Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Keine Lucke-Vorlesung ohne Sicherheitsdienst
Drei Monate sind seit den Protesten gegen die Rückkehr von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke an die Uni Hamburg vergangen. Ärger gibt es nicht mehr.
HAMBURG (dpa) Die wilden Szenen in einem Hamburger Hörsaal vor drei Monaten lösten eine Debatte über Meinungsfreiheit aus: Hunderte Demonstranten verhinderten mit Sprechchören die erste Vorlesung von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke nach seiner Rückkehr an die Universität. Lucke wurde als „Nazischwein“beschimpft, angerempelt und mit Papierkugeln beworfen. An diesem Mittwoch hält Lucke nun die letzte Vorlesung im Wintersemester.
Die Aufregung scheint sich gelegt zu haben. Es stehen keine Demonstranten
mehr vor dem Physik-Saal, in den Luckes Vorlesung nach den Vorfällen auf dem Hauptcampus und einer Bombendrohung verlegt worden war. „Wir hatten in den letzten Wochen keine Störungen mehr“, sagt ein Polizeisprecher. Deshalb hätten sich die Beamten weitgehend zurückgezogen. Doch nach wie vor ist privates Sicherheitspersonal im Einsatz. Die Studierenden müssen ihre Ausweise am Eingang zeigen. Es wird überprüft, ob sie angemeldet sind. „Normalität ist insofern noch nicht wieder eingekehrt, als es nach wie vor Sicherheitsvorkehrungen gibt“, sagt Lucke auf Anfrage.
Allein die Ausgaben für den privaten Sicherheitsdienst belaufen sich nach Angaben der Universität von Mitte Januar auf mehr als 100.000 Euro. „Die Universität legt größten Wert darauf, sich auch insbesondere aus dem medialen Raum keinerlei Vorwürfen auszusetzen, die Wissenschaftsfreiheit von Herrn Prof. Lucke nicht gewährleistet zu haben“, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen. „Diesem Ziel haben sich finanzielle Erwägungen unterzuordnen.“Lucke sagt, er sei dafür, „die Sicherheitsmaßnahmen jetzt zu beenden. Irgendwann muss man ja doch ausprobieren, was passiert.“
Wie es im Sommersemester weitergeht, ist noch nicht klar. Die Aufteilung der Lehrveranstaltungsthemen unter den Lehrenden obliege der Fakultät, die dies nach fachlichen Gesichtspunkten entscheide. Nach derzeitigem Stand werde Lucke sowohl Seminare als auch Vorlesungen im Wahlpflichtbereich geben.
Der Volkswirtschaftler Lucke war 2013 als Euro-Kritiker maßgeblich an der Gründung der AfD beteiligt. 2014 ließ er sich von der Uni Hamburg beurlauben, um als Abgeordneter ins EU-Parlament einzuziehen. 2015 verließ er die Partei, nachdem er im Streit um eine stärker nationalkonservative Ausrichtung als Parteichef abgewählt worden war. Später forderte Lucke die gemäßigten Mitglieder auf, Rechtsextremen in ihren Reihen die Stirn zu bieten. Als er den Wiedereinzug ins Europaparlament verpasste, kehrte Lucke 2019 an die Universität zurück.
Nach Angaben von Lucke sitzen aktuell rund 100 Studierende in seiner Vorlesung. „Ich finde ihn als Professor gut“, sagt Studentin Emelie. Deshalb werde sie auch weiterhin seine Veranstaltungen besuchen. Ein Kommilitone, der seinen Namen nicht nennen will, sagt: „Wir reden ja nicht über Politik.“