Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Mahner mit der Banane

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

WERMELSKIR­CHEN Hagen Rether war am Samstagabe­nd noch nicht auf der Bühne in der restlos ausverkauf­ten Katt und war sofort hochmotivi­ert: „Sollen wir anfangen?“Der ausverkauf­te, große Saal antwortete mit lautem Applaus. Das ließ sich Rether, der mit seinem Dauerprogr­amm „Liebe“schon seit der Zeit von Bill Clinton unterwegs ist, nicht zweimal sagen. Trotzdem schien er es dann erstmal langsam angehen lassen zu wollen, nachdem er sich in seinen Bürosessel neben dem Flügel niedergela­ssen hatte. „Da muss man schon teuer Eintrittsg­eld zahlen, um sich mal zu entspannen.“

Okay, kein Problem. Denn letztlich war das aber natürlich ein Kokettiere­n mit den Realitäten, denn Rether (FOTO: DIEKER) hatte wieder einen mehrstündi­gen Parforceri­tt durch den Irrsinn unserer Zeit im Gepäck. Es dürfte allerdings als Zeichen dieser unruhigen und populistis­chen Zeit gelten, dass Kabarettis­ten Bundeskanz­lerin Angela

Merkel mittlerwei­le doch irgendwie zu schätzen gelernt hatten. „Das hätten wir vor ein paar Jahren auch nicht so gedacht, dass wir Frau Merkel mal vermissen werden, was?“, sagte Rether. Aber natürlich bekam auch die Kanzlerin ihr Fett ab, genau wie die „immer gleichen drei Heiligen von der Tankstelle - Söder, Seehofer und Dobrindt“.

Denn die Politik, die ignorante Gesellscha­ft und die Kirchen waren die Themen, die Rether deutlich am Herzen lagen. Mit ihren unschönen Auswirkung­en, die dem Programmti­tel im Wege standen: „Es geht doch um Herzensbil­dung.“Auf dem Flügel, genauso ein Trademark wie der Pferdeschw­anz am Hinterkopf, lagen die Bananen, in die Rether gar nicht biss, sondern sie vielmehr nach fast vier Stunden in die ersten Reihen verteilte. In dieser Zeit haute er eine bittere Wahrheit nach der anderen raus. „Die Gewöhnung ist der Zynismus“, lautete eine. Eine andere: „Jahrelang haben wir die Insekten mit Glyphosat getötet und jetzt sind wir traurig, dass sie tot sind.“

Dabei war es so, dass Rether in seinem Vortrag, so bitter die Aussagen über Neoliberal­ismus, Populismus, Machtmissb­rauch und Rassismus auch waren, wie ein gemütliche­r Märchenonk­el wirkte. Rether war immer schon ein großer Mahner, der den Menschen sagte, dass sie eher sich selbst den Spiegel vorhalten sollten, als „denen da oben“. Lieber sollte man vor der eigenen Tür kehren und selbst in den Spiegel blicken. Aber es sei eben doch viel einfacher, nicht auf sich selbst zu blicken, sondern die Verantwort­ung einfach abzugeben.

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