Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kleinmünze­n sollen verschwind­en

Die Abschaffun­g der Ein- und Zwei-Cent-Münzen gehört zum Arbeitspro­gramm der neuen EU-Kommission, das deren Chefin Ursula von der Leyen am Mittwoch präsentier­en will. Doch wie steht die Bargeldrep­ublik Deutschlan­d zu den Plänen?

- VON MARKUS GRABITZ UND BIRGIT MARSCHALL

BRÜSSEL/BERLIN Einige Euro-Mitgliedsl­änder machen es bereits: Bei Barkäufen an der Supermarkt­kasse wird auf Fünf- oder Zehn-Cent-Beträge gerundet. Mitgliedst­aaten und Händler können so Kosten sparen. Gilt das bald überall? Stehen Einund Zwei-Cent-Münzen vor dem Aus? Die EU-Kommission könnte den Mitgliedst­aaten in einem ersten Schritt zur Abschaffun­g der kleinsten Kupfermünz­en einheitlic­he Rundungsre­geln bei Bareinkäuf­en vorschlage­n. Dies sieht der Entwurf für das Arbeitspro­gramm der neuen EU-Kommission vor, das die Kommissare am Mittwoch beschließe­n wollen. Ob und wann der letzte Euro-Cent geprägt wird, kann aber noch niemand voraussage­n. Einem entspreche­nden Vorschlag der Kommission müssten die Mitgliedst­aaten mehrheitli­ch zustimmen.

In Irland, Italien, Belgien und den Niederland­en wird an der Kasse bei Barzahlung gerundet. Drei-, Vier-, Acht- und Neun-Cent-Beträge auf dem Kassenzett­el werden aufgerunde­t, die anderen Beträge abgerundet. Dies gilt in Belgien aber nicht bei Kartenzahl­ung. Bei der wird weiter der genaue Cent-Betrag abgerechne­t. Händler nehmen die Ein- und Zwei-Cent-Münzen noch an, aber aus den Portemonna­ies der Käufer verschwind­en sie allmählich.

Die Kommission könnte vorschlage­n, dass diese Rundungsre­geln in der gesamten Währungsun­ion gelten – und stößt dabei auf Widerstand. Der CSU-Europa-Abgeordnet­e Markus Ferber beispielsw­eise wittert einen Anschlag Brüssels auf das Zahlen mit Bargeld. Und die

Bundesbank ist auch nicht gerade begeisiter­t: Vorstandsm­itlgied Johannes Beermann sagte unserer Redaktion: „Die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in Deutschlan­d wollen Banknoten und Münzen benutzen. Bisher werden laut unserer jüngsten Studie zum Zahlungsve­rhalten in Deutschlan­d drei von vier Transaktio­nen an der Ladenkasse mit Bargeld abgewickel­t. Solange der Handel mit Preisen von 98 oder 99 Cent arbeitet, haben Kleinmünze­n ihre Berechtigu­ng.“In den Preisen spiegele sich auch die Wertschätz­ung der Bevölkerun­g für Bargeld insgesamt und damit auch für jeden einzelnen Cent wider, so Beermann. Es gebe genug Menschen, die mit jedem Cent rechnen und auf jeden Cent achten müssten: „Ein- und Zwei-CentStücke haben somit durchaus ihre Berechtigu­ng.“

In der deutschen Politik gibt es dagegen genug Befürworte­r. Florian Toncar, finanzpoli­tischer Sprecher der FDP-Fraktion: „Ich bin dafür, die unnützen kleinen Münzen abzuschaff­en. Man kann ja fast alles auch in Fünf-Cent-Abständen bepreisen. Ich finde es lästig, wenn ich bei 1,99 Euro für ein Brötchen immer einen Cent zurückbeko­mme. Das verlangsam­t den gesamten Bezahlproz­ess. Und die Händler müssen sich ständig mit kleinstem Kleingeld eindecken, um die Differenz herausgebe­n zu können.“Auf seiner Linie argumentie­rt auch Eckhardt Rehberg, Chefhaushä­lter

der Unionsfrak­tion im Bundestag: „Ich persönlich hätte nichts dagegen, die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abzuschaff­en. Die

kosten sind höder her als Wert der Münzen. Und bei mir liegen die Münzen in der Regel nutzlos herum.“Den Staaten, die zum Euro-Raum gehören und Ein- und Zwei-Centbisher Münzen prägen, entstünden bei einer Abschaffun­g auf jeden Fall geringere Kosten. Seit 2002 werden zunehund mehr Ein- Zweimend Cent-Stücke geprägt. Laut Europäisch­er Zentralban­k (EZB) ist der Anteil der kleinsten aller geprägten Euromünzen zwischen 2002 und 2017 von 35 auf 48 Prozent gestiegen. Laut EU-Kommission entfielen auf jeden Bürger in der Union im Schnitt früher 145 dieser Münzen, Ende 2018 waren es bereits 181. Gleichzeit­ig kann sich die EU-Kommission sicher sein, bei den Abschaffun­gsplänen viele Bürger auf ihrer Seite zu haben. So haben sich beim Eurobarome­ter 2017 in fast allen Mitgliedst­aaten die Bürger mehrheitAb­schaflich für eine fung der kleinen Münzen ausgesproc­hen und für gesetzlich­e Rundungsre­geln. LePortugal diglich in Lettland und gab es damals größere Sympathien für die Beibehaltu­ng. Sogar die Deutschen, die in der EU als größte Verfechter des Barzahlens gelten, waren zu 64 Prozent für die Abschaffun­g. Wie das mit der Tatsache zusammenpa­sst, dass viele Deutsche dennoch gern mit Bargeld zahlen, ist eine andere Frage. Alles eine Frage der Gruppe, die man fragt.

 ?? FOTOS: IMAGO IMAGES | MONTAGE: A. PODTSCHASK­E ??
FOTOS: IMAGO IMAGES | MONTAGE: A. PODTSCHASK­E

Newspapers in German

Newspapers from Germany