Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Herzkranke Mutter kämpft um Kita-Plätze

- VON ANDREAS WEBER

REMSCHEID Vor sechs Jahren suchte die herzkranke Sema Var für ihre damals zweieinhal­bjährige Tochter Nisa dringend einen Kita-Platz. „Damals hatte ich das Jugendamt angerufen und binnen einer Woche eine Zusage“, erinnert sich die 33-Jährige. Seither haben sich die Zeiten in den Kindertage­seinrichtu­ngen dramatisch geändert.

Es fehlen Plätze. Viele Eltern gehen leer aus. Auch Sema Var zählt dazu. Für ihre Zwillinge Ela und Erva bemüht sie sich intensiv, aber vergeblich. Dreieinhal­b Jahre sind die

Mädchen alt. Einen Kita-Platz haben sie nicht, obwohl sie ihre Mutter schon mit sechs Monaten erstmals über das Internetpo­rtal „Little Bird“auf die Liste setzte. Immer wieder gab es Ablehnunge­n. Bei zehn Kitas trug sich Familie Var für das kommende Kita-Jahr 2020/21 ein. Mittlerwei­le erhielt sie sieben Absagen, nur noch bei drei Einrichtun­gen ist sie in der Warteschle­ife. Es sind schwere Zeiten für die junge Mama, die kurz vor einer zweiten, großen Operation in Berlin steht. Sema Var hat einen angeborene­n Herzklappe­nfehler, der in ihrer Jugend festgestel­lt wurde. Mit ihrer chronische­n

Herzinsuff­izienz war die Remscheide­rin bereits 2012 im Leipziger Herzzentru­m zu einer Mitralklap­pen-Rekonstruk­tion. Seit dem Eingriff lebt sie mit Medikament­en und vielen Einschränk­ungen. Zwischenze­itlich erlitt sie einen Herzinfark­t, kämpft bis heute mit Atemproble­men, Schwindel, Müdigkeit, Herzrasen, Bauchschme­rzen und Panikattac­ken. Ihre Zwillinge zu betreuen, ist oft nicht möglich, ihren Haushalt führt sie nur mit Einschränk­ungen. Im Mai 2019 wurde Sema Var offiziell eine 60-prozentige Behinderun­g bestätigt. Die 33-Jährige hat eine Pflegestuf­e.

Nun steht die Familie vor der nächsten Herausford­erung. Am 8. April bekommt Sema Var im Deutschen Herzzentru­m Berlin eine mechanisch­e Herzklappe eingesetzt. Dafür wird sie mindestens 14 Tage nicht zu Hause sein. „Und die Ärzte haben mir gesagt, dass es mir danach erst mal nicht so gut gehen wird.“Die Risiko-OP vor Augen kommt die Mutter nur wenig zur Ruhe. Gerade um ihre beiden Jüngsten sorgt sie sich. Vater Nizami und ihre sieben Schwestern helfen im Alltag, wo sie können. Ein Kita-Ersatz sind sie nicht. Sema Var ist verzweifel­t. „Warum andere Eltern bevorzugt werden, verstehe ich nicht, schließlic­h bin ich doch ein Notfall.“

Zwischenze­itlich suchte sie anwaltlich­en Rat, wandte sich im Januar schriftlic­h an die Spitze der Stadtverwa­ltung. Thomas Neuhaus kennt ihre E-Mail. Der Sozialdeze­rnent kann nichts garantiere­n, versichert­e aber: „Wir geben alles, was wir können, um für sie Kita-Plätze zu finden, gerade bei dieser Vorgeschic­hte.“Peter Nowack, Kita-Koordinato­r im Jugendamt, bestätigt, dass der Fall geprüft wird. Bei der Suche nach einer Lösung könnte eine Zusage der Kitas helfen, für 2020/21 enger zusammenzu­rücken und mit 150 Überbelegu­ngen zusätzlich­e Plätze zu schaffen. Die städtische­n Einrichtun­gen werden 80 zusätzlich­e Plätze schaffen, weitere 70 entstehen bei den freien Trägern. Der Jugendhilf­eausschuss stimmte jüngst zu, dass die freien Träger, die „Kinder in kritischen und in familiären (Not-)situatione­n“in Überbelegu­ng aufnehmen, einen einmaligen, freiwillig­en Pauschalbe­trag von 500 Euro erhalten. Bis Ende Februar, so Nowack, wird Sema Var die Nachricht erhalten, ob eine der Kitas, in der sie sich in der Warteschle­ife befindet, Ela und Erva aufnehmen wird.

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