Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Herzkranke Mutter kämpft um Kita-Plätze
REMSCHEID Vor sechs Jahren suchte die herzkranke Sema Var für ihre damals zweieinhalbjährige Tochter Nisa dringend einen Kita-Platz. „Damals hatte ich das Jugendamt angerufen und binnen einer Woche eine Zusage“, erinnert sich die 33-Jährige. Seither haben sich die Zeiten in den Kindertageseinrichtungen dramatisch geändert.
Es fehlen Plätze. Viele Eltern gehen leer aus. Auch Sema Var zählt dazu. Für ihre Zwillinge Ela und Erva bemüht sie sich intensiv, aber vergeblich. Dreieinhalb Jahre sind die
Mädchen alt. Einen Kita-Platz haben sie nicht, obwohl sie ihre Mutter schon mit sechs Monaten erstmals über das Internetportal „Little Bird“auf die Liste setzte. Immer wieder gab es Ablehnungen. Bei zehn Kitas trug sich Familie Var für das kommende Kita-Jahr 2020/21 ein. Mittlerweile erhielt sie sieben Absagen, nur noch bei drei Einrichtungen ist sie in der Warteschleife. Es sind schwere Zeiten für die junge Mama, die kurz vor einer zweiten, großen Operation in Berlin steht. Sema Var hat einen angeborenen Herzklappenfehler, der in ihrer Jugend festgestellt wurde. Mit ihrer chronischen
Herzinsuffizienz war die Remscheiderin bereits 2012 im Leipziger Herzzentrum zu einer Mitralklappen-Rekonstruktion. Seit dem Eingriff lebt sie mit Medikamenten und vielen Einschränkungen. Zwischenzeitlich erlitt sie einen Herzinfarkt, kämpft bis heute mit Atemproblemen, Schwindel, Müdigkeit, Herzrasen, Bauchschmerzen und Panikattacken. Ihre Zwillinge zu betreuen, ist oft nicht möglich, ihren Haushalt führt sie nur mit Einschränkungen. Im Mai 2019 wurde Sema Var offiziell eine 60-prozentige Behinderung bestätigt. Die 33-Jährige hat eine Pflegestufe.
Nun steht die Familie vor der nächsten Herausforderung. Am 8. April bekommt Sema Var im Deutschen Herzzentrum Berlin eine mechanische Herzklappe eingesetzt. Dafür wird sie mindestens 14 Tage nicht zu Hause sein. „Und die Ärzte haben mir gesagt, dass es mir danach erst mal nicht so gut gehen wird.“Die Risiko-OP vor Augen kommt die Mutter nur wenig zur Ruhe. Gerade um ihre beiden Jüngsten sorgt sie sich. Vater Nizami und ihre sieben Schwestern helfen im Alltag, wo sie können. Ein Kita-Ersatz sind sie nicht. Sema Var ist verzweifelt. „Warum andere Eltern bevorzugt werden, verstehe ich nicht, schließlich bin ich doch ein Notfall.“
Zwischenzeitlich suchte sie anwaltlichen Rat, wandte sich im Januar schriftlich an die Spitze der Stadtverwaltung. Thomas Neuhaus kennt ihre E-Mail. Der Sozialdezernent kann nichts garantieren, versicherte aber: „Wir geben alles, was wir können, um für sie Kita-Plätze zu finden, gerade bei dieser Vorgeschichte.“Peter Nowack, Kita-Koordinator im Jugendamt, bestätigt, dass der Fall geprüft wird. Bei der Suche nach einer Lösung könnte eine Zusage der Kitas helfen, für 2020/21 enger zusammenzurücken und mit 150 Überbelegungen zusätzliche Plätze zu schaffen. Die städtischen Einrichtungen werden 80 zusätzliche Plätze schaffen, weitere 70 entstehen bei den freien Trägern. Der Jugendhilfeausschuss stimmte jüngst zu, dass die freien Träger, die „Kinder in kritischen und in familiären (Not-)situationen“in Überbelegung aufnehmen, einen einmaligen, freiwilligen Pauschalbetrag von 500 Euro erhalten. Bis Ende Februar, so Nowack, wird Sema Var die Nachricht erhalten, ob eine der Kitas, in der sie sich in der Warteschleife befindet, Ela und Erva aufnehmen wird.