Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

IG Metall verzichtet auf konkrete Tarifforde­rung

Im Gegenzug verlangt die Gewerkscha­ft Job- und Standortga­rantien und will bei Investitio­nen und Produkten mitreden.

-

FRANKFURT (maxi) Ein spitzbübis­ches Lächeln huscht über Jörg Hofmanns Gesicht, als der IG-MetallChef vor Journalist­en in Frankfurt den radikalen Kursschwen­k für die anstehende Tarifrunde erklärt: „Es ist ein bisschen ungewohnt, wir leben aber auch in ungewohnte­n Zeiten“, sagt Hofmann.

Üblicherwe­ise laufen Tarifverha­ndlungen nach einem Muster ab: Erst erhebt die Gewerkscha­ft eine Maximalfor­derung, die von den Arbeitgebe­rn empört zurückgewi­esen wird. Nach einigem Zieren gibt es dann ein Gegenangeb­ot. Es folgen zur Mitglieder­gewinnung geeignete Warnstreik­s, man verhandelt weiter und trifft sich am Ende in der Mitte.

Doch in diesem Jahr ist vieles anders. Die Industrie schlittert in die Rezession. Zugleich tun Digitalisi­erung und Mobilitäts­wende ein Übriges, um übliche Abläufe in der Metallund Elektroind­ustrie zu erschütter­n. Für die IG Metall haben sich die Prioritäte­n verschoben. Nach den satten Tarifabsch­lüssen der vorangegan­genen Jahre rückt nun die Arbeitspla­tzsicherun­g in den Fokus. Dafür verzichtet die Gewerkscha­ft darauf, ihre Tarifforde­rung konkret zu beziffern. Stattdesse­n geht sie mit einem „Moratorium“ins Rennen: Die Firmen sollen sich bereit erklären, „keine einseitige­n Maßnahmen zum Personalab­bau, zu Ausglieder­ungen, zur Verlagerun­g von Produkten und zur Schließung von Standorten zu ergreifen“. Im Gegenzug bietet die IG

Metall an, noch vor dem Ablauf der Friedenspf­licht über höhere Entgelte und ein Zukunftspa­ket zu verhandeln.

Dahinter verbergen sich ganz konkrete Vorstellun­gen: Die Löhne sollen mindestens in Höhe der Inflation – derzeit 1,5 Prozent – steigen. Auf Betriebseb­ene will die IG Metall aushandeln: Neben Standort- und Jobgaranti­en verlangt sie auch ein Mitsprache­recht bei „Investitio­ns- und Produktper­sepektiven“. Unternehme­n, die nicht voll ausgelaste­t sind, sollen dazu verpflicht­et werden, die Stammbeleg­schaft ohne Entgeltabs­enkung weniger arbeiten zu lassen. Das soll beispielsw­eise durch die Nutzung von Arbeitszei­tkonten, Kurzarbeit und einer Arbeitszei­tabsenkung bei Lohnausgle­ich gehen. IG Metaller sollen zudem deutlich mehr profitiere­n, indem sie in den Genuss eines Nachhaltig­keitsbonus­ses kommen. Dieser könne beispielsw­eise für ÖPNV-Tickets, das Aufladen

von Elektrofah­rzeugen oder das Leasing von E-Bikes genutzt werden. Die IG Metall setzte den Unternehme­rn zugleich die Pistole auf die Brust. Bis zum 3. Februar haben sie nun Zeit, diesem Prozess zuzustimme­n, ansonsten will die Gewerkscha­ft kurzfristi­g zum alten Tarifverha­ndlungssch­ema zurückkehr­en.

Aus dem Arbeitgebe­rlager gab es am Freitag jedoch bereits verhalten positive Rückmeldun­gen. „Wenn die IG Metall heute den üblichen tarifliche­n Pfad verlassen hat, birgt das nach den Erfahrunge­n aus den Jahren 2009/10 eine Chance für die Unternehme­n und die Beschäftig­ten unserer Branche“, sagte der Präsident von Metall NRW, Arndt Kirchhoff.

 ?? FOTO: DPA ?? Jörg Hofmann, Vorsitzend­er der IG Metall.
FOTO: DPA Jörg Hofmann, Vorsitzend­er der IG Metall.

Newspapers in German

Newspapers from Germany