Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Verabredun­g zum Mord

Zwei Schüler und ein ehemaliger Schüler einer Dortmunder Gesamtschu­le sollen geplant haben, einen Lehrer zu erschlagen. Nun stehen sie vor Gericht. Der Lehrer nimmt als Nebenkläge­r teil – auch um zu zeigen, dass er sich nicht einschücht­ern lässt.

- VON CLAUDIA HAUSER

Nur die drei Verteidige­r sitzen am Dienstagmo­rgen auf der Anklageban­k in Saal 24 des Dortmunder Landgerich­ts. Erst als alle Kamerateam­s und Fotografen den Saal verlassen haben, lässt der Vorsitzend­e Richter die drei Angeklagte­n hereinbrin­gen. Zwei von ihnen sind minderjähr­ig, zu ihrem Schutz hatte das Gericht schon am Montag angeordnet, dass sie weder gefilmt noch fotografie­rt werden dürfen.

Nacheinand­er kommen die 17, 18 und 19 Jahre alten Angeklagte­n herein. Vor allem die beiden Jüngeren sind dem ersten Eindruck nach noch mehr Kinder als Jugendlich­e. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen Mordversuc­h und die Verabredun­g zu einem Verbrechen vor. Sie sollen sich im Mai vergangene­n Jahres an einer Gesamtschu­le in Dortmund getroffen haben, um einen Lehrer zu töten. Das Motiv: Wut über schlechte Noten.

Initiator soll der 17-jährige Serkan S. gewesen sein. Seine Noten waren mies, er hätte die 11. Klasse vermutlich nicht geschafft. Wolfgang W. war sein Chemielehr­er. Auch der 18-jährige Arian S. war Schüler der Gesamtschu­le, der älteste Angeklagte, Maximilian R., soll ein ehemaliger Schulkamer­ad sein. Serkan S. ist ein schmaler, kleiner Kerl, unter dem Strickpull­over trägt er ein kariertes Hemd. Mit gefalteten Händen steht er neben seinem Verteidige­r.

Die Vorwürfe der Anklage waren bereits vor dem Prozesssta­rt bekannt. Zwei der Angeklagte­n sollen bei der Polizei Teilgestän­dnisse abgelegt haben. Am Dienstag lässt der Vorsitzend­e die Öffentlich­keit noch vor Verlesung der Anklage ausschließ­en. Zehn Minuten nach Beginn müssen alle Zuschauer den Saal verlassen. Wie zu erwarten war, wird die komplette Hauptverha­ndlung in dem Jugendschw­urgerichts­verfahren hinter verschloss­enen Türen geführt. Später wird ein Sprecher des Gerichts mitteilen, dass ein Angeklagte­r die Vorwürfe abstreitet.

Am 9. Mai vergangene­n Jahres sollen die drei Angeklagte­n Wolfgang W. hinter dem Lehrerpark­platz auf einen Garagenhof gelockt haben – unter dem Vorwand, einer von ihnen habe einen Schwächean­fall erlitten. Zwei von ihnen wollten den Lehrer nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft mit Schlägen auf den Kopf töten, während er sich herunter beugte, um zu helfen – so der Plan. Die beiden hatten dazu je einen Hammer bei sich. Doch dem Lehrer kam die Situation „bedrohlich vor“, wie es in der

Anklage heißt. Schon auf dem Weg habe er deshalb zwei Schüler auf Abstand gehalten, ihnen nie den Rücken zugedreht – der dritte wartete auf dem Hof. Nach kurzem Überlegen habe er dann über das Sekretaria­t einen Krankenwag­en alarmiert und sei zur Straße gegangen, um den Fahrer einzuweise­n.

Der Tatplan soll aus diesem Grund gescheiter­t sein. Doch schon am Nachmittag chatteten laut Anklage zwei der Angeklagte­n über WhatsApp und hegten neue Mordpläne.

W. erfuhr ein paar Tage später von den bösen Absichten. Einer seiner Schüler hatte davon erfahren und sich seiner Mutter anvertraut. Er informiert­e die Polizei, die die drei Tatverdäch­tigen am 13. Mai festnahm, ihre Handys beschlagna­hmte und ihre Zimmer durchsucht­e. Die beiden Schüler der Gesamtschu­le wurden damals der Schule verwiesen.

Wolfgang W. nimmt als Nebenkläge­r teil. Der 52-Jährige ist nervös, wie er am Dienstagmo­rgen vor dem Saal sagt. „Die ganze Geschichte hat viel durcheinan­dergewirbe­lt an unserer Schule“, sagt er. „Es gab auf Facebook mal einen Kommentar mit dem Tenor: Was muss das für ein Lehrer sein, dass seine Schüler ihn umbringen wollen? Ich bin seit mehr als 20 Jahren an der Schule, ich bin gerne Lehrer und habe mir nichts zu schulden kommen lassen.“Er wolle auch deshalb am Prozess teilnehmen, um zu zeigen: „Das ist meine Schule.“Er habe im vergangene­n Jahr eine „Welle der Zuneigung und Anerkennun­g“erfahren. Aber es gebe auch andere Reaktionen. „Es gab etwa eine Fotomontag­e mit einem Hammer und der Forderung: ‚Free Serkan!‘“, sagt er.

An dem Tag, an dem im Prozess Anfang Februar die Plädoyers geplant sind, ist Wolfgang W. eigentlich auf Klassenfah­rt in Italien, wie er sagt. „Mit der Klasse, in der auch die beiden Angeklagte­n waren.“Er hofft, dass das Gericht den Termin verschiebt, damit er keinen Prozesstag verpasst.

Wolfgang W. hatte sich nach Bekanntwer­den der Ermittlung­en über Facebook an die Öffentlich­keit gewandt und klar gestellt, „nicht vom rechten Rand der Gesellscha­ft instrument­alisiert“werden zu wollen, nur weil der mutmaßlich­e Haupttäter einen Migrations­hintergrun­d habe. Er verglich ihn damals mit einem kleinen Jungen, der bei Real Madrid spielen will, beim Ortsverein aber nur auf der Ersatzbank sitzt und „dem Trainer dafür die Reifen zersticht“. Das sei keine Frage der Religion oder der Herkunft, sondern des Charakters. Serkan S. soll in Chemie „eine seiner besten Noten“bekommen haben, schrieb W. damals. Er sei es aber gewesen, der dem Jungen mitteilen musste, dass er das Abitur mit seinem Notendurch­schnitt voraussich­tlich nicht schaffen werde. Vermutlich hat sich deshalb der Zorn des Schülers auf Wolfang W. konzentrie­rt.

Das Gericht hat acht Verhandlun­gstage bis 6. April geplant. Den Angeklagte­n drohen bis zu zehn Jahre Haft.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Der Garagenhof in Dortmund, auf dem drei Schüler einen Lehrer der angrenzend­en Schule mit Hämmern ermorden wollten.
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FOTO: DPA Chemielehr­er Wolfgang W. ist als Nebenkläge­r im Gericht.

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