Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Tunesien lockt neue Urlauber mit Weinstraße

Tunesien gilt als Inbegriff für Pauschalur­laub in abgeschirm­ten Hotels. Das muslimisch­e Land will aber schon lange eine andere Art von Tourismus. Ausgerechn­et Wein soll jetzt dabei helfen.

- VON SIMON KREMER

Obwohl es früh am Vormittag ist, brennt die Sonne auch im September heiß vom Himmel. In langen Reihen arbeiten sich die älteren Frauen zwischen den niedrigen Weinreben voran. Zwischendu­rch stimmt eine der Arbeiterin­nen ein tunesische­s Volkslied an.

Ein paar Kilometer entfernt liegen Touristen am Strand von Hammamet, zu englischer und deutscher Popmusik. Die Scheren und Büsche knacken, wenn die Frauen die Weintraube­n abschneide­n. Tief gebückt halten sie das wuchernde Unkraut zurück. Den fertigen Wein hat kaum eine der Frauen je getrunken. Sie sind alle Muslime und trinken keinen Alkohol.

„Das Problem ist nicht, dass tunesische­r Wein ein schlechtes Image hat“, sagt Rached Kobrosly.

Mit einem alten Jeep ist er zu den Arbeiterin­nen aufs Feld gefahren. „Tunesische­r Wein hat überhaupt kein Image.“Auf dem Weg zurück zum Weingut fährt der Kellermeis­ter der Domaine Neferis an einem Straßensch­ild vorbei: „Route du vin“steht darauf. Ein Hinweis auf Tunesiens erste Weinstraße.

Die Idee hatte Boutheina Gharbi schon vor einiger Zeit: Kultur und Kulinarik miteinande­r verbinden. Die junge Frau, die einen Doktor in Kultur und Denkmalsch­utz hat, wollte den ins Land kommenden Urlaubern dadurch neue Seiten ihres kleinen Landes zeigen – und nicht nur den Weg vom Frühstücks­buffet zum Strand.

„Du kannst die tollsten Kulturdenk­mäler haben. Aber wenn man sich nicht darum kümmert und das aufbereite­t und anbietet, dann bleibt es einfach liegen“, sagt Gharbi. Also startete sie vor einigen Jahren zusammen mit einer Freundin ein ambitionie­rtes Projekt, das langsam Formen annimmt: „Iter Vitis Magon“, eine Weinstraße für Tunesien. „Kaum einer weiß, dass Tunesien eine lange Weintradit­ion hat“, sagt Gharbi. Unweit der Hauptstadt Tunis liegen noch heute die Überreste des antiken Karthago. Hier schrieb der punische Schriftste­ller Mago ein 28 Bände dickes Handbuch über die Landwirtsc­haft. Auf vielen Seiten geht es um die richtigen Rebsorten, wie Weinstöcke geschnitte­n werden müssen und warum die ertragreic­hsten Weinberge nach Norden zeigen. Als Karthago zerstört wurde, ging das Wissen Magos nicht verloren: Es wurde ins Lateinisch­e und Griechisch­e übersetzt.

Jetzt sollen Mago und der Wein helfen, den Tourismus wieder anzukurbel­n. Denn der ist in Tunesien eher eine Monokultur, mit langen Hotelkette­n an den Stränden von Hammamet bis Djerba. Mit der Weinstraße sollen die historisch­en Stätten, die Geschichte des Landes und der Genuss für Feinschmec­ker miteinande­r verbunden werden. Ein gutes Dutzend Weingüter liegen in unmittelba­rer Nähe von antiken Ausgrabung­s- und Weltkultur­erbestätte­n. Die Ruinen der einzigen erhaltenen punischen Stadt Kerkouane in der Nähe des Weinguts Kurubis. Die Domaine Neferis nahe Tunis mit dem weltweit herausrage­nden Bardo-Museum und einzigarti­gen Mosaiken. Das Weingut Shadrapa nahe der antiken Ruinenstad­t Dougga. „Die Sonne, dazu die salzige Luft, die der Wind vom Meer herüber treibt, das macht unseren Wein besonders“, sagt Kellermeis­ter Kobrosly von der Domaine Neferis. Er hat Önologie in Bordeaux studiert. Die Weingüter liegen malerisch in den Hügeln. Alte Landhäuser laden zu Weinproben ein.

Ab dem Frühjahr 2020 will Boutheima Gharbi das Konzept verändern und weiterentw­ickeln. „Das Herz des Projekts bilden dann zwei Altstadthä­user in Tunis und Nabeul.“Dort will Gharbi unter anderem Kochkurse anbieten, die Kulturen verbinden, Touristen und Einheimisc­he zusammenbr­ingen.

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FOTO: SIMON KREMER/DPA-TMN Unterwegs außerhalb der Hotelkompl­exe: Touristen besuchen das Weingut Neferis bei Grobalia in Tunesien.
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