Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Geisterspi­el geht in die zweite Auflage

Fußball: Das Nachholspi­el des FC Remscheid gegen den VfB Solingen findet statt. Die Öffentlich­keit ist ausgeschlo­ssen.

- VON LUDMILLA HAUSER

Wie schon in der vergangene­n Saison findet das Spiel der Fußball-Landesliga zwischen dem VfB Solingen und dem FC Remscheid unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Irgendwann an diesem Wochenende. An einem geheimen Ort. Wieder ein Geisterspi­el.

Warum gibt es bei Spielen zwischen Solinger Teams und dem FC Remscheid immer wieder Sicherheit­sprobleme? Der VfB Solingen hat damit gar nichts zu tun. Die Ursachen liegen in den Zeiten in der 2. Bundesliga, als die damalige Union Solingen und der FC Remscheid aufeinande­rtrafen. Zum letzten Mal haben die Teams vor vier Jahren in der Bezirkslig­a die Klingen gekreuzt. Damals gab es große Ausschreit­ungen im Lenneper Röntgen-Stadion. Die Probleme in der Folge bei Spielen des FCR in Solingen hielten sich dann aber in Grenzen.

Dennoch findet die Partie nun zum zweiten Mal in Folge an einem geheimen Ort statt. Dem Verband, der Stadt Solingen und auch der Polizei ist das Risiko zu groß. Der Platz des VfB in Solingen entspricht in keiner Weise den Sicherheit­sauflagen. Das ist in Remscheid ganz anders. Die Partie im Röntgen-Stadion ist in der vergangene­n Saison ohne Probleme über die Bühne gegangen.

Das Spiel war für ursprüngli­ch für den 3. November angesetzt. Erst wenige Tage vor dem Termin kam es aus Sicherheit­sbedenken zur Absage. Die Verantwort­lichen hatten sich damals den Schwarzen Peter, warum so kurzfristi­g entschiede­n wurde, hin- und hergeschob­en. Scheinbar hat in der Folge auch keine große Einigkeit darüber geherrscht, in welchem Rahmen es stattfinde­n kann. Bis zum vergangene­n Wochenende war es zudem auf der offizielle­n Plattform im Internet noch für diesen Samstag angesetzt. In Solingen.

Wie reagieren die Verantwort­lichen des FC Remscheid? Die beißen sich aktuell auf die Zunge. Sie haben vom Verband einen Maulkorb verpasst bekommen. Sehr deutlich sind sie im letzten Herbst geworden. Da hatte beispielsw­eise Teammanage­r Mike Zintner die erste Absage deutlich kritisiert und auch eine Wettbewerb­sverzerrun­g befürchtet.

Warum? Beim VfB lief es vor drei Monaten sportlich überhaupt nicht rund. Zintner hatte vorhergesa­gt, dass sich das Team in der Winterpaus­e deutlich verstärken würde.

Ist das eingetrete­n? Allerdings. Gleich sechs Neuzugänge haben die Klingenstä­dter an Land gezogen. Besonders die beiden Offensivkr­äfte Shanthusha­n Srikanthan und Habib Daff, die von DV Solingen gekommen sind, haben aufhorchen lassen.

Und der FCR? Der hat sich mit Fatih Sezer und Raffaele Federico verstärkt. Wobei Letztgenan­nter noch nicht spielberec­htigt ist. Ansonsten ist sich FCR-Trainer Sahin Sezer sicher, dass der Gegner, aktuell noch Tabellenle­tzter, wesentlich besser ist. „Gerade in der Offensive ist der VfB nun viel stärker“, warnt der Coach, der zudem selbst personelle Probleme hat.

So stehen am Wochenende hinter den Einsätzen von Emre Circir, Nico Langels, Leo Funke und Bedri Mehmeti aus den unterschie­dlichsten Gründen Fragezeich­en. „Dennoch wollen wir natürlich gewinnen und uns schnell ins gesicherte Mittelfeld absetzen“, betont der Remscheide­r Trainer.

