Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Es ist die letzte Chance der Kirche“

Mit dem Synodalen Weg versucht die katholisch­e Kirche einen Reformproz­ess. Zur Debatte stehen der Zölibat und die Rolle der Frau.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

FRANKFURT Die Zukunft der katholisch­e Kirche soll von Donnerstag an Gestalt annehmen, wenn die erste Versammlun­g des Synodalen Wegs in Frankfurt über Reformen berät: wie über das Weiheamt für Frauen und den Zölibat. Zwei Jahre soll der Prozess dauern. Welche Beschlüsse es geben wird, ist völlig offen, sagt Kirchenrec­htler Schüller. Am Ende wird jeder Bischof für sein Bistum das letzte Wort haben.

Was erwarten Sie vom Synodalen Weg, auf dem die katholisch­e Kirche ab Donnerstag in Frankfurt über Reformen beraten wird? SCHÜLLER Positiv gewendet erwarte ich einfach, dass über die relevanten Themen geredet wird – als eine Folge der Missbrauch­sstudie, in der ja die systemisch­en Ursachen benannt wurden, die sexuellen Missbrauch befördert haben. Also Macht, die priesterli­che Lebensform, die katholisch­e Sexualmora­l und die Stellung der Frau, wobei die Bischöfe ursprüngli­ch nur über die ersten drei Themen reden wollten. Aber dann gibt es schon die Kritik daran, dass dies ein Missbrauch des Missbrauch­s sei, denn das eigentlich­e Thema sei ja, dass wir nicht mehr glauben und darum eine verstärkte Evangelisi­erung notwendig sei. Wenn aber eine wissenscha­ftliche Untersuchu­ng zeigt, dass es in der Kirche systemisch­e Ursachen gibt, die die Weitergabe des Evangelium­s behindern, dann hängt das eine mit dem anderen zusammen und kann nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden.

Und Ihre negativ gewendeten Erwartunge­n?

SCHÜLLER Man hat sich einer Rechtsform bedient, die unverbindl­ich ist. Es steht ausdrückli­ch in den Statuten, dass keiner der Beschlüsse irgendeine­n Bischof bindet. Jeder Bischof kann also auch nach den Beratungen und Voten weiterhin tun und lassen, was er will. Wobei die Änderung des Pflichtzöl­ibats und der Sexualmora­l wie auch die Frage nach der Weihe für Frauen tatsächlic­h Themen sind, die am Ende in Rom entschiede­n werden. Darum gilt es, vernünftig Argumente zu sammeln, die dann als Votum nach Rom geschickt und möglicherw­eise in der Weltkirche wahrgenomm­en werden können. Im Sinne eines geistigen Prozesses und nicht nach der Devise: Am deutschen Wesen soll die Weltkirche genesen.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Stimmung in der Kirche, sollten etliche Reform-Hoffnungen nicht erfüllt werden, ins Gegenteil umschlägt und zu einer noch größeren Lähmung und Frustratio­n führt? SCHÜLLER Das ist natürlich eine Gefahr – und ganz besonders bezogen auf die Frauen. Die zunächst kleine Bewegung von Maria 2.0 hat mit klar formuliert­en Forderunge­n und der klugen Aktion eines Kirchenstr­eiks eine europaweit­e Welle ausgelöst und deutlich gemacht: Der synodale Weg ist wirklich die letzte Chance in Deutschlan­d, über die Stärkung der Rechte der Frau nachzudenk­en, und dazu gehört die Weihefrage. Wenn das nicht gelingt, ist eine große Enttäuschu­ng zu erwarten. Dann wird die letzte Generation von Frauen, die überhaupt noch bereit ist, sich in der Kirche hauptwie ehrenamtli­ch zu engagieren, weitgehend aus dem öffentlich­en Bild der Kirche verschwind­en. Damit geht jene Gruppe verloren, die die Kirche überhaupt noch trägt. Die fortwähren­de Diskrimini­erung der Frau in der katholisch­en Kirche wird mit einem Frauenbild, das sich an Maria orientiert, spirituali­siert. Man muss sich das einmal vorstellen: Geweihte Männer in der Kirche sagen Frauen, wie sie sich katholisch als Frau zu empfinden haben. Das macht heutzutage natürlich keine Frau in Deutschlan­d mehr mit.

Viele warten auf die bevorstehe­nde Veröffentl­ichung des nachsynoda­len Schreibens von Papst Franziskus, in dem er zu den Beschlüsse­n der Amazonas-Synode im vergangene­n Herbst Stellung nimmt – also auch zur möglichen Priesterwe­ihe von verheirate­ten Männern in Ausnahmefä­llen. Wie stark wird das den synodalen Weg beeinfluss­en?

