Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Mahner mit der Banane
WERMELSKIRCHEN Hagen Rether war am Samstagabend noch nicht auf der Bühne in der restlos ausverkauften Katt und war sofort hochmotiviert: „Sollen wir anfangen?“Der ausverkaufte, große Saal antwortete mit lautem Applaus. Das ließ sich Rether, der mit seinem Dauerprogramm „Liebe“schon seit der Zeit von Bill Clinton unterwegs ist, nicht zweimal sagen. Trotzdem schien er es dann erstmal langsam angehen lassen zu wollen, nachdem er sich in seinen Bürosessel neben dem Flügel niedergelassen hatte. „Da muss man schon teuer Eintrittsgeld zahlen, um sich mal zu entspannen.“
Okay, kein Problem. Denn letztlich war das aber natürlich ein Kokettieren mit den Realitäten, denn Rether (FOTO: DIEKER) hatte wieder einen mehrstündigen Parforceritt durch den Irrsinn unserer Zeit im Gepäck. Es dürfte allerdings als Zeichen dieser unruhigen und populistischen Zeit gelten, dass Kabarettisten Bundeskanzlerin Angela
Merkel mittlerweile doch irgendwie zu schätzen gelernt hatten. „Das hätten wir vor ein paar Jahren auch nicht so gedacht, dass wir Frau Merkel mal vermissen werden, was?“, sagte Rether. Aber natürlich bekam auch die Kanzlerin ihr Fett ab, genau wie die „immer gleichen drei Heiligen von der Tankstelle - Söder, Seehofer und Dobrindt“.
Denn die Politik, die ignorante Gesellschaft und die Kirchen waren die Themen, die Rether deutlich am Herzen lagen. Mit ihren unschönen Auswirkungen, die dem Programmtitel im Wege standen: „Es geht doch um Herzensbildung.“Auf dem Flügel, genauso ein Trademark wie der Pferdeschwanz am Hinterkopf, lagen die Bananen, in die Rether gar nicht biss, sondern sie vielmehr nach fast vier Stunden in die ersten Reihen verteilte. In dieser Zeit haute er eine bittere Wahrheit nach der anderen raus. „Die Gewöhnung ist der Zynismus“, lautete eine. Eine andere: „Jahrelang haben wir die Insekten mit Glyphosat getötet und jetzt sind wir traurig, dass sie tot sind.“
Dabei war es so, dass Rether in seinem Vortrag, so bitter die Aussagen über Neoliberalismus, Populismus, Machtmissbrauch und Rassismus auch waren, wie ein gemütlicher Märchenonkel wirkte. Rether war immer schon ein großer Mahner, der den Menschen sagte, dass sie eher sich selbst den Spiegel vorhalten sollten, als „denen da oben“. Lieber sollte man vor der eigenen Tür kehren und selbst in den Spiegel blicken. Aber es sei eben doch viel einfacher, nicht auf sich selbst zu blicken, sondern die Verantwortung einfach abzugeben.