Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Intensives Drama über das Scheitern

Das Rheinische Landesthea­ter Neuss zeigte im Bürgerhaus das Schauspiel „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“Ein intensiver Abend mit viel Komik.

- VON FLORA TREIBER

RADEVORMWA­LD Hergard Engert, Stefan Schleue, Nelly Politt und Tom Kramer waren am Mittwochab­end zurück auf der Bühne des Bürgerhaus­es. Die vier Schauspiel­er des Rheinische­n Landesthea­ters Neuss (RLT) waren in dem Stück von Edward Albee „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“zu sehen, dessen deutsche Fassung von Pinkas Braun stammt. Das Schauspiel, das 1962 am Broadway aufgeführt wurde, gilt als das erste moderne Ehedrama des Theaters, das an der Fassade des gehobenen Bürgertums rüttelt. Der Kulturkrei­s Radevormwa­ld arbeitet eng mit dem RLT zusammen und hat auch mit diesem Stück die richtige Wahl getroffen.

Die Zuschauer blickten von ihren Plätzen in das Wohnzimmer von Martha und George, gespielt von Hergard Engert und Stefan Schleue. Die großzügige Wohnlandsc­haft ist die Kampfarena der beiden. Sobald das Ehepaar spät von einer Party nach Hause kommt, die Teil der gesellscha­ftlichen Anerkennun­g ist, lassen sie ihre öffentlich­en Rollen fallen. In den eigenen vier Wänden müssen sie nicht länger so tun, als würden sie eine inspiriere­nde und erfolgreic­he Ehe führen. Zuhause können sie sich auf all die Enttäuschu­ngen konzentrie­ren, die ihre Ehe in den letzten 20 Jahren produziert hat. Der Ehekrieg ist Teil ihres Alltages geworden.

Martha sieht in ihrem Ehemann nur noch einen Versager, dem es an Mumm und Durchhalte­vermögen fehlt. Auch mit Mitte 40 ist er immer noch ein gewöhnlich­er Geschichts­professor, während ihr Vater der Kopf des Colleges ist. Die Fußstapfen des Schwiegerv­aters sind für George zu groß. Er und seine Frau haben über ihr unerfüllte­s Leben einen starken Hang zum Alkohol entwickelt, der den Hass aufeinande­r und die Enttäuschu­ng voneinande­r schürt. Martha hat auf der Party ein junges Ehepaar auf einen Absacker zu sich nach Hause eingeladen. Obwohl sie und ihr Mann schon betrunken und kurz davor sind, sich an die Gurgel zu gehen, öffnen sie die Tür. Zu Gast ist der junge schöne Biologiepr­ofessor Nick alias Tom

Kramer mit seiner einfältige­n aber reichen Frau, die den Spitznamen „Putzi“trägt. Er verkörpert das, was Martha von einem Mann erwartet: übermäßige­n Erfolg, Stärke, Vitalität. Im Morgengrau­en wird das junge Ehepaar als Publikum für die Selbstzerf­leischung von Martha und George benutzt. Nach erstauntem Beobachten werden die beiden selber angegriffe­n, als Waffe für Eifersücht­eleien missbrauch­t, bis sie selber anfangen sich Vorwürfe zu machen. Die Demütigung­en,

Anschuldig­ungen und Hasstirade­n von Martha und George haben auf die Gäste abgefärbt. Immer mehr werden sich alle Beteiligte­n ihren Lebenslüge­n bewusst.

In der Inszenieru­ng von Kay Neumann, der auch das Bühnenbild gestaltet hat, wird gebrüllt. Hergard Engert und Stefan Schleue nutzten die Bühne perfekt für ihre Rollen. Die mal arrogante und mal aggressive Stimmung setzten die Schauspiel­er gekonnt um. Die tausenden Nadelstich­e nutzten sie aber auch, um ihr Publikum immer wieder zum Lachen zu bringen. Die Schamlosig­keit voreinande­r ließ die Zuschauer im Bürgerhaus amüsiert zurück. Der Theaterabe­nd „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“war ein lauter, ehrlicher und komischer Abend.

Das Rheinische­n Landesthea­ter ist am 29. April wieder in Radevormwa­ld. Dann kommen die Schauspiel­er mit der Komödie „Fünf im gleichen Kleid“von Alan Ball auf die Bühne des Bürgerhaus­es.

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FOTO: MARCO PIECUCH Hergard Engert, Tom Kramer und Nelly Pollit (v. l.) sind drei der vier Schauspiel­er, die im Stück mitwirken. Vierter im Bunde ist Stefan Schleue.

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