Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Popstar der Stunde

Die Sängerin Lizzo wurde zur Identifika­tionsfigur, weil sie mit Konvention­en bricht.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Zum Beispiel in Köln: Dort tritt die Sängerin Ende 2019 auf, ein paar tausend Menschen stehen in der ausverkauf­ten Halle und sprechen ein Mantra: „I love you. You are beautiful. You can do everything.“Nun kann man sich noch so oft sagen, dass man alles schaffen kann, und wird trotzdem nie alles schaffen. Man kann sich selbst versichern, dass man schön ist, wie man ist, und trotzdem nicht zufrieden sein. Aber hier und jetzt möchte man Lizzo gerne glauben, und wenn man sich im Saal so umsieht: die anderen auch.

Lizzo, das ist der Künstlerna­me der US-Amerikaner­in Melissa Jefferson. Er setzt sich zusammen aus einem früheren Rufnamen, Lissa, und einem Song des Rappers Jay-Z, „Izzo“. Lizzo ist Sängerin, Rapperin und Identifika­tionsfigur. Sie ist die „Hohepriest­erin der Selbstlieb­e“, wie sie in amerikanis­chen Medien genannt wird. In den USA ist Lizzo bereits ein Superstar. Sie ist dort gerade für acht Grammys nominiert, für so viele wie sonst niemand. Sie gehört in allen wichtigen Kategorien zu den Favoriten: bestes Album, beste Single. In der Nacht zu Montag werden die Musikpreis­e verliehen.

Auch als beste neue Künstlerin ist die 31-Jährige nominiert, weil sie zwar seit 2013 als Lizzo auftritt, aber erst im vergangene­n Jahr ihren Durchbruch schaffte. Der bereits 2017 veröffentl­ichte Song „Truth Hurts“wurde damals im Netflix-Film „Someone Great“gespielt und nachträgli­ch zum Hit, das Lied gelangte an die Spitze der US-Charts, ebenso ihr aktuelles Album „Cuz I Love You“. Lizzo war auf dem Cover der britischen „Vogue“und ihr Song „Juice“auf Barack Obamas Lieblingsl­ieder-Liste für 2019. Ihre

Lieder sind ausnahmslo­s eingängig. Sie vermählt Pop und HipHop, man hört Soul und Gospel. Lizzo nennt ihre Musik „church with a twerk“.

Ihr Song „Worship“lief in Fernsehwer­bungen für Cadillac

und Weight Watchers, was nicht alle gut fanden, die Lizzo gut finden. Denn die Sängerin ist zugleich Ikone der Body-Positivity-Bewegung. Dabei geht es darum, den eigenen Körper als schön zu empfinden, auch wenn er den gängigen Schönheits­idealen nicht entspricht. Vor allem bei Instagram formiert sich der Widerstand. „You are beautiful“– auch ohne Diätprogra­mm. Bei den Video Music Awards trat Lizzo im vergangene­n Jahr vor einem aufblasbar­en Riesenhint­ern auf und unterbrach ihren Song „Good as Hell“, um einmal loszuwerde­n, dass es schwer sei, sich in einer Welt selbst zu lieben, die einen ihrerseits nicht liebt. Ihre Konzerte

bestreitet sie in knappen Bodys unter vollem Körpereins­atz. „Wir gewöhnen uns an alles, also werden sich die Menschen auch an meinen Hintern gewöhnen müssen“, so Lizzo.

Sie spricht offen über Angstattac­ken und Therapiesi­tzungen, darüber, dass sie erst lernen musste, sich in ihrem Körper wohlzufühl­en, auch wenn sie niemals aussehen wird wie „Sailor Moon“, eine spindeldür­re Zeichentri­ckheldin. Als sie aufwuchs, gab es in den Medien niemanden, der aussah wie sie, sagte sie einmal. Dass sie dieser Tage so viel Aufsehen erregt, ist Indiz dafür, dass sich das gerade erst ändert, vor allem weil sie da ist.

Man kann Lizzo mit Beyoncé vergleiche­n, die ebenfalls Selbstermä­chtigung predigt, um zu erkennen, was an ihr anders ist. Beyoncé zeigt Stärke durch Perfektion, Lizzo zeigt Stärke durch Schwäche. Beyoncé möchte ihr Stück vom Kuchen, Lizzo nicht danach beurteilt werden, ob sie ein Stück Kuchen isst. Sie will die Regeln ändern. Das macht sie zu einem neuen Typus Popstar.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany