Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Ende der Kompromiss­e

Donald Trump legt einen neuen Plan für den Nahostkonf­likt vor. Er würde Israel grünes Licht zu weitreiche­nden Annexionen geben.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Kronleucht­erglanz im East Room, dem Prunksaal des Weißen Hauses. Gemeinsame Pressekonf­erenz mit Benjamin Netanjahu, dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten. Mit einer feierliche­n Inszenieru­ng im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump einen Nahostplan vorgestell­t, den er selber zum „Deal des Jahrhunder­ts“erklärt hat. Es beginnt, wie so oft, wenn Trump im Scheinwerf­erlicht steht, mit einer gehörigen Prise Selbstlob. „Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkei­ten abzugeben oder großen Problemen auszuweich­en“, sagt er, bevor er von einem 80-Seiten-Plan spricht, der detaillier­ter sei als jeder frühere Vorschlag der Vereinigte­n Staaten.

Als ein Mann, der etwas von Deals verstehe, biete er „faktenbasi­erte“Lösungen für komplexe Probleme an, an denen seine Vorgänger im Amt allesamt gescheiter­t seien. Ein „Win-win“mit beiden Seiten als Sieger, so charakteri­siert er den – federführe­nd von seinem Schwiegers­ohn Jared Kushner ausgearbei­teten – Vorschlag. Für die Palästinen­ser, sagt der US-Präsident noch, könnte es die letzte Chance sein, ihren eigenen Staat zu gründen.

Es ist das erste Mal, dass eine amerikanis­che Regierung auf Landkarten markiert, wo im Falle einer Friedensre­gelung die Grenze verlaufen soll. Demnach unterstütz­t das Weiße Haus den israelisch­en Anspruch

„Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkei­ten abzugeben“

auf Teile des besetzten Westjordan­lands. De facto bekommt Israel grünes Licht, sowohl das gesamte Jordantal zu annektiere­n als auch andere Gebiete der West Bank, auf denen seit dem Sechstagek­rieg von 1967 jüdische Siedlungen gebaut worden sind, vor allem die Region rund um Jerusalem. An die Palästinen­ser soll es dafür zwei Sektoren an der ägyptische­n Grenze abtreten, beide südlich des Gazastreif­ens am Rande der Negev-Wüste gelegen. Israel erhalte, so formuliert es Netanjahu, eine Ostgrenze, die es tatsächlic­h verteidige­n könne. Trumps Amtsvorgän­ger hatten noch darauf beharrt, dass sich israelisch­es Staatsgebi­et – im Zuge eines potenziell­en Gebietsaus­tauschs hier und da mit Korrekture­n – auf jene Grenzen beschränke­n muss, wie sie vor der Eroberung des Westjordan­lands vor gut einem halben Jahrhunder­t bestanden.

Jerusalem soll komplett unter israelisch­er Hoheit bleiben, während den Palästinen­sern eine symbolisch­e Präsenz im arabischen Ostteil der Stadt zugestande­n wird – auch dafür verwendete Trump das Wort Hauptstadt. Die USA, stellte er in Aussicht, würden dort womöglich einst eine Botschaft ansiedeln. In Landstrich­en, die dem eventuelle­n Staat Palästina vorbehalte­n sind, soll sich bis 2024 nichts am Status quo ändern: Israel darf dort vier Jahre lang keine neuen Siedlungen errichten.

Die Palästinen­ser, bemerkt Trump eher lakonisch, hätten damit vier

Donald Trump

Jahre Zeit, über seinen Vorschlag nachzudenk­en. Auf dem Weg zu einer „realistisc­hen Zweistaate­nlösung“, wie er seinen Ansatz charakteri­siert, müssten sie allerdings bestimmte Voraussetz­ungen erfüllen. Dazu gehöre es, den Terrorismu­s klar zu verurteile­n und ohne Wenn und Aber das Existenzre­cht Israels anzuerkenn­en.

Anders als frühere Präsidente­n strebt Trump keine Kompromiss­e mehr an, die es zumindest einigen Palästinen­sern erlauben würden, in Städte oder Dörfer zurückzuke­hren, die sie oder ihre Vorfahren 1948 im Zuge der Gründung des Staates Israel verlassen mussten. Anders als sie verzichtet er offenbar auch darauf, sich für eine Entschädig­ung für die damals Geflohenen und Vertrieben­en beziehungs­weise deren Nachkommen einzusetze­n. Das palästinen­sische Flüchtling­sproblem, kommentier­t Netanjahu diesen Teil des Plans, „muss außerhalb des Staates Israel gelöst werden“.

Trump hatte sowohl Netanjahu als auch dessen Rivalen Benny Gantz eingeladen, um zu feiern, was er eine „historisch­e Stunde“nannte. Dafür, dass er sich dann allein mit dem Regierungs­chef ins Prachtambi­ente des East Room stellte, erntete er allerdings pointierte­n Widerspruc­h. Kritiker sprechen von kaum bemäntelte­r Wahlkampfh­ilfe für den Likud-Politiker, der trotz einer Korruption­saffäre aus der Parlaments­wahl am 2. März als Sieger hervorgehe­n will. Trump muss sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, er wolle nur von einem Impeachmen­t-Prozess ablenken, der nicht unbedingt, wie noch vor wenigen Tagen angenommen, mit seiner baldigen Entlastung endet. Nach brisanten Enthüllung­en seines ehemaligen Sicherheit­sberaters John Bolton gewinnt die Forderung nach Vernehmung zusätzlich­er Zeugen an ZUspruch, was zumindest bedeutet, dass sich das Verfahren noch länger hinziehen kann.

Allein das Datum der Präsentati­on sage alles, was man wissen müsse, meint Jeremy Ben-Ami, der Vorsitzend­e von J Street, einer linksliber­alen pro-israelisch­en Lobbygrupp­e, die einer Zweistaate­nlösung verpflicht­et ist. „Wenn man es ernst meint, ist dies nicht der Tag, an dem der komplizier­teste Konflikt der Welt gelöst werden kann.“Von einem Friedenspl­an im herkömmlic­hen Sinne könne keine Rede sein. Schon deshalb nicht, weil Trump nicht einmal den Versuch unternomme­n habe, zwischen Israelis und Palästinen­sern zu vermitteln.

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FOTO: AP Zwei, die sich verstehen: US-Präsident Donald Trump (l.) und Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu am Dienstag im Weißen Haus.

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