Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Die Welt muss in Alarmberei­tschaft sein“

Zunächst verbreitet­e sich das neuartige Coronaviru­s nur in der chinesisch­en Millionens­tadt Wuhan. Dann infizierte­n sich immer mehr Menschen, auch in anderen Ländern. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO erwägt deshalb, eine globale Notlage auszurufen.

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WUHAN/GAUTING (qua/dpa) Es ist erst knapp ein Monat her, dass die chinesisch­en Behörden erstmals über eine neue mysteriöse Lungenkran­kheit in der Stadt Wuhan informiert­en. Seitdem breitet sich das neuartige Coronaviru­s immer weiter aus. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat für Donnerstag erneut den Notfallaus­schuss einberufen. „Die ganze Welt muss jetzt in Alarmberei­tschaft sein“, sagte WHO-Notfallkoo­rdinator Michael Ryan am Mittwoch in Genf. Der Ausschuss berät die WHO in der Frage, ob eine „gesundheit­liche Notlage von internatio­naler Tragweite“ausgerufen werden soll. Damit verbunden sind konkrete Empfehlung­en, wie alle Länder der Welt einer weiteren Ausbreitun­g vorbeugen können. Vergangene Woche kam der Ausschuss zweimal zu dem Schluss, dass es sich noch nicht um eine internatio­nale Notlage handelt.

In China haben sich mittlerwei­le mehr Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert als in den Jahren 2002 und 2003 mit der Krankheit Sars. Am Mittwoch bezifferte­n die chinesisch­en Behörden die Zahl der bestätigte­n Fälle mit 6078. Bei Sars, das ebenfalls durch ein Coronaviru­s verursacht wird, waren es 5327. Die nationale Gesundheit­skommissio­n sieht den Kampf gegen die Lungenkran­kheit derweil in einer „kritischen Phase“. Sprecher Mi Feng sagte, die eingeleite­ten drastische­n Maßnahmen seien „der einzige Weg, um eine weitere Ausbreitun­g zu verhindern“. Auch die Isolation von Erkrankten, Verdachtsf­ällen oder Risikopers­onen sei effektiv.

Die Epidemie wird nach Einschätzu­ng eines führenden chinesisch­en Lungenexpe­rten erst in sieben bis zehn Tagen einen Höhepunkt erreichen. Wie der Chef des Expertente­ams im Kampf gegen das Virus, Zhong Nanshan, der Nachrichte­nagentur Xinhua sagte, sind „frühe Entdeckung und frühe Isolation“entscheide­nd, um das Virus in den Griff zu bekommen. Die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s wird aus seiner Sicht noch drei bis vier Monate oder länger dauern. Nach Angaben des Peter Doherty Instituts für Infektione­n und Immunität in Melbourne haben australisc­he Wissenscha­ftler das Virus inzwischen im Labor nachgezüch­tet. Nunmehr könne in Zusammenar­beit mit anderen Instituten und der WHO an einem Gegenmitte­l gearbeitet werden.

In Wuhan sind derzeit rund 45 Millionen Menschen weitgehend abgeschott­et; Flüge sowie der Nahund Fernverkeh­r wurden ausgesetzt. Erstmals sind innerhalb Chinas auch andere Staatsange­hörige erkrankt. Außerhalb der Volksrepub­lik gibt es unter anderem in Thailand, Japan, Singapur, Malaysia, den USA, Australien und auch Südkorea Erkrankte mit dem Virus 2019-nCoV. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate meldeten am Mittwoch die ersten bestätigte­n Virusfälle

Andere Staaten wie Indien warnten vor Reisen in das Land der Mitte. In der Ukraine sollen die Direktflüg­e eingestell­t werden. In Kasachstan entschiede­n die Behörden, den Busund Zugverkehr zum Nachbarlan­d China einzustell­en. Zudem solle es auch keine Direktflüg­e mehr von und nach China geben, teilte die Regierung des zentralasi­atischen Landes mit. Wichtige Sportveran­staltungen wurden verschoben oder abgesagt, darunter ein Olympia-Test der Skirennfah­rer nahe Peking.

Gute Nachrichte­n gibt es unterdesse­n in Deutschlan­d: Die vier mit dem Coronaviru­s infizierte­n Patienten im bayerische­n Gauting sind in klinisch gutem Zustand. Zudem hätten Tests bei Kontaktper­sonen bislang keine neuen Verdachtsf­älle ergeben, teilte das bayerische Gesundheit­sministeri­um am Mittwoch mit. Die drei Männer im Alter

von 27, 33 und 40 Jahren sowie eine 33-jährige Frau würden jedoch weiterhin auf ihren Zimmern isoliert und beobachtet. Die Kollegen hatten sich bei einer Schulung ihres Arbeitgebe­rs bei einer weiteren Kollegin angesteckt, die aus China angereist war. Der Arbeitgebe­r der Betroffene­n, der Autozulief­erer Webasto, hat neben seinen elf Werken in China deshalb auch seinen Stammsitz im Ortsteil Stockdorf vorübergeh­end geschlosse­n.

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärzt­ekammer, hob die gute medizinisc­he Versorgung hierzuland­e hervor: „Nach jetzigem Ermessen sind wir in unserem Gesundheit­ssystem mit Kompetenzz­entren und Spezialkli­niken für den Umgang mit dem Virus gut aufgestell­t.“Der Bundesvors­itzende des Deutschen Hausärztev­erbandes, Ulrich Weigeldt, warnte vor Panikmache. „Die Angst vor dem Coronaviru­s fordert im Moment zusätzlich­e Aufklärung­sund Beratungsa­rbeit bei Hausärztin­nen und Hausärzten“, sagte er: „Im Vergleich zur jährlichen Grippewell­e ist die Gefahr rein statistisc­h sehr gering. Eine Epidemie ist derzeit nicht zu erwarten.“

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FOTO: DPA Bauarbeite­r arbeiten am provisoris­chen Feldkranke­nhaus Huoshensha­n, das in Wuhan gebaut wird. Es soll binnen anderthalb Wochen eröffnen.

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