Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Hängepartie statt Aufbruchstimmung
Von Iowa aus wollten die Demokraten die Ablösung von Donald Trump einleiten. Doch die Vorwahl verlief völlig chaotisch: Wegen technischer Probleme gab es am Dienstag lange kein Ergebnis.
DES MOINES Bernie Sanders versuchte es mit einer Prise trockenem Humor. „Ich kann mir vorstellen, ich habe stark den Eindruck, dass die Ergebnisse irgendwann bekanntgegeben werden“, witzelte der Senator aus Vermont, als er zur Geisterstunde in Des Moines auf einer Wahlparty sprach. Auf einer Party, auf der er, in den Umfragen zuletzt an erster Stelle, eigentlich seinen Sieg feiern wollte. Was nun aber, angesichts blamablen Technikversagens, nicht möglich war.
Der Auftakt der Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten, er wurde für Amerikas Demokraten zu einem glatten Fehlstart. Am Montagabend hatten eingetragene Mitglieder oder Sympathisanten der Partei auf fast 1700 Wahlversammlungen in Iowa darüber abgestimmt, wen sie für den besten Herausforderer Donald Trumps halten. Doch die so oft praktizierte Aufgabe, die einzelnen Resultate zu sammeln, um das Gesamtergebnis zu ermitteln, endete in heillosem Chaos.
Normalerweise steht spätestens in den frühen Morgenstunden fest, wer den Wettlauf gewonnen hat. Diesmal konnten die Verantwortlichen auch am Morgen danach nicht mal Bruchstückhaftes vermelden. Mandy McClure, die lokale Sprecherin der Demokraten, sprach kryptisch von „Qualitätskontrollen“, die man vornehmen müsse, bevor sie ebenso kryptisch erklärte, dass man hier und da Ungereimtheiten zu bereinigen habe.
Wie sich bald herausstellte, konnten Einzelergebnisse nur mit großer Verzögerung oder zunächst überhaupt nicht an die Zentrale in Des Moines übermittelt werden. In etlichen Fällen scheint eine App nicht funktioniert zu haben. Verzweifelte Freiwillige berichteten von einer Serie technischer Pannen. Mal ließ sich die App nicht herunterladen. Mal soll die App trotz Eingabe der richtigen Pin nicht reagiert haben. Die Alternative, Ergebnisse am Telefon durchzugeben, scheiterte oft an einer überlasteten Hotline.
Folgt man Sean Bagniewski, dem Vorsitzenden der Partei im Polk County, einem der 99 Verwaltungsbezirke Iowas, haben die Organisatoren Einwände auf die leichte Schulter genommen. „Wir wussten, wie anfällig die App war“, sagt Bagniewski. „Wir hatten von so vielen Beschwerden gehört, dass wir unseren Leuten rieten, die Resultate einfach am Telefon durchzugeben.“
Kein Wunder, dass die Kampagne Donald Trumps umgehend Kapital aus der Pannenserie zu schlagen versuchte. Prompt stempelte der Wahlkampfmanager des Präsidenten die Demokraten zu Amateuren, die zwar große Pläne entwerfen, aber selbst an den einfachsten Aufgaben scheitern. „Sie wollen regieren und schaffen es nicht mal, einen Caucus über die Bühne zu bringen“, spottete Brad Parscale.
Unter einem „Caucus“versteht man jenes antiquiert anmutende Verfahren, das in Iowa über die Erstplatzierten entscheidet. Die Abstimmung erfolgt nicht per Stimmzettel in einer Wahlkabine, sondern dadurch, dass sich eine bestimmte Gruppe zu einem bestimmen Kandidaten bekennt. Zu diesem Zweck kommen Wähler in Schulturnhallen, Kirchen oder Bibliotheken, bisweilen auch in Privatwohnungen zusammen. Anfangs begründen Anhänger des jeweiligen Bewerbers, warum sie ihren Favoriten dereinst im Weißen Haus sehen wollen.
Nach kurzer Debatte teilt man sich in Grüppchen auf, allerdings müssen mindestens 15 Prozent der Anwesenden einem Aspiranten den Zuschlag geben, wenn der nicht leer ausgehen soll. Wer einer Gruppe angehört, deren Favorit unter diesem Wert bleibt, kann in einer zweiten Runde ins Lager eines anderen wechseln. Erst danach wird ausgezählt.
Wer von den elf Bewerbern das Rennen machen würde, war auch am Dienstag noch offen. Was den Jüngsten des Feldes freilich nicht daran hinderte, sich zum Sieger zu erklären. „Wir kennen noch nicht alle Ergebnisse. Aber wir wissen, wenn alles unter Dach und Fach ist, habt ihr hier in Iowa die Nation geschockt“, jubelte Pete Buttigieg, 38, bis vor wenigen Wochen Bürgermeister der mittelwestlichen Industriestadt South Bend. Die Wähler Iowas, suggerierte er, hätten ihn zum Spitzenreiter gemacht, ihn, den als Außenseiter Gestarteten, der es den Etablierten gezeigt habe.
Elizabeth Warren sprach in der
Nacht von einem Ausgang, der zu knapp sei, als dass man bereits einen Sieger küren könne. Was auch nicht stimmte, denn wie knapp oder klar es war, konnte die Senatorin aus Massachusetts zu dem Zeitpunkt kaum belastbar wissen. Joe Biden wiederum, der vor Monaten als Favorit an den Start gegangen war, unter seinen Anhängern aber keine Begeisterung zu schüren versteht, ließ Bedenken zu Protokoll geben. Wenn von Qualitätskontrollen die Rede sei, schrieb einer seiner Anwälte unter Bezug auf oben zitierte Mandy McClure, dann wolle man eine ausführliche Erklärung darüber, „welche Methoden Sie dabei anwenden“, bevor irgendeine Tabelle publik gemacht werde.
Am Dienstagnachmittag ging Sanders‘ Kampagne in die Offensive, indem sie inoffiziell einen Zwischenstand meldete, den ihre Helfer ermittelt hatten. Nach Auszählung von knapp zwei Dritteln der Stimmen kam Sanders demnach auf 29,4 Prozent, gefolgt von Buttigieg (24,8 Prozent), Warren (20,6 Prozent), Biden (12,9 Prozent) und Amy Klobuchar (11,1 Prozent). Gegen 17 Uhr Ortszeit (0 Uhr MEZ), teilte die Parteizentrale Iowas parallel dazu mit, werde man die „Mehrzahl“der Resultate veröffentlichen. Was konkret damit gemeint war, blieb offen.