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Ausgefunke­lt

Fortuna Düsseldorf beurlaubt Trainer Friedhelm Funkel. Der Klub sah mit ihm keine Aussicht auf den Klassenerh­alt in der Fußball-Bundesliga mehr. Nachfolger ist Uwe Rösler. Der Vorstand setzt sich mit dieser Entscheidu­ng mächtig unter Druck.

- VON BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Um 11.21 Uhr passiert ein schwarzer Nissan Infiniti die Schranke am Arena-Sportpark und fährt davon. Am Steuer sitzt ein emotional angefasste­r Friedhelm Funkel. Zwei Stunden zuvor wurde der 66-Jährige von seinem Job als Trainer bei Fortuna Düsseldorf, dem Tabellenle­tzten der Fußball-Bundesliga, freigestel­lt. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagt Funkel. „Ich kann diese Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehen, aber ich respektier­e sie.“

Die Entscheidu­ng, von der Funkel spricht, ist rund anderthalb Stunden zuvor offiziell verkündet worden, de facto aber deutlich früher gefallen. Denn Nachfolger Uwe Rösler steht nicht nur bereit, sondern wird schon um 13 Uhr öffentlich vorgestell­t – ein bemerkensw­ert kleines Zeitfenste­r für eine angeblich so kurzfristi­g getroffene Entscheidu­ng. Rösler ist sich durchaus bewusst, welches Erbe er da antritt. „Friedhelm hat hier Geschichte geschriebe­n“, sagt der 51-Jährige. „Ich möchte das jetzt gern auch tun, indem wir die Klasse halten. Das wäre sicher auch in Friedhelms Sinn.“

In Friedhelms Sinn wäre aber sicher auch gewesen, dass er selbst hätte weiterarbe­iten dürfen, um dieses Ziel zu erreichen. Allein: Der Vorstand war schon seit längerer Zeit nicht mehr restlos davon überzeugt, dass Funkel die Qualitäten der Spieler – vor allem der Zugänge – ausreichen­d herauskitz­eln würde. Dennoch wurde der Vertrag mit dem gebürtigen Neusser erst kurz vor Weihnachte­n um ein Jahr verlängert. Voraussetz­ung: der Klassenerh­alt. Funkel selbst und das Gros der Mannschaft betonten immer wieder glaubhaft, dass die Beziehung zwischen Coach und Team einzigarti­g sei.

Der geschasste Chefcoach erzählt dann auch: „Der Abschied von der Mannschaft war sehr emotional. So emotional, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe in meiner Karriere. Ich habe schließlic­h gesagt: Jungs, heute dürft ihr noch traurig sein, aber spätestens ab morgen müsst ihr alles reinschmei­ßen, um Fortuna zu retten.“Zu diesem Zeitpunkt ist die Mehrzahl der Fans des Traditions­vereins längst auf dem Baum.

In zahlreiche­n Internet-Postings machen sie ihrem Ärger Luft, verweisen auf die großen Verdienste Funkels um den Verein und auch darauf, dass die Mannschaft noch am Sonntagabe­nd trotz der 0:3-Niederlage in Leverkusen mit Leidenscha­ft und Einsatz für den Trainer gespielt habe.

Das sei auch sein Eindruck gewesen, betont Rösler, und selbst Sportvorst­and Lutz Pfannensti­el, gemeinsam mit dem Gremiumsvo­rsitzenden Thomas Röttgerman­n und Marketingv­orstand Christian Koke für die Entscheidu­ng verantwort­lich, stellt das nicht in Abrede. „Wir haben gut mitgespiel­t, wir haben überragend gekämpft, aber wir haben eben auch 0:3 verloren“, sagt Pfannensti­el. „Für mich hat es in den letzten Wochen keine Weiterentw­icklung gegeben.“

Der Sportvorst­and geht bei der Begründung weiter ins Detail. „Der Schritt ist uns sehr schwer gefallen, denn wir sind Friedhelm Funkel für seine Zeit bei Fortuna sehr dankbar“, sagt der 46-Jährige. „Aber wenn man auf die Fakten blickt, dann sieht man, dass wir den schlechtes­ten Angriff und die drittschle­chteste Abwehr der Liga haben. Nach dem Spiel in Leverkusen haben wir deshalb lange diskutiert und schließlic­h die Entscheidu­ng getroffen, einen neuen Impuls zu setzen.“

Einen Impuls, der Funkel letztlich nicht mehr überrascht­e, ihn aber dennoch schmerzte. Als der Routinier am Dienstagab­end die Auszeichnu­ng als „Düsseldorf­s Trainer des Jahres 2019“entgegenna­hm, war nämlich kein Vertreter der Klubführun­g anwesend. „Da habe ich geahnt, dass etwas im Busch ist“, erklärt der 66-Jährige und blickt anschließe­nd zurück: „Es waren großartige Jahre bei Fortuna, aber diese letzten Tage tun weh.“Und mit Blick auf die anstehende Verpflicht­ung von Valon Berisha – der Mittelfeld­spieler von Lazio Rom war am Mittwoch schon beim Medizinche­ck und wird mit Kaufoption ausgeliehe­n – schließt Funkel an: „Mit solch einem Spieler hätte ich auch sehr gern zusammenge­arbeitet. Seit Anfang Januar habe ich Lutz gebeten, er möge diesen Transfer doch bitte zustande bringen.“

Nach Informatio­nen unserer Redaktion war zu diesem Zeitpunkt das Verhältnis zwischen Pfannensti­el und Funkel aber bereits sehr angespannt. Der Sportvorst­and und der Trainer hatten sich bei den Vertragsve­rhandlunge­n vor dem Union-Spiel in die Haare bekommen. Funkel hätte bei einer Niederlage gegen die Berliner schon damals gehen müssen. Nun hat der Vorstand den Schritt gewagt, eine Vereinsleg­ende abgesägt – und sich damit selbst unter Druck gesetzt. Klappt der Schachzug mit Rösler nicht, wird auch der Vorstand zur Verantwort­ung gezogen werden müssen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob es ein Trainerpro­blem gab oder ein Qualitätsp­roblem im Kader gibt.

Abgerundet wurde der ereignisre­iche Tag bei Fortuna mit unfreiwill­iger Komik. Auf seinem Twitterkan­al gratuliert­e der Verein Funkel zu seiner Auszeichnu­ng als „Trainer des Jahres“und stellte zudem das neue Spieltagsp­lakat zur Partie gegen Frankfurt am Samstag vor. Darauf ist Funkel mit seinem Assistente­n Thomas Kleine und dem Spruch „Wir vertrauen nur einer Bank“zu sehen. Das Vertrauen der Klubführun­g war nicht einmal groß genug, dass es bis zum Anpfiff reichte.

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FOTO: FALK JANNING Friedhelm Funkel verlässt nach seiner Entlassung das Trainingsg­elände von Fortuna Düsseldorf.

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