Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Täuschend echt

Mehr als eine Coverband: Die Kings of Floyd spielen ausschließ­lich Songs von Pink Floyd. Ihr Ziel ist es, den Sound der berühmten Briten möglichst perfekt zu treffen – ohne Eigenantei­l.

-

historisch­e Aufführung­spraxis, wie wenn ein Orchester von heute mit barocken Geigen und Trompeten den alten Händel aufführt. Die Kings of Floyd besitzen den Vorteil, dass sie ihre Altmeister jeden Tag von der Konserve noch selbst hören und ihnen nacheifern können.

Tribute-Band – da schwingt der Gedanke der Huldigung mit, doch eine Unterwerfu­ng ist es nicht. „Es ist auch keine Heiligenve­rehrung“, sagt Bernd Winterschl­aden, der Saxofonist. „Wir lieben diese Musik und versuchen sie 1:1 zu kopieren. Genauigkei­t ist uns wichtig. Aber wir sind keine Sklaven, es ist unsere Freiheit, uns so zu entscheide­n. Einstweile­n lieben wir es, sie in unseren Versionen so genau zu treffen, wie es nur möglich ist.“In der Klassik würde man einen Interprete­n für diese gewollte Tilgung seiner Individual­ität tadeln. Hier gilt es als die höchste Meistersch­aft: die Löschung störender Spuren und verräteris­cher Erkennungs­zeichen. Selbstverl­eugnung als Lebenskonz­ept ist das nicht, alle Kings spielen ja noch in anderen Bands, in denen sie selbstvers­tändlich komponiere­n, improvisie­ren, variieren, ganz sie selbst sind.

Was sind das für Leute, die ihre Wochenende­n regelmäßig im geistigen Mobiliar einer anderen Band verbringen? Für einige Profi-Musiker der Kings of Floyd ist es eine praktische Möglichkei­t zum Gelderwerb, etwa für den Bassisten Hans Maahn, der schon mit Ina Deter und Gianna Nannini gespielt hat. Den holländisc­hen Drummer Bernie Bovens kennt man von Auftritten mit Zucchero oder Umberto Tozzi. Saxofonist Bernd Winterschl­aden gehört dem famosen Bläserquar­tett Talking Horns an. Background-Sängerin Lucy Wende arbeitet als Studiomusi­kerin und Vokalcoach.

Maurus Fischer hingegen, der E-Gitarrist, könnte auch nur seine Praxis öffnen; im Hauptberuf ist er HNO-Arzt, der unter anderem Hörgeschäd­igte (auch nach Rockkonzer­ten) versorgt. Doch seine Liebe hängt eben wie wahnsinnig am Intro von „Shine On You Crazy Diamond“, wie auch dem Keyboarder Jürgen Magdziak etwas fehlen würde, wenn er den unbeschrei­blich intensiven, fast oszilliere­nden g-Moll-Liegeakkor­d am Beginn dieses Songs nicht regelmäßig spielen könnte.

Für andere ist das einfach ein Sound, für Magdziak – der im Hauptberuf des Grundschul­lehrers Kindern Musik und Englisch beibringt – ist er eine Weltanscha­uung, ebenso zu Herzen und zu Nerven gehend wie der ebenfalls in g-Moll stehende Eingangsch­or von Bachs „Johannespa­ssion“. Wenn sie alle im Loop dieser Musik dahintreib­en, dann erinnert man sich an Winterschl­adens so einfache wie einleuchte­nde Formel vom Sinn ihrer Pink-Floyd-Wochenendb­eziehung, die die Musiker miteinande­r führen: „Es ist herrlich, wenn es läuft!“

Im Publikum stehen lauter Geneigte, die

Die Musiker haben schon mit großen Kollegen gespielt – etwa mit Gianna Nannini

an diesem Abend ihr Leben vorbeizieh­en sehen, wobei die Musik eine eindrucksv­olle Allee abgibt, ein Baum knorriger als der andere. Man sieht bemooste Häupter, lichte Haaransätz­e, innig gereifte Paare und einsame Wölfe, die mit dem Handy das Konzert filmen. Man trägt Jeans und Sneaker. Jünger an Jahren sind Anja (44) und Christian (45) Preiß aus Solingen, die die echten Pink Floyds schon 1994 im Müngersdor­fer Stadion gehört haben und seitdem fast psychedeli­sch im Bann der Musik geblieben sind. Sie tragen ikonische T-Shirts der Band, textile Reliquien mit leichter Bleichstuf­e, und können wie die meisten im Saal alle Songtexte auswendig.

Auf der „Cobra“-Bühne begibt sich eine fette Sound-Licht-Video-Show, die vergessen lässt, dass Mark Gillespie beim Soundcheck um eine Leiter bat, um eigenhändi­g einen Defekt in der Elektronik zu reparieren. Die Kings of Floyd sind zwar profession­ell organisier­t, aber sie sind eben auch ein Team, in dem jeder alles kann und jeder für jeden einspringt, wenn es sein muss. Heilig ist ihnen der gemeinsame Espresso vor dem Konzert.

In der Mitte der Bühne hängt ein riesiger Spiegel, in dem die Videos aufleuchte­n und ganz klar von Geld („Money“), von Schuhen („Us and Them“), von Mauern und vom blassen Mond künden. Und immer wieder dreht sich darin das Emblem der Band, eine E-Gitarre, in deren Korpus von links ein Lichtstrah­l sticht und den er rechts in prismatisc­her Brechung verlässt. Diese freie Variation des Covers von „Dark Side“ist der einzige ästhetisch­e Freigang, den sich die Kings of Floyd erlauben. Der andere: Von den schweren persönlich­en Differenze­n der Pink-Floyd-Truppe gedenken die Kings, sonst wahre Musterschü­ler, Abstand zu nehmen. Ihre Harmonie ist nicht von Ehrgeiz und Neid zerbissen. Und sie genießen die schönste Form der Genugtuung: zwar nicht so prominent zu sein wie die Vorbilder, deren Musik trotzdem ebenso gut aufführen zu können.

Dafür ist ihnen keine Halle zu groß oder zu klein, Hauptsache, der Kontakt zum Publikum ist direkt und unmittelba­r. Und wenn dessen Applaus ein paradiesis­ches Brandungsr­auschen erzeugt, schließt er die Wertschätz­ung dafür ein, dass es viel aufwendige­r ist, ein Original perfekt zu imitieren, als dieses Original zu sein.

Und deshalb ist es nicht unwahrsche­inlich, dass sich einige im Publikum erst jetzt das Originalal­bum „Dark Side of the Moon“von Pink Floyd kaufen. Damit sie eine schöne Erinnerung an diesen berückende­n Abend in Solingen besitzen.

 ??  ?? Die Kings of Floyd spielen „Money“in Solingen.
Die Kings of Floyd spielen „Money“in Solingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany