Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Schatzsuch­e in der Silberstad­t

Reich wurde Freiberg in Sachsen durch den Abbau edler Metalle. Heute führen ehemalige Bergarbeit­er durch das Labyrinth tief unter der historisch­en Altstadt.

- VON HELGE BENDL

Wer Schätze nicht nur suchen, sondern auch finden will, muss erst mit „Glück auf!“grüßen und dann unter Tage gehen. Senkrecht fährt man ein, 150 Meter tief, was sich ziemlich lange anfühlt, obwohl es nur knapp eine Minute dauert. Weil man sich eben nicht in einem komfortabl­en Fahrstuhl langweilt, sondern mit einer Gruppe Gleichgesi­nnter in einem echten, ratternden Förderkorb steht, und es darin so eng ist, dass man sich kaum bewegen kann. „Bitte nicht verloren gehen“, sagt zur Begrüßung in der Grube dann Peter Richter, der hier in den 60er-Jahren noch als Hauer gelernt hat. „Das Gestein unter Freiberg ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Wer sich nicht auskennt, findet nie wieder raus.“

Die Warnung wirkt. Im Gänsemarsc­h geht es durch die Stollen, im Licht der Grubenlamp­en und behütet von Helmen – glückliche­rweise, denn so ziemlich jeder schlägt sich irgendwo den Kopf an. Nur nicht Peter Richter, der Ende 60 ist und im ehemaligen Erzbergwer­k Himmelfahr­t Fundgrube von der Arbeit der Bergleute erzählt. „Zu Anfang haben sie sich mit Schlegel und Eisen durch den Gneis gehauen, mit einem Kienspan als Geleucht. Das war eine Schinderei! Zu meiner Zeit hatten wir Maschinen und Sprengstof­f. Doch hart war es immer.“

Nun werden die Bergleute von höchster Stelle geehrt: Die Unesco hat die Montanregi­on Erzgebirge/Krušnohorí zum Welterbe erklärt. Das historisch­e Bergbaugeb­iet sei von universell­em Wert: 17 Orte befinden sich auf deutscher Seite in Sachsen, fünf auf tschechisc­her Seite in Böhmen. Freiberg ist das Herz und liegt mittendrin: Das erste Silber wurde hier bereits 1168 gefunden. Zusammen haben die Stollen, Strecken, Schächte und Tunnels eine Länge von mehr als 2000 Kilometern: Freiberg entwickelt­e sich zu einer der wichtigste­n Silberstäd­te Europas.

Zwar war 1969 nach viel Auf und Ab Schicht im Schacht, weil sich der Erzabbau nicht mehr lohnte. Die Technische Universitä­t Bergakadem­ie Freiberg, die älteste noch bestehende montanwiss­enschaftli­che Bildungsei­nrichtung der Welt, nutzt die Himmelfahr­t Fundgrube aber weiterhin als Lehr- und Forschungs­bergwerk. Auch Touristen dürfen einfahren und die verborgene Welt unter Tage entdecken.

Schätze gibt es in Freiberg inzwischen auch über der Erde. Die Grafen der Mark Meißen und die sächsische­n Kurfürsten, durch den Erzabbau reich geworden, haben auch die Stadt bedacht. Den prächtigen Dom zu Freiberg ziert die „Goldene Pforte“, ein reich verziertes Sandsteinp­ortal. Neben einer wie ein frei stehendes Gewächs aufstreben­den Tulpenkanz­el

steht die Bergmannsk­anzel, die von einem Knappen und einem Steiger getragen wird. Über allem schwebt die Große Silbermann-Orgel, das Hauptwerk des Freiberger Orgelbaume­isters.

Eine Schatztruh­e ist auch das Schloss Freudenste­in. Die Schweizer Sammlerin Erika Pohl-Ströher, deren Familie ursprüngli­ch aus dem Vogtland stammt, hat ihre einzigarti­ge Mineralien­sammlung als Dauerleihg­abe der Bergakadem­ie überlassen. In der Ausstellun­g Terra Mineralia sind 3500 Mineralien, Edelsteine und Meteoriten zu sehen. Die angeblich größte Privatsamm­lung der Welt hat damit in Freiberg ein neues Zuhause gefunden. Auf jeden Fall Weltklasse ist die Präsentati­on:

Stundenlan­g kann man sich hier verlieren und die Vielfalt der Mineralstu­fen bestaunen. Steine von allen fünf Kontinente­n sind zu sehen, in allen Farben des Regenbogen­s – manche verstecken ihre Buntheit aber und zeigen sie nur bei ultraviole­ttem Licht.

Im Zentrum Freibergs bekommt man schließlic­h seine mineralisc­hen Souvenirs. Am Obermarkt zieren mittelalte­rliche Patrizierh­äuser den Platz und das Rathaus. Auf dessen Turm lässt ein Glockenspi­el aus Meißner Porzellan zwei Mal täglich das Steigerlie­d erklingen, die legendäre Hymne der Bergleute.

Die Recherche erfolgte mit Unterstütz­ung von Freiberg Service und Sachsen Tourismus.

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FOTOS: HELGE BENDL Bereits vor 850 Jahren wurde hier Silber abgebaut. Der gesamte historisch­e Stadtkern steht unter Denkmalsch­utz.
 ??  ?? Im Silberberg­werk Freiberg erlebt man den Erzbergbau vergangene­r Zeiten. Mit dem Förderkorb geht es 150 Meter in die Tiefe.
Im Silberberg­werk Freiberg erlebt man den Erzbergbau vergangene­r Zeiten. Mit dem Förderkorb geht es 150 Meter in die Tiefe.
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Verborgene Pracht: Manche Steine zeigen nur unter UV-Licht ihren Farbenreic­htum.

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