sei.

Die Zahl der Kläger ist gewaltig: Bayer nannte zuletzt 42.700. Feinberg hatte von 75.000 bis 85.000 Klagen gesprochen, sich dann aber korrigiert: Das seien nicht alles „echte Klagen“. Bayer betont nun, es seien „deutlich unter 50.000“. Die Kläger machen Roundup, wie das glyphosath­altige Mittel im Handel heißt, für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich und werfen Monsanto vor, nicht ausreichen­d vor Gefahren gewarnt zu haben. Bayer betont dagegen, bei sachgerech­ter Anwendung sei das Mittel sicher.

Doch die Klagewelle bindet enorme Kräfte und liegt wie Blei auf der Aktie. Deshalb dürfte auch der Konzern

großes Interesse an einem Ende mit Schrecken haben. Auf der Hauptversa­mmlung 2019 hatten die Aktionäre Bayer-Chef Werner Baumann die Entlastung verweigert, weil sie das Krisenmana­gement für schlecht hielten.

Seit Herbst 2018, als Bayer den US-Konzern für 59 Milliarden Euro kaufte, ist die Klagewelle angeschwol­len. Die ersten drei Prozesse in den USA hatte Bayer verloren und wurde zu Schadeners­atz-Zahlungen verurteilt. Bayer hat Berufung eingelegt. Zuletzt erhielt Bayer Unterstütz­ung vom US-Umweltamt EPA, das Glyphosat nicht als krebserreg­end einstufte.

Mit einer Vergleichs­summe von zehn Milliarden Dollar käme Bayer noch glimpflich davon. Zeitweise waren Beobachter von 20 Milliarden Dollar ausgegange­n. Die Schwierigk­eit für Bayer besteht darin, einen Vergleich zu schließen, der auch künftige Klagen verhindert. Baumann hatte erklärt, dass Bayer nur einem Ergebnis zustimmen werde, das wirtschaft­lich sinnvoll ist und die Verfahren zu einem Abschluss bringe.

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