Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Vier Schwestern zum Verlieben

Mit „Little Women“macht Greta Gerwig einen zeitlosen Stoff zum Film der Stunde.

- VON LUDWIG KRAUSE

Jo March hat die Tinte noch an ihren Fingern, als sie vor dem New Yorker Verleger sitzt. Er überfliegt ihren Text, notiert, streicht. „Kurz und pikant“sollen ihre Geschichte­n doch bitte sein. Beim nächsten Mal möge die Hauptdarst­ellerin am Ende außerdem gefälligst verheirate­t sein – „oder tot“.

„Little Women“heißt der Film von Greta Gerwig, der vor Weihnachte­n in den USA angelaufen ist und nun auch in Deutschlan­d erscheint. Und wie auch ihr Debüt „Ladybird“, das sie zum Star der Independen­t-Szene katapultie­rte, beweist Gerwig ein atemberaub­endes Gespür für Inszenieru­ng. Sechs Mal ist der Film für einen Oscar nominiert. Dass sie in der ansonsten ausschließ­lich männlich besetzten Kategorie „Beste Regie“übergangen wurde, ließe sich da fast schon verschmerz­en. Natürlich tobt die Independen­t-Szene aber trotzdem.

Gerwig erzählt auch diesmal eine „Coming of Age“-Geschichte, nimmt die Zuschauer aber mit ins 19. Jahrhunder­t. Der Film begleitet vier Schwestern an der Schwelle zum Erwachsenw­erden – jede mit eigenen Träumen, Fähigkeite­n und Problemen. Da ist die älteste, Meg (Emma Watson), die sich nichts mehr wünscht, als eine Familie zu gründen. Die wilde Jo (Saoirse Ronan), die keinen Kopf für eine Ehe zu haben scheint und Autorin werden möchte. Die malerisch begabte Amy (Florence Pugh) und die schüchtern­e Beth (Eliza Scanlen), die sich vor dem Klavier am wohlsten fühlt.

Dazu kommen noch Mutter Marmee March (Laura Dern), die ihre Familie zusammenhä­lt, als der Vater in den Krieg zieht. Und die von Meryl Streep hinreißend gespielte Tante March, die selbst zwar ledig geblieben ist – dass ihren Nichten deswegen aber längst noch nicht durchgehen lässt.

Der Film basiert auf dem gleichnami­gen Buch von Louisa May Alcott aus dem Jahr 1868. Und auch wenn er bereits mehrfach auf die Leinwand gebracht wurde, zuletzt 1994 mit Winona Ryder in der Hauptrolle, ist Gerwig ein großer Wurf gelungen. Furchtlos, aber liebevoll fasst sie die Geschichte um Familie, Hoffnung und Unabhängig­keit an. So verwandelt sie das zeitlose Stück in den Film der Stunde.

Im Mittelpunk­t steht die rebellisch­e Jo. „Ich habe es so satt, wenn die Leute sagen, dass Liebe das Einzige ist, wozu eine Frau fähig ist“, flucht sie. „Nur weil meine Träume anders sind, sind sie deshalb nicht unwichtig“, hält ihr Meg entgegen.

Das Ensemble strotzt vor Spielfreud­e, und jede Szene steckt so voller Details, dass man den Film am liebsten pausieren, sie dem Film entreißen und als Bild an die Wand hängen möchte. Am Ende steht ein Frauenfilm im besten Sinne, weil er sich auf die Seite der Frauen stellt. Wo auch immer der hinführen mag

Wen heiratet die Hauptdarst­ellerin denn nun am Schluss, möchte der Verleger wissen. Jo atmet einmal tief durch. Das sollte sich am besten aber jeder selbst ansehen.

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FOTO: DPA Emma Watson (v.l.) als Meg March, Florence Pugh als Amy March, Saoirse Ronan als Jo March und Eliza Scanlen als Beth March.

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