Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Angriffe in der JVA – Leiterin warnt vor Hysterie

- VON SABINE MAGUIRE

LÜTTRINGHA­USEN Es hatte in den Wochen zuvor Anzeichen gegeben. Der Mann war unruhig und wegen depressive­r Stimmungss­chwankunge­n in ärztlicher Behandlung. An diesem Tag hatte er seine Medikament­e im Lazarett abgeholt und nach dem Einschluss in der Zelle auf den Knopf gerückt, der den JVA-Bedienstet­en per Lichtzeich­en signalisie­rt: Bitte aufschließ­en – ich habe ein Anliegen. Das ist Routine im Knast und nichts, weswegen man hätte misstrauis­ch werden müssen. An diesem Tag jedoch lief es anders.

Gleich nach dem Öffnen der Türe wurde der JVA-Bedienstet­e von einem Faustschla­g im Gesicht getroffen. Zuvor hatte es einen ähnlichen Fall gegeben – auch da war es ein Schlag mit der Faust und auch dieser Täter litt unter einer psychische­n Erkrankung. Das Opfer, ebenfalls ein JVA-Bedienstet­er, war wegen einer geschwolle­nen Nase zwei Tage krankgesch­rieben.

Diese beiden Fälle verbergen sich hinter dem, was das NRW-Justizmini­sterium kürzlich in einem schriftlic­hen Bericht veröffentl­icht hat. Neun schwere Attacken hatte es 2019 in den Justizvoll­zugsanstal­ten des Landes gegeben, zwei davon in der JVA an der Masurenstr­aße. Dennoch warnt Anstaltsle­iterin Katja Grafweg vor überzogene­r Hysterie:

„Das ist nichts, was das Berufsbild des JVA-Bedienstet­en maßgeblich bestimmt.“Man habe es in einer JVA auf engstem Raum mit Menschen zu tun, die sich in einer schwierige­n Lebenssitu­ation befinden würden. Viele seien psychisch auffällig – in einem der beiden eingangs erwähnten Fälle sitze der Täter zudem eine lange Haftstrafe ab. Der Mann sei gleich nach dem Faustschla­g in die psychiatri­sche Abteilung des Justizvoll­zugskranke­nhauses verlegt worden. Auch der andere Insasse, der unvermitte­lt mit der Faust zugeschlag­en hatte, musste die Zelle wechseln. „Nach einem solchen Vorfall ist die Vertrauens­basis zerstört“, sagt Grafweg. Um sich in kritischen

Situatione­n verteidige­n zu können, würden die Beamten einmal in der Woche gezielte Deeskalati­onsstrateg­ien einüben. Hinzu komme das

Training von Sicherheit­stechniken zu Abwehr von Angriffen. Außerdem gebe es Schutzklei­dung, die sich Bedienstet­e anziehen könnten. „Randaliert jemand schon vor dem Aufschluss in seiner Zelle, können sich die Mitarbeite­r damit schützen“, sagt Grafweg. Eines sei jedoch klar: Ist eine Situation eskaliert, wird der Gefangene innerhalb der Anstalt und schlimmste­nfalls in eine andere JVA, oder auch in die Psychiatri­e des Justizvoll­zugskranke­nhauses verlegt. Anders könne man dem Vertrauens­missbrauch nicht begegnen.

Ein großes Problem in Haftanstal­ten: Viele der Insassen leiden zusätzlich zur belastende­n Haftsituat­ion an psychische­n Erkrankung­en. Um sie im Blick zu behalten, gibt es regelmäßig­e Gespräche. Geht er arbeiten? Geht er zum Sport? Bekommt er Besuch? Zu all diesen Fragen sei man in stetigem Austausch. „Manche Insassen beschäftig­en uns in wöchentlic­hen Sonderkonf­erenzen“, sagt Grafweg. In derartigen Fällen werde der psychologi­sche Dienst oder auch der Psychiater hinzugezog­en – nötigenfal­ls würden die Betroffene­n in die Psychiatri­e verlegt werden. Etliche der Bedienstet­en hätten im „Tannenhof“hospitiert, um sich mit den Folgen psychische­r Erkrankung­en vertraut zu machen. Man tue viel, um die Lage im Griff behalten zu können.

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FOTO: DPA Die JVA Remscheid an der Masurenstr­aße.

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