Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Leben eines österreich­ischen Märtyrers

In „Ein verborgene­s Leben“erzählt Terrence Malick die Geschichte eines Bauern, der sich Hitler verweigert – und in den Tod geht.

- VON DOROTHEE KRINGS

Terrence Malick gilt als der sonderlich­ste Regisseur Hollywoods. Vor seiner Filmkarrie­re hat er sich mit dem Werk Heideggers beschäftig­t, und auch seine filmischen Arbeiten sind geprägt von der philosophi­schen Suche nach dem, was dem Leben Ziel und Halt gibt.

Doch nun scheint Malick angekommen zu sein im einem österreich­ischen Bergdorf der 1940er Jahre, wo die Menschen mühsam, aber im Einklang mit sich und der Natur leben. Er zeigt sie beim Säen und Ernten,

August Diehl spielt mit einer stillen Ernsthafti­gkeit, die beglaubigt, was dann geschieht

beim Rackern und Feiern, im Sommer und Winter. Die Wiesen sind saftig, man glaubt das feuchte Gras zu riechen, und manchmal bricht zwischen verhangene­n Gipfeln die Sonne durch. Die Bauern leben in mächtigen Holzstuben, ihr Tagwerk ist beschwerli­ch, doch auf dem Dorfplatz hocken sie nach der Plackerei ohne Bitterkeit beisammen. Und als Franz dort die Frau sieht, die er heiraten wird, weiß er sofort, dass er mit Franziska auf seinem Hof leben wird bis an sein Lebensende.

Es wird anders kommen. Doch erst will Malick mit einer Fülle improvisie­rt wirkender Szenen in diese pastorale Idylle eintauchen, in dieses sinnliche, ehrliche Dasein. Er tollt mit dem verliebten Paar Franz und Franziska über die Wiesen, ist dabei, wie sie später mit ihren Kindern – Mädchen allesamt – arbeiten, beten, Blinde Kuh spielen. Auch dem Zuschauer soll bei aller körperlich­en Härte das Leben in den Alpen als das reine Glück erscheinen. Genau wie dem Franz, der auf seinen Wegen manchmal stehen bleibt und seine Heimat betrachtet, die erhabenen Berge, dieses Gottesgesc­henk. Dazu spielt einsam eine Geige, spricht eine Stimme diese mystischen Malick-Sätze, die vom Allereinfa­chsten und Allerschwi­erigsten handeln, vom Sinn des Seins.

August Diehl ist Franz, dieser gottesfürc­htige, keineswegs dumpfe Bauer. Man nimmt ihm zwar die Landarbeit nicht ab, mag er noch so fleißig mit aufgekremp­elten Ärmeln die Sense durch das Korn führen. Doch gelingt es Diehl, seiner Figur von Anfang an eine Ernsthafti­gkeit zu geben, einen Tiefgang, eine stille, zähe Gläubigkei­t, die wahrhaftig macht, was dann geschieht.

Denn Malick erzählt in „Ein verborgene­s Leben“ja die Geschichte eines Märtyrers. Franz läuft nicht nur zur Kirche, weil alle im Dorf das machen. Er ist überzeugte­r Christ, glaubt an Gott und dass es einen Unterschie­d gibt zwischen Gut und Böse. Und so hält er es für Unrecht, einen Eid auf Hitler zu schwören, der Hass predigt und Krieg unter die Menschen bringt. Als Franz 1940 zu einer Mobilisier­ungsübung eingezogen wird, beginnt er zu begreifen, dass sein gläubiger Ernst ihn bald vor eine existenzie­lle Frage stellen wird: seinem Gewissen zu folgen oder in den Krieg zu ziehen.

Malick lässt sich Zeit, die wahre Geschichte des österreich­ischen Bergbauern Franz Jägerstätt­er zu erzählen. Die Katastroph­e kommt über seine Hauptfigur wie eine schwarze Wolke, die mehr und mehr verschatte­t, was eben noch friedlich in der Bergsonne lag.

Das ist das Bedrohlich­e an diesem Film: Das Unheil dringt unaufhalts­am in eine heile Welt ein, es macht nicht Halt vor den Guten, den Rechtschaf­fenen, den Gottesfürc­htigen. Es macht Feinde aus Menschen, die eben noch Dorfnachba­rn waren.

Man kann das beobachten als eine Geschichte von früher. Doch Malick erzählt mit einer Gültigkeit, die Fragen an die Gegenwart stellt. Wie lange darf der Einzelne zuschauen, wenn in seinem Umfeld die Unmenschli­chkeit zunimmt? Was kann ein Mensch tun? Was muss er bereit sein zu opfern – für sein Seelenheil, seine Familie? Malick erzählt so getragen, dass der Zuschauer Raum findet, sich solche Fragen zu stellen.

Mit der langen Anbahnung des Unheils widersetzt sich der amerikanis­che Regisseur, der selbst gläubiger Katholik ist, zugleich der üblichen Dramaturgi­e von Heldengesc­hichten, in der nicht lang gezweifelt und gerungen wird, sondern entschiede­n gehandelt.

Malick dagegen inszeniert einen Kreuzweg mit vielen Stationen und geht ihn bis zum bitteren Ende. Und es ist nicht nur der Leidensweg des Bauern, der seine Werte nicht verraten mag, sondern auch der seiner Frau, wahrhaftig gespielt von Valerie Pachner, die allein bleibt mit Hof und Kindern, die geschmäht wird im Dorf und vor allem: die die Liebe ihres Lebens in den Tod gehen lassen muss.

Man mag sich lange wehren gegen Malicks Stil, seine Naturschwe­lgerei, seine Off-Kommentare, die Süßlichkei­t der Musik. Doch diesmal dient das alles der Dringlichk­eit seines Erzählens. Malick inszeniert das Glück eines zufriedene­n Lebens – um es umso unerbittli­cher an der Härte der Despoten zerschelle­n zu lassen. Das einfache Leben, das Franz dankbar und ohne Hader gelebt hat, ist ihm nicht vergönnt, weil er nichts Böses tun will. So einfach ist die Geschichte, so radikal.

Mit „Ein verborgene­s Leben“knüpft Malick an seinen letzten großen Film „Tree of Life“an. Doch ist die Geschichte des einfachen Bauern aus Radegund, der sich nicht brechen lässt, geradlinig­er, unbedingte­r, und dieser Film damit wohl Malicks bisher dringlichs­tes Werk.

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FOTO: TWENTIETH CENTURY FOX August Diehl und Valerie Pachner in einer Szene aus „Ein verborgene­s Leben“

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