Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Das Ende der Kompromisse
Donald Trump legt einen neuen Plan für den Nahostkonflikt vor. Er würde Israel grünes Licht zu weitreichenden Annexionen geben.
WASHINGTON Kronleuchterglanz im East Room, dem Prunksaal des Weißen Hauses. Gemeinsame Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu, dem israelischen Ministerpräsidenten. Mit einer feierlichen Inszenierung im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump einen Nahostplan vorgestellt, den er selber zum „Deal des Jahrhunderts“erklärt hat. Es beginnt, wie so oft, wenn Trump im Scheinwerferlicht steht, mit einer gehörigen Prise Selbstlob. „Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkeiten abzugeben oder großen Problemen auszuweichen“, sagt er, bevor er von einem 80-Seiten-Plan spricht, der detaillierter sei als jeder frühere Vorschlag der Vereinigten Staaten.
Als ein Mann, der etwas von Deals verstehe, biete er „faktenbasierte“Lösungen für komplexe Probleme an, an denen seine Vorgänger im Amt allesamt gescheitert seien. Ein „Win-win“mit beiden Seiten als Sieger, so charakterisiert er den – federführend von seinem Schwiegersohn Jared Kushner ausgearbeiteten – Vorschlag. Für die Palästinenser, sagt der US-Präsident noch, könnte es die letzte Chance sein, ihren eigenen Staat zu gründen.
Es ist das erste Mal, dass eine amerikanische Regierung auf Landkarten markiert, wo im Falle einer Friedensregelung die Grenze verlaufen soll. Demnach unterstützt das Weiße Haus den israelischen Anspruch
„Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkeiten abzugeben“
auf Teile des besetzten Westjordanlands. De facto bekommt Israel grünes Licht, sowohl das gesamte Jordantal zu annektieren als auch andere Gebiete der West Bank, auf denen seit dem Sechstagekrieg von 1967 jüdische Siedlungen gebaut worden sind, vor allem die Region rund um Jerusalem. An die Palästinenser soll es dafür zwei Sektoren an der ägyptischen Grenze abtreten, beide südlich des Gazastreifens am Rande der Negev-Wüste gelegen. Israel erhalte, so formuliert es Netanjahu, eine Ostgrenze, die es tatsächlich verteidigen könne. Trumps Amtsvorgänger hatten noch darauf beharrt, dass sich israelisches Staatsgebiet – im Zuge eines potenziellen Gebietsaustauschs hier und da mit Korrekturen – auf jene Grenzen beschränken muss, wie sie vor der Eroberung des Westjordanlands vor gut einem halben Jahrhundert bestanden.
Jerusalem soll komplett unter israelischer Hoheit bleiben, während den Palästinensern eine symbolische Präsenz im arabischen Ostteil der Stadt zugestanden wird – auch dafür verwendete Trump das Wort Hauptstadt. Die USA, stellte er in Aussicht, würden dort womöglich einst eine Botschaft ansiedeln. In Landstrichen, die dem eventuellen Staat Palästina vorbehalten sind, soll sich bis 2024 nichts am Status quo ändern: Israel darf dort vier Jahre lang keine neuen Siedlungen errichten.
Die Palästinenser, bemerkt Trump eher lakonisch, hätten damit vier
Donald Trump
Jahre Zeit, über seinen Vorschlag nachzudenken. Auf dem Weg zu einer „realistischen Zweistaatenlösung“, wie er seinen Ansatz charakterisiert, müssten sie allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre es, den Terrorismus klar zu verurteilen und ohne Wenn und Aber das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
Anders als frühere Präsidenten strebt Trump keine Kompromisse mehr an, die es zumindest einigen Palästinensern erlauben würden, in Städte oder Dörfer zurückzukehren, die sie oder ihre Vorfahren 1948 im Zuge der Gründung des Staates Israel verlassen mussten. Anders als sie verzichtet er offenbar auch darauf, sich für eine Entschädigung für die damals Geflohenen und Vertriebenen beziehungsweise deren Nachkommen einzusetzen. Das palästinensische Flüchtlingsproblem, kommentiert Netanjahu diesen Teil des Plans, „muss außerhalb des Staates Israel gelöst werden“.
Trump hatte sowohl Netanjahu als auch dessen Rivalen Benny Gantz eingeladen, um zu feiern, was er eine „historische Stunde“nannte. Dafür, dass er sich dann allein mit dem Regierungschef ins Prachtambiente des East Room stellte, erntete er allerdings pointierten Widerspruch. Kritiker sprechen von kaum bemäntelter Wahlkampfhilfe für den Likud-Politiker, der trotz einer Korruptionsaffäre aus der Parlamentswahl am 2. März als Sieger hervorgehen will. Trump muss sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, er wolle nur von einem Impeachment-Prozess ablenken, der nicht unbedingt, wie noch vor wenigen Tagen angenommen, mit seiner baldigen Entlastung endet. Nach brisanten Enthüllungen seines ehemaligen Sicherheitsberaters John Bolton gewinnt die Forderung nach Vernehmung zusätzlicher Zeugen an ZUspruch, was zumindest bedeutet, dass sich das Verfahren noch länger hinziehen kann.
Allein das Datum der Präsentation sage alles, was man wissen müsse, meint Jeremy Ben-Ami, der Vorsitzende von J Street, einer linksliberalen pro-israelischen Lobbygruppe, die einer Zweistaatenlösung verpflichtet ist. „Wenn man es ernst meint, ist dies nicht der Tag, an dem der komplizierteste Konflikt der Welt gelöst werden kann.“Von einem Friedensplan im herkömmlichen Sinne könne keine Rede sein. Schon deshalb nicht, weil Trump nicht einmal den Versuch unternommen habe, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln.