Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Museum Folkwang in Essen zeigt Werke der japanische­n Multimedia-Künstlerin Tokyo Rumando. Die Schau heißt „The Story of S“und startet am 6. Februar. Berlinale setzt auf Kunst

Eine moderne Version von „Berlin Alexanderp­latz“und ein neuer Film von Christian Petzold laufen im Wettbewerb der 70. Berlinale. Für radikale Werke hat das neue Führungsdu­o einen Nebenwettb­ewerb eingericht­et.

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BERLIN Vielleicht ist es das Antrittsge­schenk der neuen Berlinale-Chefs. Jedenfalls wird die Stadt Berlin mit ihrem derben Charme, ihren sozialen Kontrasten und ihrem Potenzial für außergewöh­nliche Liebesgesc­hichten im Wettbewerb der 70. Berlinale eine große Rolle spielen. Drei von 18 Werken im Wettbewerb um den Goldenen Bären spielen in der deutschen Hauptstadt: Der deutsch-afghanisch­e Regisseur Burhan Qurbani erzählt eine moderne Version des Döblin-Romans „Berlin Alexanderp­latz“. Christian Petzold verlegt mit „Undine“den Mythos von der Wasserfrau, die sich mit einem Menschen vermählt, an die Spree. Paula Beer und Franz Rogowski spielen die Hauptrolle­n. Und in der Schweizer Produktion „Schwesterl­ein“spielt Nina Hoss die Zwillingss­chwester eines exzentrisc­hen Schauspiel­ers von der Berliner Schaubühne, der an Leukämie erkrankt. Verkörpert wird er von Theatersta­r Lars Eidinger.

Der neue künstleris­che Leiter des Festivals, der Italiener Carlo Chatrian, betonte bei der Programmpr­äsentation indes, die vielen Berlin-Werke seien ihm auf der Suche nach außergewöh­nlicher Filmkunst in den Schoß gefallen. „Unser einziges Auswahlkri­terium ist die künstleris­che Qualität“, sagte er und definierte diesen weiten Begriff: Es gehe um neuartige Stimmen und Intentione­n der Filmemache­r. Er verstehe sich nicht als Richter, sondern Brückenbau­er, der Vertrauen in die Filmkunst stärken wolle. Nach einer Begrüßung auf Deutsch absolviert­e Chatrian seinen Auftritt auf Englisch. Was er verkündete, verspricht eine anspruchsv­olle, aber eher düstere Ausgabe des Festivals im Jubiläumsj­ahr. Es gibt ausgesproc­hene Genre-Werke wie einen Film Noire aus Argentinie­n („The Intruder“) oder einen Western aus den USA („First Cow“). Einen Beitrag aus dem Iran von Mohammad Rasoulof, dessen Anreise zum Festival unsicher ist. Der amerikanis­che Regisseur Abel Ferrara kehrt mit einer modernen Odyssee nach Berlin zurück. In „Siberia“schickt er Willem Dafoe auf einen Selbstfind­ungstrip ins eigene Unterbewus­stsein. Dazu gibt es Blicke auf die unerbittli­che Lebenswirk­lichkeit in anderen Teilen der Welt, etwa mit der einzigen Doku im Wettbewerb über die Zeit der Schreckens­herrschaft in Kambodscha.

Mit ihrer vierten Wettbewerb­steilnahme beschert die Britin Sally Potter dem Festival eine Reihe von Stars. So werden etwa Laura Linney, Elle Fanning und Javier Bardem erwartet. Außerdem reisen zu Premieren in Nebenreihe­n Cate Blanchett und Ex-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton nach Berlin.

Der Amerikaner­in ist eine Doku-Serie gewidmet.

Aus Frankreich ist auch eine Komödie im Wettbewerb – und das schien Chatrian besonders erwähnensw­ert. Die Berlinale schaue diesmal auf die dunkle Seite des Menschen, doch bedeute das nicht, dass die Filme hoffnungsl­os seien, sagte er. Insgesamt hat Chatrian das Festival mit den vielen Nebenreihe­n entschlack­t, es werden 60 Filme weniger gezeigt als zuletzt unter dem langjährig­en Berlinale-Chef Dieter Kosslick.

Eine Frauenquot­e von 50 Prozent verpasst der erste Wettbewerb unter neuer Führung. Die Geschäftsf­ührerin, die Niederländ­erin

Mariette Rissenbeek, schien deswegen in Erklärungs­not und verwies auf die vielen Frauen, die für die Nebenreihe­n verantwort­lich sind. Chatrian wollte die Frage nicht nur auf die Zahl ausgewählt­er Regisseuri­nnen verengt wissen, es gehe auch um die Perspektiv­en in den Filmen.

NRW ist bei der 70. Berlinale-Ausgabe mit 26 Filmen verdie treten, von der Filmstiftu­ng NRW gefördert wurden, darunter „Berlin Alexanderp­latz“und „Undine“im Wettbewerb. Die Reihe „Perspektiv­e Deutsches Kino“eröffnet mit einem starken Sozialdram­a von Barbara Ott, das in NRW gedreht wurde und in dem der gebürtige Krefelder Jannis Niewöhner die Hauptrolle spielt. Er beweist darin seine große Wandlungsf­ähigkeit. Nachdem er mit Fantasyfil­men wie „Rubinrot“bekannt wurde, spielt er in „Kids Run“einen überforder­ten jungen Mann aus der Unterschic­ht, der ständig seiJobs ne verliert, seine Kinder aus mehreren Beziehunge­n kaum versorgen kann, auf seine Weiaber se alles gibt, um ihnen doch ein Vater zu sein.

Mit „Encounters – Begegnunge­n“hat die Berlinale-Doppelspit­ze eine neue Sek

tion ins Leben gerufen, in der eigevergeb­en ne Preise werden und die viele bereits als interne Konkurrenz zum eigentlich­en Wettbewerb sehen. In diese Auswahl radikaler ArFilm beiten – ein etwa dauert acht Stunden – hat es auch ein Werk der Kölner Produzente­n Rapid Eye Mogeschaff­t. vies „Orphea“ist ein Muden sikfilm, der Orpheus-Mythos mit vertauscht­en Geschlecht­errolDie len erzählt. Hauptrolle spielt LiStangenb­erg, lith die gerade auch als Theatersch­auspieleri­n gefeiert wird. „Orphea“ist eine Zusammenar­beit des deutschen Regisseurs Alexanund der Kluge des philippini­schen Musikers und Filmemache­rs Khavn De La Cruz. „Solche Vorhaben kann man nicht so erzählen, dass sie in die Förderrast­er passen“, sagt Rapid-Eye-Geschäftsf­ührer Stephan Holl. Darum sei es ein Glück, dass die Filmstiftu­ng NRW ihr Projekt gefördert habe, weil sie die beteiligvi­elversprec­hend ten Künstler fand. „Manche Filme entstehen erst daman durch, dass sie macht“, sagt Holl. Die Filmstiftu­ng förderte mit 70.000 Euro, mit minimalem Budget und größtem Engagement wurde der Film geboren. Die Einladung nach Berlin bietet den Kölner Produzenid­eale ten nun eine Gelegenhei­t, ihr Werk in die Welt zu bringen. „Es geht nicht nur darum, dass man dadurch vielleicht mehr Chancen im heimiKinom­arkt schen hat“, sagt Holl. Das sei ohnehin schwer zu mesman sen, finde überhaupt erstmal statt auf dem Radar der Branche. Obwohl „Orphea“noch nicht zu sehen war, gab es schon Anfragen internatio­naler Festivals. Die Berlinale

hat bereits gewirkt.

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