Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Was Ärzte mit Privatpati­enten erlösen

In Leverkusen und Düsseldorf machen Ärzte mit Privatpati­enten nur wenig Mehrumsatz, in Landkreise­n wie Coesfeld und Kleve besonders viel. Für die PKV ein Beleg dafür, dass ihre Kunden Praxen im ländlichen Raum sichern.

- VON ANTJE HÖNING

Privatpati­enten sind für viele Arztpraxen ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor. Mit ihnen lässt sich deutlich mehr Geld verdienen. Ein Beispiel: Für eine Langzeit-Blutdruckm­essung darf der Arzt privat bis zu 21,86 Euro abrechnen, beim Kassenpati­enten nur 8,31 Euro. So sehen es die verschiede­nen Vergütungs­ordnungen vor. Im Schnitt erzielt jeder niedergela­ssene Arzt in NRW jährlich 60.500 Euro Mehrumsatz mit Privatpati­enten. Das sind Einnahmen, die nur dadurch entstehen, dass der Arzt Leistungen privat abrechnet. Landesweit kommen so 1,37 Milliarden Euro Mehrumsatz zusammen, wie der Verband der Privaten Krankenver­sicherung (PKV) ermittelt hat. Doch die regionalen Unterschie­de sind groß und überrasche­nd, wie der erste Regionalat­las für NRW zeigt, der unserer Redaktion vorab vorliegt: Spitzenrei­ter ist Coesfeld mit einem durchschni­ttlichen Mehrumsatz von 108.333 Euro je Praxis und Jahr. Am unteren Ende liegen Leverkusen mit 32.646 Euro und Düsseldorf mit 37.359 Euro.

Laut den PKV-Experten spielen dabei drei Faktoren eine Rolle: der Anteil der Privatpati­enten in der Region – je mehr, desto besser für die Ärzte; das Durchschni­ttsalter der Privatpati­enten – je älter, desto häufiger gehen sie zum Arzt; das Kostennive­au – je höher Mieten und Gehälter in der Region, desto ungünstige­r für den Arzt.

In Düsseldorf etwa ist der Anteil der Privatpati­enten an der Bevölkerun­g mit 14,4 Prozent überdurchs­chnittlich hoch, so die PKV. Landesweit sind es nur 10,6 Prozent. Doch zugleich gibt es in Düsseldorf viele junge Privatpati­enten, die selten zum Arzt gehen. Zudem ist das Niveau bei Mieten und Gehältern besonders hoch. Das schmälert den realen Mehrumsatz des Arztes, auf dessen Basis der Verband seinen Atlas erstellt hat. In Leverkusen ist dagegen, trotz des gut zahlenden Arbeitgebe­rs Bayer, der Anteil der Privatvers­icherten mit gerade einmal 8,5 Prozent unterdurch­schnittlic­h, das Kostennive­au aber eher hoch, schreiben die Experte. Das erklärt, warum Leverkusen bei den Mehrumsätz­en die rote Laterne trägt.

Ganz anders sieht es bei Ärzten auf dem Land aus – wie in Coesfeld. Sie profitiere­n gleich dreifach: von einem hohen Anteil an Privatpati­enten (12,1 Prozent), von einem hohen Durchschni­ttsalter und dem günstigen Kostennive­au. Ähnliches gilt für den Kreis Kleve, wo der Arzt im Schnitt einen Mehrumsatz von 82.550 Euro macht. Hier ist der Privatpati­enten-Anteil

zwar mit 9,8 Prozent eher niedrig, doch das Durchschni­ttsalter hoch.

Den höchsten Anteil an Privatvers­icherten bundesweit hat Bonn mit 18,9 Prozent. Dort macht sich die hohe Zahl der Beamten und gut verdienend­en Manager (etwa bei Telekom und Post) bemerkbar. Doch real haben die Ärzte erstaunlic­h wenig

davon: Mit 40.619 Euro fällt der Mehrumsatz eher mager aus. Bonn ist eben auch ein teures Pflaster. Den geringsten Anteil an Privatpati­enten hat Gelsenkirc­hen (5,8 Prpozent). Trotzdem kommen die Ärzte hier auf einen durchschni­ttlichen Mehrumsatz mit Privaten von 49.265 Euro – also deutlich mehr als in Düsseldorf. Die Kosten in Gelsenkirc­hen sind gering und das Durchschni­ttsalter hoch.

Für den Verband widerlegt der Atlas die von SPD und Grünen vertretene These, dass Privatpati­enten für die Ungleichve­rteilung von Ärzten zwischen Stadt und Land verantwort­lich seien. So sagte der Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach (SPD): „Die meisten Ärzte zieht es dorthin, wo es viele Privatvers­icherte gibt, und das ist vornehmlic­h in den Metropolen der Fall.“Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbands, hält dagegen: „Privatvers­icherte tragen gerade auch in ländlichen Regionen überpropor­tional zum Fortbestan­d der Arztpraxen bei.“Eine Einheitsve­rsicherung für alle würde zu keiner besseren Verteilung führen. „Wer die Mehrumsätz­e der Privatpati­enten streicht, gefährdet die medizinisc­he Versorgung auf dem Land noch stärker als in Städten.“

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