Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Psychologie boomt
Das Fach ist gefragt wie nie. Wer es studiert, kann sich für unterschiedliche Berufsfelder qualifizieren.
MÜNSTER Die Zahl der Psychologie-Studierenden an den deutschen Hochschulen hat sich im Zeitraum von 2005 bis 2015 weit mehr als verdoppelt – und das trotz hoher Zulassungsvoraussetzungen. Ein Abitur mit einem Spitzenschnitt von 1,0 bis 1,3 muss haben, wer einen der begehrten Plätze ergattern will. Und dennoch ist Psychologie etwa an der Uni Münster das begehrteste Fach: Auf keinen anderen Studiengang bewerben sich dort so viele Studieninteressierte wie auf den Bachelor in Psychologie. 5428 Bewerbungen gingen in Münster für das aktuelle Wintersemester ein – auf gerade mal 141 Plätze. Auf einen Platz kamen also 38,5 Bewerber – der Spitzenwert für alle Fächer an der Universität.
Diesen Andrang können alle deutschen Hochschulen mit Psychologie-Angebot bestätigen: Bundesweit boomt das Fach und ist mit knapp 80.000 Studierenden eines der zehn gefragtesten Studienfächer in Deutschland. Doch warum lockt die Psychologie Tausende Abiturienten an die Hochschulen? Zum einen sei sie eine faszinierende Wissenschaft, da sie sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten befasse, zum anderen locke der attraktive Arbeitsmarkt, so die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Birgit Spinath. „Ein Psychologie-Studium eröffnet viele Arbeitsfelder rund um die Themen Gesundheit, Arbeit, Bildung und natürlich in Forschung und Lehre.“
Und tatsächlich ist die Arbeitslosenquote von Psychologieabsolventen mit rund 2,4 Prozent sehr niedrig. Neben psychotherapeutischen Tätigkeiten in Praxen und Kliniken finden Absolventen zunehmend Stellen in der Wirtschaft, in wachsenden Bereichen wie dem Arbeitsund Gesundheitsschutz oder der Personalauswahl und -entwicklung. Mehr und mehr arbeiten Psychologen auch in Behörden und Einrichtungen der Öffentlichkeit als Schul-, Verkehrs-, Umwelt- oder Rechtspsychologen.
Für Guido Hertel, Dekan des Fachbereichs Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Münster, geht die starke Nachfrage nach psychologischen Kompetenzen vor allem auch auf die aktuellen Herausforderungen in der Gesellschaft zurück. „Die Technisierung, die demografische Entwicklung und der Klimawandel führen zu neuen Anforderungen im Beruf und Alltag. Experten aus der Psychologie können die Menschen im Umgang mit diesen Veränderungen unterstützen und für hohe Effizienz und psychisches Wohlergehen sorgen“, sagt er.
Die Bologna-Reform mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse machte denn auch eine Reform des bisherigen Psychologie-Diploms nötig, die jüngst von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde. Das fünfjährige Studium führt nach wie vor zu einer Approbation in Psychotherapie. Dazu eröffnet zunächst ein Bachelorstudiengang Psychologie (B.Sc. Psychologie) durch sein breites Lehrangebot allen Studierenden weiterhin den Weg zu unterschiedlichen Studiengängen und Berufsfeldern.
Diejenigen, die an Psychotherapie interessiert sind, müssen aber insbesondere klinisch-psychologische Inhalte vertiefen, wenn sie sich in der Folge auf den Masterstudiengang Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie bewerben und mit ihrem Studium die Approbation in Psychotherapie erwerben wollen. Diejenigen, die sich für andere Bereiche der Psychologie interessieren, zum Beispiel für Wirtschaftspsychologie, Pädagogische Psychologie oder auch Kognitionspsychologie, können diese Bereiche in anderen Masterstudiengängen der Psychologie vertiefen.
Das Bewerbungsverfahren für die Bachelor-Studiengänge Psychologie ist bundesweit nicht einheitlich: Für die NRW-Hochschulen muss man sich beispielsweise zentral bewerben (im Internet unter www. hochschulstart.de), die Universitäten Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen und Ulm führen ab dem Wintersemester 2020/2021 ein neues Studierendenauswahlverfahren ein, das einen Test beinhaltet. Für die Psychologie-Master bewirbt man sich später direkt an der jeweiligen Universität.
Eine, die einen der begehrten Plätze für Psychologie an der Uni Münster erhalten hat, ist Lea Rieping. „Besonders zu Beginn meines Studiums habe ich gemerkt, dass meine Kommilitonen durchweg leistungsorientiert waren und sich die Topnoten aus der Schule auch in den Studienleistungen fortgesetzt haben. Da machte der Leistungsdruck auch vor einem selbst nicht Halt“, berichtet sie. Dennoch haben sich die Mühen ihrer Meinung nach gelohnt. „Ich habe in meinem Studium viel für meine spätere berufliche Laufbahn gelernt, beispielsweise mich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen und mir selbstständig Theorien und Methoden anzueignen.“