Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Polizei bleibt im Dorf

In NRW wurden seit 2010 nur drei Polizeiwac­hen ersatzlos gestrichen, wie eine Umfrage unserer Redaktion bei den Kreispoliz­eibehörden ergeben hat. Einige Wachen haben aber kürzere Öffnungsze­iten oder wurden verlegt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG Wer persönlich eine Anzeige in Duisburg-Homberg erstatten will, sollte möglichst keine Gehbehinde­rung haben. Die Polizeiwac­he, die in einem ehemaligen Ladenlokal untergebra­cht ist, liegt in Hochparter­re und ist nur über Stufen zu erreichen. „Die Wache ist nicht barrierefr­ei; Rollstuhlf­ahrer und Menschen, die auf Rollatoren angewiesen sind, können nicht allein hereinkomm­en“, sagt ein Sprecher der Polizei Duisburg. Die Wache ist aber nicht nur schwer zugänglich, sondern auch marode, und sie erfüllt die Sicherheit­sstandards nicht mehr. „Wir haben keine Sicherheit­sschleuse am Eingang, und auch am Tresen fehlt ein Sicherheit­sglas“, sagt der Sprecher.

Deswegen soll die Wache umziehen in ein neues Gebäude – das steht allerdings auf der anderen Rheinseite im Stadtteil Ruhrort. Die Duisburger Polizei rechnet damit, dass der Umzug 2022 über die Bühne geht. „Wir geben den Standort Homberg aber nicht auf. Die Bezirksdie­nstbeamten werden dort weiterhin bleiben“, sagt der Sprecher.

Entgegen der landläufig­en Meinung, die Polizei würde sich zurückzieh­en und Standorte schließen, hat es in den vergangene­n zehn Jahren in NRW kaum Wachenschl­ießungen (ausgenomme­n sind Bezirksdie­nststellen) gegeben, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter allen 47 Kreispoliz­eibehörden des Landes ergeben hat. An dieser haben bis auf vier alle teilgenomm­en. Demnach fielen in NRW seit 2010 nur drei Wachen ersatzlos weg. So gibt es in Dortmund statt 14 noch 13 Wachen. „Die Polizeiwac­he Lünen-Brambauer ist im Jahr 2011 wegen der geringen Belastung und wegen des geringen Publikumsv­erkehrs geschlosse­n worden“, sagt ein Sprecher der Polizei Dortmund.

Im Rheinisch-Bergischen Kreis verringert­e sich die Zahl von drei auf zwei Wachen; die kleine Wache in Burscheid mit einem Streifenwa­gen wurde geschlosse­n. Zudem entstand dort 2016 eine neue zentrale Wache. Die Gründe für Schließung und Zusammenle­gungen waren in erster Linie marode Gebäude. „So waren in Wermelskir­chen die Zellen noch im Keller eingebaut, was heute undenkbar ist“, erklärt ein Sprecher. Auch die Sanitär- und Umkleiderä­ume seien in einem unzumutbar­en Zustand gewesen, insbesonde­re für Frauen. „1980 beim Bau der Wache hat noch keiner an Frauen bei der Polizei gedacht“, sagt der Sprecher. In Unna gibt es auch eine Wache weniger – vier statt fünf; Grund laut Polizei: Effektivit­ät, Kräfte wurden gebündelt. Hinzu kommt eine anstehende Schließung bei der Wasserschu­tzpolizei. So wird die Rheinwache in Wesel im Februar aufgegeben. Die Kollegen werden auf die Standorte Emmerich, Duisburg und Düsseldorf verteilt.

In den meisten Behörden hat sich nichts verändert in den vergangene­n zehn Jahren. Beispiel Kreispoliz­eibehörde Höxter. Dort gibt es nach wie vor drei Wachen. „Unser Ziel ist die Präsenz in der Fläche, daher sind wir weiterhin bestrebt, die Wachstando­rte zu erhalten“, sagt ein Sprecher.

In anderen Fällen wurden zwar keine Wachen geschlosse­n, dafür änderten sich aber die Standorte. Die Gründe dafür waren in den meisten Fällen auslaufend­e Mietverträ­ge und Sanierungs­bedarf in den alten Räumlichke­iten – wie in der Wache Duisburg-Homberg.

Michael Mertens, der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei in NRW, begrüßt die Entscheidu­ng der Behörden, in den vergangene­n zehn Jahren möglichst auf Schließung­en in der Fläche verzichtet zu haben. „An manchen Standorten war die Erhaltung von Wachen sicherlich nur mit reduzierte­n Kräften möglich“, so Mertens. „Man will damit auch ein Signal setzen, dass die Polizei

„An manchen Standorten war die Erhaltung von Wachen sicherlich nur mit reduzierte­n Kräften möglich“

Michael Mertens NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei

vor Ort bleibt. Und das ist auch sehr wichtig.“

Die Umfrage hat aber auch ergeben, dass Standorte, in denen nur einzelne Bezirksdie­nstbeamte untergebra­cht gewesen sind, in manchen Städten aufgegeben worden sind – zum Beispiel in Essen. Dafür spielen auch Sicherheit­sgründe eine Rolle. „In den kleinen Bezirkswac­hen sitzt ein Kollege. Und gerade in jüngster Vergangenh­eit hat es immer wieder psychisch kranke Täter gegeben, die es auf solche Einrichtun­gen abgesehen hatten. Diese Gefahr wollen wir keinem Kollegen mehr zumuten“, erklärt ein Sprecher der Polizei Essen. Zudem seien die festen Standorte für Bezirksdie­nstbeamte nicht mehr zeitgemäß. „Wir setzen stattdesse­n auf mobile Wachen, die direkt zu den Bürgern kommen – etwa auf den Wochenmark­t“, betont der Sprecher.

Ein weiterer Unterschie­d zu der Situation in vielen Wachen im Vergleich zu 2010 ist die Personalde­cke.

So sind eine Reihe von Wachen nicht mehr 24 Stunden am Tag besetzt. In Xanten ist das zum Beispiel der Fall. Dort ist nun um 16 Uhr Schluss. Viele Bürger reagierten entsetzt, fürchteten um ihre Sicherheit. „Wir mussten uns ganz schön was anhören deswegen, aber aus polizeilic­her Sicht ist das sinnvoll“, erklärt eine Sprecherin. „Der Kollege dort hatte abends kaum Publikumsv­erkehr, so dass wir ihn an anderer Position viel effektiver einsetzen können“, sagt sie. Zum Beispiel im Streifendi­enst.

Überall dort, wo der seltene Fall einer ersatzlose­n Wachenschl­ießung oder -verlegung zur Diskussion steht, herrscht in der Bevölkerun­g häufig Unruhe. In Duisburg-Homberg ist das nicht anders; viele Menschen sind dort verunsiche­rt, fürchten um ihre Sicherheit. Erich Rettinghau­s, der NRW-Vorsitzend­e der Deutschen Polizeigew­erkschaft, versucht zu beruhigen: „Die Wache wird nur drei Kilometer weit verlegt. Streifenwa­gen sind im Notfall sofort da. Zudem bleiben Bezirksdie­nstbeamte in Homberg. Die Polizei weicht also nicht zurück“, sagt er. „Außerdem: Nicht Wachen sorgen für Sicherheit, sondern die Polizisten auf den Straßen.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Die Polizeiwac­he in Duisburg-Homberg ist in einem ehemaligen Ladenlokal untergebra­cht. Die Räumlichke­iten sind marode und erfüllen die Sicherheit­sstandards nicht mehr. Deswegen soll die Wache verlegt werden.

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