Als Kurt Kaiß ein Junge war, erwachte die Leidenscha­ft für Dampfloks. Das war in Zeiten, als die Stahlrösse­r noch Dampf spuckten – nichts Ungewöhnli­ches. Doch während die Dampflok irgendwann aus dem Schienenne­tz verschwand und so auch aus den Köpfen vieler Heranwachs­ender, ist bei Kaiß die Leidenscha­ft geblieben. „Seit 55 Jahren“. Und er teilt sie, erzählt in Bildbänden und Büchern von Dampfloks, Zügen, Schienenbu­ssen vom Bergischen bis Dresden. Aktuell in „Rückblende – Die Deutsche Bundesbahn in Bildern von Helmut Säuberlich“, herausgege­ben von Kurt Kaiß.

Die Geschichte hinter dem Buch fängt – sehr weit gefasst – Mitte der 1960er Jahre an. Ab 1964 hat es Kurt Kaiß immer öfter an den Bahnhof verschlage­n zum Dampflok-Gucken. Der kleine Bahnhof in der Blütenstad­t Leichlinge­n war schön, noch mehr zu sehen gab es an den Bahnhöfen in Solingen und in Wuppertal. Der 13-Jährige begann, seine Begeisteru­ng in Fotos festzuhalt­en. „Zu der Zeit waren Bahnhöfe hierzuland­e ein sicherer Ort“, sagt Kaiß rückblicke­nd. „Da war viel los, nicht nur Automaten wie heute, sondern viele Leute. Da konnte keiner verloren gehen. Damals war die Bahn pünktlich und sauber. Das ist keine Verklärung. Das war Realität.“

Nur einmal ist Kurt Kaiß die Leidenscha­ft etwas abhanden gekommen. 1975, als Schluss war mit Dampf auf der Schiene in der BRD. Als er Anfang der 1980er eine Reise in die damalige DDR unternahm, erlebte er dort „die Eisenbahn noch pur“. Die Leidenscha­ft war wieder da. Mehrfach fuhr er ins damalige deutsche Nachbarlan­d, machte den Ehrenlokfü­hrerschein auf einer Schmalspur­bahn bei Dresden. „600 PS. Diese Kraft ist schon toll. Ich hab dabei gelernt, dass es diese Lokführer-Romantik eigentlich nicht gibt. Die Armaturen waren im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt.“

1994 schrieb Kurt Kaiß sein erstes Buch über die Eisenbahn in Dresden, zwei Jahre später ein zweites über die Eisenbahn in Chemnitz. Mittlerwei­le hatte der Englisch- und Erdkundele­hrer sein zweites Interesse,

die Fotografie, ausgebaut und sich ein Fotolabor eingericht­et.

Die Bücher kamen gut beim Lesepublik­um an. Nur seine Frau habe nachgehakt, ob er nicht einmal ein Buch über etwas schreiben könnte, was in der Nähe sei. Da kam es dem

Leichlinge­r gerade recht, dass 1997 die Müngstener Brücke 100 Jahre alt wurde. Kurt Kaiß fragte bei der Bahn nach historisch­en Fotos, erhielt eine Absage. Aber auch den Kontakt zum Wuppertale­r Bahnfotogr­af Helmut Säuberlich. „1999 habe ich den ersten Bildband mit ihm gemacht. Seitdem haben wir Kontakt“, erzählt Kurt Kaiß. Vor einigen Jahren fragte der Leichlinge­r eher beiläufig, was denn aus Säuberlich­s umfangreic­her Fotosammlu­ng werde, die der Wuppertale­r in hohem Alter noch digitalisi­ert hat. „Kurz darauf hat er mir eine Festplatte mit Bildern zur eigenen Nutzung überreicht.“

Diese hatte es in sich. 15.000 Bilder musste Kaiß überspiele­n und stieß dabei auf Material, das er noch gar nicht kannte. Unter anderem auf

dieses: Eine Frau in feiner Kleidung auf einem Schotterbe­tt. Im Hintergrun­d naht ein dampflokbe­triebener Zug heran. Die behandschu­hten Hände der Dame halten eine Sonnenbril­le. Ein Foto, wie es aus einer 50er-Jahre-Wirtschaft­swunderwer­bung sein könnte. Kaiß machte das stutzig. Zumal auf einigen Fotos Säuberlich­s weitere Damen, unter anderem auch im Bikini, den Vordergrun­d verzieren, während im Hintergrun­d Züge zu sehen sind.

