Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Bundeswehr soll das Ikea-Prinzip beherzigen

Der Wehrbeauft­ragte legt seinen neuen Mängelberi­cht vor, benennt haarsträub­ende Probleme und empfiehlt Änderungen beim Einkauf.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Wo immer Hans-Peter Bartels im vergangene­n Jahr die Bundeswehr besucht hat, er hörte immer dasselbe Klagelied: zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie. Die Truppe komme trotz mehrerer eingeleite­ter „Trendwende­n“nicht entscheide­nd voran, so der Wehrbeauft­ragte und SPD-Politiker des Bundestage­s im mittlerwei­le fünften Mängelberi­cht, den er am Dienstag vorgelegt hat. Bartels berichtet von einer Truppe, die unter anderem ein Problem hat: Die Bundeswehr ist überorgani­siert, wie Bartels in Gesprächen mit Soldatinne­n

und Soldaten aller Dienstgrad­e erfahren hat. Er verlangt eine „innere Reform“, ohne die die Trendwende­n nicht zu schaffen seien.

Am Grad der Selbstverw­altung, an den umständlic­hen und zeitrauben­den Antragsver­fahren verzweifel­n längst viele Soldaten. So habe ihm der Stab eines fliegenden Verbandes geschriebe­n: „Der strikte Prozessvol­lzug ist wichtiger geworden als das Ziel, ausgebilde­te Besatzunge­n mit einsatzber­eiten Luftfahrze­ugen für den Einsatz bereitzust­ellen.“Wenn Bartels hört, dass beispielsw­eise Panzergren­adiere, statt mit ihrem Schützenpa­nzer zu üben, aus ihrem Ersatzgerä­t, einem

VW Bully des Bundeswehr-Fuhrparkse­rvices, aussteigen, kann er nur den Kopf schütteln: „So tun als ob“– das müsse Grenzen haben. „Im Einsatz muss schließlic­h die echte Technik beherrscht werden.“

Bartels moniert, dass es laut Ministeriu­m bisher nicht gelungen sei, „die materielle Einsatzber­eitschaft der Hauptwaffe­nsysteme deutlich zu verbessern“. Die Bundeswehr müsse seit Jahren Aufgaben erfüllen, für die sie erst 2031 vollständi­g aufgestell­t und ausgerüste­t sein soll: für die Bündnisver­teidigung in Europa wie auch für etwa ein Dutzend „Out-of-Area-Einsätze“außerhalb des Nato-Gebietes.

Dazu wären nach Bartels’ Überzeugun­g „100 Prozent“Gerät, Waffen, Munition und persönlich­e Ausstattun­g bei sicherer Einsatzber­eitschaft erforderli­ch. Davon sei die Bundeswehr „aber noch weit entfernt“. 2023 soll gerade mal eine Brigade des Heeres (von bisher siebeneinh­alb) voll ausgestatt­et sein, 2027 eine ganze Division (drei Brigaden), 2031 dann drei Divisionen. Auch bei der Personalge­winnung hapert es. Die Bewerberza­hl 2019 sei die zweitschle­chteste gewesen seit Aussetzung der Wehrpflich­t 2011.

Bartels zitiert den Hauptfeldw­ebel einer ABC-Abwehrtrup­pe, den der Zustand der deutschen Streitkräf­te an den Film erinnere: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“Grünen-Verteidigu­ngsexperte Tobias Lindner betont, der Mängelberi­cht lese sich „in weiten Teilen wie eine Kopie des Vorjahres und zeichnet ein niederschm­etterndes Bild über den Zustand der Truppe“.

Bartels plädiert nun dafür, dass die Bundeswehr bei Beschaffun­gen weniger umständlic­h agiert und künftig mehr direkt einkaufen geht. Darüber hinaus plädiert er für das „Ikea-Prinzip: aussuchen, bezahlen und mitnehmen!“Es müsse nicht alles Design sein, wenn es beispielsw­eise um neue Kampfstief­el gehe. Oder um Unterwäsch­e.

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FOTO: DPA Einer von vielen Problemfäl­len: der Hubschraub­er „Tiger“.

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