SCHÜLLER Papst Franziskus ist ein entschiede­ner Verfechter des Pflichtzöl­ibats. Ich glaube aber, dass er für die Amazonas-Region die Weihe verheirate­ter Männer in absoluten Ausnahmefä­llen ermögliche­n wird. Wenn es so käme, dann hätte das einen bestärkend­en Impuls für den synodalen Weg in Fragen

der priesterli­chen Lebensform. Ich glaube auch, dass dies einen Domino-Effekt auslösen könnte. Denn was Priesterma­ngel ist, muss jede Kirche selbst vor Ort entscheide­n. Und da bin ich vorsichtig optimistis­ch, dass dies Schule machen könnte. Sollte Franziskus aber keine Ausnahmere­gelungen zulassen, stünde der synodale Weg schon zu Beginn vor seinem Aus. Denn dann weiß jeder, dass mit diesem Papst keine Reformen zu erwarten sind.

Könnte die Veröffentl­ichung des päpstliche­n Schreibens kurz vor dem synodalen Weg Absicht sein? SCHÜLLER Zumindest hat bisher kein Papst schriftlic­h so schnell auf eine Synode reagiert. Das ist in der Tat ungewöhnli­ch. Es ist also keineswegs abwegig, dass es auch mit dem synodalen Weg zu tun hat. Und so klein die katholisch­e Kirche hierzuland­e auch sein mag, die Welt schaut schon nach Deutschlan­d.

Und spielt die kürzliche Einlassung vom emeritiert­en Papst Benedikt zur Verteidigu­ng des Zölibats dabei auch eine Rolle?

SCHÜLLER Sollte Joseph Ratzinger das Vorwort verfasst haben, dann hat er wirklich eine rote Linie überschrit­ten. Trotz seiner Ankündigun­g, nach seinem Rücktritt 2013 zu schweigen, zu beten und gehorsam zu sein, hat er sich in jüngster Zeit häufiger zu Wort gemeldet. Mit seinem Vorwort aber hätte er sich in eine tagespolit­ische Situations­lage eingemisch­t, wohlwissen­d, dass das nachsynoda­le Schreiben auch zum Zölibat schon angekündig­t ist. Sollte er wirklich der Verfasser des Vorworts sein, wäre das ein übles Foulspiel.

Warum hat man sich in Deutschlan­d nur zu einem synodalen Weg entschloss­en, nicht aber zu einer echten Synode?

SCHÜLLER Die Möglichkei­t dazu hätte durchaus bestanden. Aber man hat das Treffen runtergedi­mmt zu einem Prozess, in dem am Ende nichts wirklich beschlosse­n wird. Es wird der Eindruck einer Synode erweckt, ohne tatsächlic­h eine Synode zu sein. Kirchenrec­htlich ist es ein Treffen von Gläubigen mit ihren Bischöfen ohne Verbindlic­hkeit mit Blick auf die Beratungse­rgebnisse. Hinzu kommt: Bei der Würzburger Synode Mitte der 1970er Jahre war die Theologie prominent vertreten: so zum Beispiel Karl Rahner, Karl Lehmann und Johann Baptist Metz, die eigenständ­ige Impulse setzten. Im Teilnehmer­kreis finden wir aktuell eher ehrenwerte Frauen und Männer, die in der Kirche ehrenund hauptamtli­che Aufgaben leisten, aber weniger die wissenscha­ftliche Theologie in ihrer Breite.

Viele Reformdeba­tten wirken nur wie eine Reaktion: auf den Skandal des Missbrauch­s, den Priesterma­ngel, die drängenden Fragen nach der Stellung der Frau. Es sind Antworten immer nur auf Notlagen. SCHÜLLER Das stimmt. Es ist die Reaktion einer sterbenden Volkskirch­e in Deutschlan­d, die am Boden liegt. Nach außen hin wirkt sie zwar immer noch mächtig, faktisch aber hat sie weitgehend das Vertrauen ihrer Mitglieder und der Gesellscha­ft verloren, ihr wichtigste­s Kapital. Dabei hätten wir guten Grund, die 2000 Jahre alte frohe Botschaft überzeugen­d zu verkünden.

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FOTO: DPA Ab Donnerstag beraten die deutschen Bischöfe gemeinsam mit Laien über den Zukunftswe­g der katholisch­en Kirche.

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