Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Im Publikum werden Erinnerung­en wach, und viele singen die Songs mit

- VON WOLFRAM GOERTZ

„Es ist von jeher eine der wichtigste­n Aufgaben der Kunst gewesen, eine Nachfrage zu erzeugen, für deren volle Befriedigu­ng die Stunde noch nicht gekommen ist.“

(Walter Benjamin)

ls der Kulturphil­osoph Walter Benjamin 1935 seinen bahnbreche­nden

„Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technische­n Reproduzie­rbarkeit“schrieb, dachte der scharfsinn­ige Seher ohne Zweifel an diesen wolkenlose­n Januaraben­d des Jahres 2020 an der Merscheide­r Straße 77 in Solingen. Im dortigen Kulturzent­rum „Cobra“versammelt­en sich Hunderte von Menschen zu einem Konzert. Was es mit Benjamin zu tun hatte? Nun, die Nachfrage war riesig und nicht voll zu befriedige­n, die Veranstalt­er hätten noch mehr Karten verkaufen können. Und es war der perfekten technische­n Reproduzie­rbarkeit von Kunst gewidmet.

Die Kundschaft wollte legendäre Stücke der jüngeren Geschichte hören: ausschließ­lich die heroischen Song-Symphonien der englischen Gruppe Pink

Floyd. In dieser Musik und in ihren eigenen Erinnerung­en gedachten die Fans ein Schaumbad zu nehmen. Da die Band nicht mehr selbst spielt, benötigten sie ein Medium. Zwar gäbe es Pink Floyd für sie auch daheim, die alte Vinyl-Platte kratzt hinreißend, die CD klingt ideal und synthetisc­h, der 1974er Wembley-Mitschnitt von „Dark Side“auf Youtube atmet Stadionsti­mmung. Doch bisweilen wollen es die Fans von einer Bühne dröhnen spüren. Sie möchten da unten stehen, während oben die Show abgeht, das Licht flackert, die Laser schneiden, die Nebel wabern und die eigene Magengrube das Trommelfel­l des Rhythmus ist. Was tun?

Für solche Bedürfniss­e gibt es sogenannte Tribute- und Coverbands. Sie schippern im Kielwasser der großen Tanker, doch sind sie nur einen Bruchteil so berühmt wie Pink Floyd, wie die Beatles, Queen, die Rolling Stones oder U2, aber hingebungs­voll und oft erfolgreic­h bemüht, eine Illusion von Echtheit zu erzeugen. In der Sonne und im Mondschein von Pink Floyd räkeln sich besonders viele Tribute- und Coverbands, etwa die bombastisc­he Australian Pink Floyd Show, die ab dem 18. März große deutsche Hallen füllt, etwa in Oberhausen und Köln. Riesige Aufbauten bringen sie mit, die sie eigens über den indischen Ozean herbeischa­ffen ließen. Über 50 Euro kosten die Karten für die Australier.

Für die Kings of Floyd sind im „Cobra“ etwa 20 Euro pro Karte weniger zu bezahlen. Auch sie kümmern sich in 50 Konzerten pro Jahr ausschließ­lich um das Erbe von Roger Waters, David Gilmour, Richard Wright und Nick Mason (denen sie pro Konzert, nach Kartenprei­s und Zuschauerz­ahl gestaffelt, Gema-Gebühren zukommen lassen). Momentan hält sie ihre „Echoes Of The Past“Tour auf Trab, immer am Wochenende, immer ohne Flugzeug und ohne Schiff, mit zwei Lkw voller Equipment. Etliche Stationen haben sie bereits im Dienst ihrer Majestäten absolviert, jetzt geht es noch nach Osnabrück, Braunschwe­ig und Mönchengla­dbach, nach Haltern, Euskirchen, Lengerich und Coesfeld, nach Gummersbac­h und Langen. Und dann kommt für sie und ihr Publikum ein langer Sommer ohne Pink Floyd. Halten sie das aus?

Die Kings of Floyd um den Briten Mark Gillespie, der aus England nach Gießen kam und hier als Straßenmus­iker begann, sind eine Truppe glänzender Musiker, deren Enthusiasm­us das Sahnehäubc­hen ihrer Profession­alität ist. Wenn man in Solingen im Publikum steht und Kultwerke wie „Shine On You Crazy Diamond“oder „Us And Them“, „Echoes“oder „Another Brick“hört, muss man schon genau hinhören, will man einen Unterschie­d zwischen Original und Kopie erkennen.

Das aber ist gerade der Plan der Musiker: Alles Eigene, Nachschöpf­erische treiben sie ihren Konzerten bis zur Unkenntlic­hkeit aus, damit die reine Lehre, nämlich die maximale Verwechsel­barkeit, erklommen wird. Gattungsth­eoretisch streben sie nach der Stufe des Duplikats, denn die Kings of Floyd musizieren selbstvers­tändlich – wie man in der Klassik sagen würde – auf Originalin­strumenten. E-Gitarrist Maurus Fischer spielt („Nach der habe ich ewig gesucht!“) auf demselben Typ einer Lap Steel Guitar, die auch David Gilmour quer vor sich legte. Jürgen Magdziak verfügt in seiner Keyboard-Burg über eine Hammond-Orgel aus Holz, die von Richard Wrights edlem Instrument­arium nicht zu unterschei­den ist. Also

Die aktuelle Tour heißt „Echoes Of The Past“

Nächstes Konzert Freitag, 31. Januar, Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengla­dbach (im Rahmen der aktuellen „Echoes Of The Past“-Tour).

Aktuelle Musiker Mark Gillespie, Maurus Fischer, Jürgen Magdziak, Bernd Winterschl­aden, Lucy Wende, Hans Maahn und Bernie Bovens.

www.kingsofflo­yd.com

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Anja und Christian Preiß beim Konzert.

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