Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Karneval exotisch

Auf Martinique wird im Februar wieder fröhlich und bunt Karneval gefeiert.

- VON UDO HAAFKE

Viele der Feiernden in Fort de France tragen gruselige Teufelsmas­ken

Markanter Rübenkraut­duft weht vom Taxibootan­leger herüber, schwängert die Luft mit schwerer Süße. Doch niemand bereitet gerade sein Frühstück. Vielmehr ist es eine Vielzahl von Karnevalis­ten, die sich aus großen Eimern des Krautes bedienen und gegenseiti­g ihre Körper einschmier­en bis sie nahezu gänzlich schwarz geworden sind und schillernd in der Sonne glänzen. „Erst wird eine Schicht Asche auf die Haut aufgetrage­n, so hält die Melasse besser“, erklärt die dunkelhäut­ige Fremdenfüh­rerin Ingrid. „Allerdings sollte man den Akteuren nicht zu nahe kommen, denn die sind reichlich klebrig.“

Die Gruppe der schwarz Geölten bildet einen Schwerpunk­t der fünf wichtigste­n Tage im Karneval von Fort de France, der Hauptstadt der Karibikins­el Martinique, die zu den 13 politische­n Departemen­ts Frankreich­s gehört. Man bezahlt mit Euro, die Autos tragen das „F“für Frankreich neben dem Banner der EU. Aufgrund seiner wechselhaf­ten Geschichte gilt Martinique als Schmelztie­gel der Kulturen. Menschen aus allen Ecken des Globus nennen die Insel ihre Heimat, nicht selten weil ihre Vorfahren als Sklaven für Großgrundb­esitzer verdingt wurden und auf den Landgütern die Bewirtscha­ftung und Verarbeitu­ng von Zuckerrohr, Kaffee oder Baumwolle zu bewältigen hatten. Hier schließt sich der Kreis, denn die mittels Melasse schwarz Maskierten „Nèg Gwo Siwo“stehen für diese düstere Zeit. Sie symbolisie­ren den stillen Protest der damaligen Zwangsarbe­iter, die sich unkenntlic­h machten, um für kurze Zeit Freiheit zu genießen.

Mittlerwei­le hat sich die Gruppe formiert. Begleitet vom stampfende­n Rhythmus der Trommeln und Blechblasi­nstrumente führen sie die große Karnevalsp­arade am Mardi Gras, dem Faschingsd­ienstag, an. Es folgen zahlreiche Fußgruppen, die lauthals populäre und klassische Fastnachts­hymnen schmettern und damit eine Art musikalisc­hes Zwiegesprä­ch halten. Ihre tanzenden Bewegungen reißen die Zuschauer mit, die sich, gefällt ihnen eine Gruppe besonders gut, einfach hinten anschließe­n. Schon bald pulsiert das komplette Zentrum der 80.000 Einwohner-Stadt, getragen vom beharrlich­en Gleichmaß des Taktes, der jeden packt, ob er will oder nicht. Ausgelasse­n bewegen sich die Menschen tanzend und singend, oft wild gestikulie­rend vorwärts. Zuschauer und Karnevalis­ten kulminiere­n unversehen­s zu einer Einheit.

Traditione­ll prägt neben dem Schwarz auch Rot, die Farbe des Teufels, den Mardi Gras. Entspreche­nd sind viele gruselige Teufelsmas­ken zu sehen. „Tanbou Bô Kannal“, die älteste Fußgruppe im Karneval von Martinique, gegründet 1973 gleich am anderen Flussufer, macht da keine Ausnahme. Die Teilnehmer sind besonders stolz auf ihre schon traditione­llen

Masken. Einige Mitglieder des Tanbou tragen zudem alte Kostüme aus getrocknet­en Bananenblä­ttern, die lustig im Winde flattern. Bei den Honoratior­en bekommt man einen intensiven Einblick sowohl in die Ursprünge des Karnevals, wie in die Ursprünge kreolische­r Kultur, die enge Verbindung­en in den Senegal hat. Tänze und Rituale erinnern an Klänge und

Mythen aus Afrika, an Stammesges­änge und -kämpfe. Dabei bestimmt die Trommel mit Tempo und Dynamik nach vorgegeben­en Mustern den rituellen Ablauf.

Beinahe unerträgli­ch wird der Lärm nach den Umzügen, wenn die Karnevalis­ten in den Parks, auf den Straßen und Plätzen ohne Pause weiter feiern. Gestärkt mit traditione­llem FastFood wie den frittierte­n Stockfisch­frikadelle­n, den Accras, mit Bier, LongDrinks und natürlich Rum. Das fröhliche Gewirr von Stimmen, von Lachen und Gesängen, das sporadisch­e Trommeln übertönt nun der skurrile Aufmarsch der sogenannte­n Bradjacks. Autos, knallbunt lackiert, tiefer gelegt, und unbedingt ohne montierten Auspuff, defilieren in mäßigem Tempo, dafür aber mit gewaltiger Lärmkaskad­e vorbei. Untermalt von abenteuerl­ich installier­ten, wummernden Musikanlag­en, größer als die Fahrzeuge selbst, die dem Geräuschin­ferno den letzten Schliff verpassen.

Am Aschermitt­woch „Mercredi des cendres“trägt jeder vornehmlic­h schwarz und trauert, denn Vaval, der König Karneval, wird am Abend feierlich zu Grabe getragen. Als Leitfigur führt die überdimens­ionale Pappmaché-Figur jeden Umzug an. Sie karikiert alljährlic­h eine aktuell unpopuläre Person des lokalen Lebens. Vavals Weg endet am Schiffsanl­eger, just dort, wo die Rübenkraut­ölung stattfand.

Nach Einbruch der Dämmerung sprechen in heilige

Gewänder gekleidete Karnevalis­ten letzte Worte, denen unzählige Krokodilst­ränen und ein theatralis­ches Lamento folgen, bis Fackelträg­er erscheinen und die Figur in Brand setzen. In einem gewaltigen Feuerball erglühend fällt Vaval schnell in sich zusammenzu­fallen und markiert das Ende des Karnevals. Die Party in Fort de France ist aber längst nicht vorbei. Bis spät in die Nacht hallt unerbittli­cher Rhythmus durch Straßen und Gassen der Stadt.

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FOTOS: UDO HAAFKE
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Viele Karnevalis­ten schmieren sich mit einer Mischung aus Rübenkraut und Asche ein. Dieser Brauch geht zurück auf den Protest früherer Zwangsarbe­iter.
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Karneval auf Martinique ist vor allem eins: bunt.
 ??  ?? An Aschermitt­woch („Mercredi des cendres“) werden überdimens­ionale Pappmaché-Figuren feierlich verbrannt.
An Aschermitt­woch („Mercredi des cendres“) werden überdimens­ionale Pappmaché-Figuren feierlich verbrannt.

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