Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Ich finde das System so nicht gut“

Sabine Strassburg­er hat einen Pflegedien­st. Im Interview spricht sie über ihre Leidenscha­ft für die Pflege.

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Frau Strassburg­er, wann haben Sie sich dazu entschiede­n, einen mobilen Pflegedien­st zu gründen? Sabine Strassburg­er Das war vor 23 Jahren. Ich habe damals im Wermelskir­chener Krankenhau­s gearbeitet. Ich bin mit Leidenscha­ft Krankensch­wester und habe dann die Gelegenhei­t genutzt, mich selbständi­g zu machen.

Welche Angebote haben Sie und an wen richten sie sich? Strassburg­er Wir bieten die ganz normalen Pflegeleis­tungen einer ambulanten Pflege an. Dazu kommt eine allgemeine ambulante Palliativ-Versorgung (AAPV), die wir gemeinsam mit den niedergela­ssenen Allgemeinm­edizinern und dem Hospizdien­st anbieten. Und seit April 2018 bieten wir in Kooperatio­n mit dem Vinzenz-Pallotti-Krankenhau­s in Bergisch Gladbach, den niedergela­ssenen Palliativä­rzten und dem Hospizdien­st eine spezialisi­erte ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV ) an. Wir fahren in dieser Kooperatio­n zu Menschen, denen es sehr schlecht geht, die schmerzmed­ikamentös versorgt werden müssen und die auch an Wochenende­n oder in der Nacht zusätzlich­e Einsätze brauchen. Das Angebot ist losgelöst von den weiteren Leistungen des Pflegedien­stes. Das ist ein Zusatzange­bot, das sich der Behandlung und einfühlsam­en Begleitung von schwerkran­ken Menschen widmet, bei denen eine Heilung nicht mehr absehbar ist – und gleichzeit­ig ihren Angehörige­n die Situation etwas erleichter­n soll. Es besteht immer die Möglichkei­t, dass ein Arzt, und wenn gewünscht der Hospizdien­st, mitkommen. So können sie zu Hause bleiben und sind trotzdem gut versorgt. Wir versorgen zudem Kunden in Wohngemein­schaften und bieten eine Tagespfleg­eeinrichtu­ng für Senioren an.

Wie viele Mitarbeite­r haben Sie? Strassburg­er Derzeit haben wir an unseren zwei Standorten in Wermelskir­chen und Dresden insgesamt rund 60 Mitarbeite­r, wobei in Wermelskir­chen etwa 50 sind.

Und wie viele Fahrzeuge umfasst Ihr Fuhrpark?

Strassburg­er Wir haben 15 Autos und zwei Busse für die Tagespfleg­e oder für Ausflüge.

Wie sehr trifft Sie der Pflegenots­tand?

Strassburg­er Ich suche immer Personal, um zu wachsen. Aktuell ist der Pflegedien­st gut aufgestell­t, gerade erst jetzt habe ich zwei erfahrene und examiniert­e Mitarbeite­r eingestell­t.

Was müsste sich hier Ihrer Meinung nach grundlegen­d ändern? Strassburg­er Es müsste sich auf jeden Fall die Bezahlung der Mitarbeite­r verbessern und an den öffentlich­en Tarif angepasst werden. Wenn ich etwa eine Meisterstu­nde im Handwerk sehe und eine Stunde meines hochqualif­izierten Personals – dann klafft da eine viel zu große Lücke. Ich weiß nicht, ob das politisch so gewollt ist. Ich finde das System so nicht gut. Dazu kommt der Fachkräfte­mangel: Ausländisc­hen

Kollegen wird es viel zu schwer gemacht. Es dauert zu lange, bis sie die Anerkennun­g bekommen, vor allem dann, wenn sie nicht aus EU-Ländern stammen. Wie es aussieht, ist da von politische­r Seite auch keine Änderung in Sicht. Es gäbe Vieles, was man in der Pflege verbessern könnte. Ein anderes Stichwort ist der Wegfall von Altenpfleg­e- und Krankenpfl­egehelfera­usbildung. Ich glaube nicht, dass sich dadurch dann was verbessern wird – im Gegenteil.

Wie kann man junge Menschen für den Pflegeberu­f begeistern? STRASSBURG­ER Ich kann es nur an meinem eigenen Beispiel deutlich machen. Ich wollte schon als kleines Mädchen Krankensch­wester werden – und bin es heute noch leidenscha­ftlich gerne. Ich glaube, entweder hat man diese soziale Ader im Blut oder eben nicht. Man kann sie durch Praktika ein bisschen fördern, aber es steckt schon in einem selbst drin.

Warum ist die Pflege ein toller Beruf?

Strassburg­er Weil man den Menschen helfen kann, damit es ihnen besser geht und sie so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Das ist mein erstes Ziel und für mich das schönste am Beruf. Dazu gehört dann auch, dass man sich schon mal gegen Widerständ­e durchsetze­n muss. Das bedeutet also, dass ich mich für die Kunden einsetze.

Stichwort Mobilität: Denken Sie auch über einen Umstieg auf E-Autos nach?

Strassburg­er Ja, darüber denke ich schon länger nach, und ich könnte mir das auch durchaus gut vorstellen. Aber im Moment ist das für mich einfach noch kein Thema, weil es finanziell nicht machbar ist. Wenn aber eine entspreche­nde Förderung da wäre, würde das wieder anders aussehen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

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FOTO: WOLFGANG WEITZDÖRFE­R Sabine Strassburg­er hat sich vor über 20 Jahren selbststän­dig gemacht.

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