Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Wir hatten mehr Besucher als das Klingenmuseum“
50 Jahre nach dem großen Brand präsentiert sich das Schleifermuseum Balkhauser Kotten von seiner besten Seite – und hat Freunde weit über das Bergische Land hinaus.
SOLINGEN Der Stolz ist nicht zu überhören: „2018 hatten wir rund 16.000 Besucher – mehr als das Deutsche Klingenmuseum“, sagt Andreas Müller, der mit seiner Familie seit drei Jahren den Balkhauser Kotten bewohnt und betreut. 2019 gab es zwar einen leichten Rückgang. Aber da sind immer noch die Tage, an denen zwei Reisebusse vor dem Kotten parken und 100 nicht angemeldete Besucher Müller und seine Ehefrau Heike ins Schwitzen bringen. Andere kommen regelmäßig – wie eine Gruppe amerikanischer Messermacher, die jedes Jahr einen Film in dem Museum dreht.
Seit Mitte voriger Woche ist der Balkhauser Kotten wieder von dienstags bis sonntags geöffnet. „Wir haben eine Sechs-Tage-Woche“, merkt das Kustoren-Ehepaar an. Eine Woche, die nicht nur mit Führungen gefüllt ist. Längst ist das eindrucksvolle Gebäude auch zum Veranstaltungsort für Familienfeiern und Firmenevents geworden.
2018 gab es am Wupperufer die erste Trauung unter freiem Himmel. Was das Brautpaar damals bei der Stadt erkämpfte, fällt heute Heiratswilligen aus Köln, Düsseldorf und Wuppertal in den Schoß: Die Kustoren rollen für sie – gegen entsprechende Gebühren – den roten Teppich aus, stellen einen weißen Pavillon auf und schmücken die Bänke mit weißen Hussen.
„Das sieht schon toll aus“, lobt Nicole Molinari, die Vorsitzende des Kuratoriums Balkhauser Kotten. „2019 hatten wir die erste gleichgeschlechtliche Trauung“, berichtet Andreas Müller. „Wir könnten viel mehr Hochzeiten veranstalten, wenn das Standesamt mehr Außentermine machen würde.“Für das laufende Jahr gibt es nur noch wenige freie Termine. Auch ein Gottesdienst hat schon zwischen Wupper und Kotten stattgefunden.
Bis zum Beginn der Außensaison vergehen aber noch gut zwei Monate. Zum Waffeltag am 5. April erwartet Nicole Molinari wieder 500 bis 900 Besucher. Dabei kann das Kuratorium auf viele Helfer zählen. „Wir haben rund 60 Frauen und Männer, die regelmäßig anpacken, wenn wir über Facebook dazu aufrufen“, erzählt die Kuratoriums-Vorsitzende. „Durch die sozialen Medien haben wir viele aktiviert, die vorher noch nie in einem Kotten waren.“Im März gibt es als Dank zum ersten Mal „ein richtig großes Helfertreffen“.
Neben den vielen Freiwilligen ist auch das „Kotten-Lädchen“ein wichtiger Stützpfeiler für den Erhalt des Balkhauser Kottens. Dort verkaufen Heike und Andreas Müller
für das Kuratorium Messer von Güde, Burgvogel und Martin Burghaus („Spitzenreiter“). Es gibt noch Güde-Messer mit Griffen aus dem Holz des alten Wasserrades. „Jetzt wird aber auch nach und nach die alte Welle verarbeitet“, erklärt Nicole Molinari.
Andreas Müller weiß, wovon er spricht, wenn er den Besuchern die einzelnen Messertypen erläutert. Er arbeitete als Schwertfeger bei Hörster. Den Lehrberuf gibt es seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr. Dank seines Wissens und der Arbeitsplätze
im Kotten kann Müller auch Messer schleifen und reparieren sowie Seminare anbieten.
Als nächsten Schritt richtet der ehrenamtliche Verein in diesem Monat ein Online-Lädchen ein. „Es werden immer mehr Bestellungen“, bilanziert Heike Müller. Die Zöppken-Sonderedition mit fünf verschiedenen Hölzern und gelaserten Klingen zu Weihnachten sei beispielsweise „richtig gut gelaufen“, ergänzt Nicole Molinari. „Das werden wir wiederholen.“
Auch sonst steht einiges an. So gepflegt, wie der Balkhauser Kotten für den gelegentlichen Besucher aussieht, so viel Arbeit macht sein Erhalt. Als Diplom-Ingenieurin (Architektur) und Sachverständige in Bau- sowie Architekturfragen hat Nicole Molinari den Blick dafür. „Der gesamte Obergraben und die Grabenwände sind schwer sanierungsbedürftig“, erläutert sie. „Wir rechnen mit Ausgaben von 75.000 bis 100.000 Euro. Die haben wir nicht im Portemonnaie.“Das Kuratorium hofft auf die NRW-Stiftung, die 2010 schon das neue Wasserrad (55.000 Euro) und die neue Ausstellung (40.000 Euro) finanziert hatte. Auch die Bezirksregierung fördert den Balkhauser Kotten, und das Kuratorium selbst trägt einen kleineren Teil der Kosten.
Die Stadt als Besitzerin des Balkhauser Kottens bezahlte gerade das Streichen der Fensterrahmen. Außerdem sorgte sie im vergangenen Jahr dafür, dass die Brücke über den Graben stabilisiert und ein neuer Zaun aufgestellt wurde. „Unser ganz großes Problem bleibt aber der fehlende Parkplatz“, klagt Molinari. Ausgerechnet sonntags hält normalerweise kein Bus am Kotten – da bedient Wiedenhoff mit der Linie 252 nur die Strecke über den Odentaler Weg. Busse zu mieten, das war für das Kuratorium immer ein Zuschussgeschäft. Deshalb kann man der Sperrung des Odentaler Wegs ab März wegen Bauarbeiten durchaus etwas abgewinnen. Molinari: „Sonst können wir nur warten, bis der Druck der mehreren hundert Besucher so groß wird, dass sich etwas tut.“