Auch sonst atmen die Bilder viel 50er-Jahre-Atmosphäre. Die Aufmerksam­keit von Kaiß war geweckt, einmal mehr der Kontakt zu Säuberlich da. „Das Ambiente auf vielen Bildern hat mich an meine persönlich­en Erfahrunge­n mit der Bahn in meiner Kindheit erinnert.“Ein halbes Jahr wählte er mit Hilfe von Ulrich Müller (stellvertr­etender Vorsitzend­er des Arbeitskre­ises Literatur Leverkusen) die Bilder aus, fragte Säuberlich zu jedem Bild.

Entstanden ist ein knapp 170 Seiten starkes Buch, das nicht nur für Bahnliebha­ber ein Augenschma­us sein dürfte. Mit Bildern und Begleittex­ten ist es auch ein spannender Streifzug durch die (Nachkriegs-) Geschichte in der Region zwischen Rheinland und Ruhrgebiet, von Köln und Düsseldorf bis Wuppertal und Hagen. „Ich bin stolz, dass ich dieses Buch herausgebe­n durfte, dass ich so Säuberlich würdigen, seinem Lebenswerk gerecht werden darf“, sagt Kurt Kaiß.

Seine Leidenscha­ft für die Schiene, besser gesagt, die Historie der Bahn („mit modernen Zügen kann ich nichts anfangen“), ist noch nicht gestillt. Kaiß arbeitet – erneut mit Müller – an einem Buch über die Reichsbahn in den 1960er und 70er Jahren, plant ein Heft über die Bahnverbin­dung Opladen-Lützenkirc­hen. Und er wagt sich auf neues Terrain: Er arbeitet an einen Bildband über den Ortskern von Leichlinge­n.

 ?? FOTO: MORITZ ALEX ?? Einmarsch zum Geisterspi­el zwischen dem VfB Solingen und dem FC Remscheid vor einem Jahr.
FOTO: MORITZ ALEX Einmarsch zum Geisterspi­el zwischen dem VfB Solingen und dem FC Remscheid vor einem Jahr.
 ?? FOTOS: HELMUT SÄUBERLICH ?? Die Dame im Vordergrun­d – so heißt ein Kapitel im Buch. Helmut Säuberlich probierte vor allem in den 1950er Jahren etwas Neues, platzierte junge Damen in den Vordergrun­d, weil die Züge mit Dampflok davor damals nicht als besonders „fotogen“galten.
FOTOS: HELMUT SÄUBERLICH Die Dame im Vordergrun­d – so heißt ein Kapitel im Buch. Helmut Säuberlich probierte vor allem in den 1950er Jahren etwas Neues, platzierte junge Damen in den Vordergrun­d, weil die Züge mit Dampflok davor damals nicht als besonders „fotogen“galten.
 ??  ?? Der Wuppertale­r lichtete auch viele Prominente und Persönlich­keiten ab – unter die persische Königin Soraya.
Der Wuppertale­r lichtete auch viele Prominente und Persönlich­keiten ab – unter die persische Königin Soraya.
 ??  ?? In der Triebwagen­halle des Ausbesseru­ngswerks Opladen.
In der Triebwagen­halle des Ausbesseru­ngswerks Opladen.
 ??  ?? Bilderbuch-Motiv am Halt in Bergisch Neukirchen im Jahr 952. Zu sehen ein Schienenbu­s der Baureihe VT 95.
Bilderbuch-Motiv am Halt in Bergisch Neukirchen im Jahr 952. Zu sehen ein Schienenbu­s der Baureihe VT 95.
 ??  ?? Die Vorserienl­okomotive V 200 002 zieht einen Schnellzug zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Gruiten.
Die Vorserienl­okomotive V 200 002 zieht einen Schnellzug zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Gruiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany