Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die größten Flugverspätungen ab Düsseldorf
Tausende Reisende benötigten 2019 auf dem Weg in den Urlaub viel Geduld. Manche erhalten im Nachhinein jedoch nicht einmal eine Entschädigung. Die zehn größten Verspätungen dauerten mehr als einen Tag.
DÜSSELDORF Zuerst hatte Jürgen Böhme Pech, dann kam auch noch eine große Enttäuschung dazu. Vor genau einem Jahr, am 30. Januar 2019, hatte er auf einen entspannten Flug mit Eurowings von Düsseldorf nach Jamaika gehofft. Kräftig Sonne in der Karibik tanken, das war die Erwartung. Doch erst einen Tag, acht Stunden und zwölf Minuten nach dem geplanten Take-off ging es dann los nach Montego Bay. „Alle waren genervt“, sagt Böhme, der seinen wahren Namen nicht veröffentlicht haben will. Und jetzt, im Januar 2020, hat er noch immer keine Entschädigung für die extreme Verspätung bekommen, obwohl Eurowings vor einem Jahr Kulanz signalisiert hatte. „Es ist ärgerlich, dass Eurowings sich sperrt. Zahlreiche Passagiere sind nun gezwungen, vor Gericht zu ziehen“, sagt er. Eurowings bestätigt die Lage: „Die sehr starke Verspätung tut uns sehr leid“, erklärte ein Sprecher der Fluggesellschaft. „Aber es besteht kein Anspruch auf Entschädigung.“
Gegenüber der Anwaltsfirma EU-Claim argumentierte der Lufthansa-Ableger damit, zuerst habe ein Jet in Düsseldorf nicht bereitgestanden. Dann habe ein Ersatzjet aus Manchester wegen Schneefalls nicht starten können. Doch als dieser dann hätte abheben können, sei die Crew nicht mehr einsetzbar gewesen, weil sie nur eine begrenzte Zahl an Stunden arbeiten dürfe. Weil Airlines für Verspätungen wegen des Wetters nicht haften, gibt es eben kein Geld, erste Urteile bestätigen dies. „Wir nehmen das nicht hin“, sagt Tjitze Noorderhaven, Managing Director von EU-Claim. „Wir sehen die Passagiere als entschädigungsberechtigt an. Darum gehen wir den Rechtsweg.“
Eine Zusammenstellung von EUClaim für unsere Redaktion zeigt, dass sehr starke Verspätungen im Flugverkehr von und nach Düsseldorf weiterhin keineswegs die Ausnahme sind. Die zehn längsten Verspätungen 2019 betrugen alle jeweils mehr als einen Tag. Es handelte sich immer um relativ lange Flüge. Bei kurzen Routen innerhalb von Westeuropa sind Ersatzflugzeuge dagegen leichter einsetzbar.
Auch das Wegfallen der Entschädigung ist kein Einzelfall: So gab es beispielsweise auch kein Geld für den Rückflug des Eurowings-Jets aus
Jamaika Ende Januar 2019. Condor verweigerte wiederum eine Kompensation für eine mehr als eintägige Verspätung bei einem Flug nach Kreta, weil es Unwetter gab.
Umgekehrt haben die Airlines für die anderen sieben der zehn schlimmsten Verspätungsflüge aus 2019 eine Kompensation gezahlt. Dabei handelte es sich um vier Türkei-Flüge von Sun Express sowie drei Eurowings-Flüge in die Karibik. „Es gab technische Probleme, für die wir geradestehen“, erklärt ein Sprecher von Eurowings. Bei Sun Express heißt es: „Gemäß EU-Fluggastrechte-Verordnung
konnten sich die betroffenen Passagiere mit Forderungen an uns wenden und waren kompensationsberechtigt.“Um das Geld zu erhalten, hätten die Reisenden sich an das Unternehmen wenden sollen. Die NRW-Verbraucherzentrale hat außerdem eine kostenlose App entwickelt, um Ansprüche einzureichen.
Der Flughafen Düsseldorf gibt für 2019 bei 226.000 Flugbewegungen 3230 Annullierungen und 591 Verspätungen von mehr als drei Stunden an. Grob geschätzt waren also rund 400.000 Menschen von einer
starken Verspätung oder einem Ausfall betroffen. Das wären etwas unter zwei Prozent der 25,5 Millionen Passagiere in 2019. Im Vorjahr hatte es deutlich mehr Verspätungen gegeben, auch weil die Integration der untergegangenen Air Berlin in Eurowings für große Probleme gesorgt hatte.
Viele Betroffene versuchen eine Entschädigung über eine Klagefirma wie EU-Claim durchzusetzen, doch dann müssen sie rund ein Viertel des erstrittenen Geldes abgeben. Alternativ setzen viele Bürger darauf, ihre Forderungen über die in Berlin sitzende Schlichtungsstelle für den öffentlichen Nahverkehr (SÖP) durchzusetzen. Mehr als 21.000 solcher Verfahren gab es 2019, fast doppelt so viele wie in 2017, allerdings auch rund 7000 Fälle weniger als noch im Chaosjahr 2018.
Heinz Kleve, Geschäftsführer der SÖP, findet diese Zahl immer noch hoch, sieht aber auch eine deutliche Beruhigung der Lage: „Die beschlossenen Maßnahmen für eine höhere Pünktlichkeit zeigen offensichtlich Wirkung.“