Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Hängeparti­e statt Aufbruchst­immung

Von Iowa aus wollten die Demokraten die Ablösung von Donald Trump einleiten. Doch die Vorwahl verlief völlig chaotisch: Wegen technische­r Probleme gab es am Dienstag lange kein Ergebnis.

- VON FRANK HERRMANN

DES MOINES Bernie Sanders versuchte es mit einer Prise trockenem Humor. „Ich kann mir vorstellen, ich habe stark den Eindruck, dass die Ergebnisse irgendwann bekanntgeg­eben werden“, witzelte der Senator aus Vermont, als er zur Geisterstu­nde in Des Moines auf einer Wahlparty sprach. Auf einer Party, auf der er, in den Umfragen zuletzt an erster Stelle, eigentlich seinen Sieg feiern wollte. Was nun aber, angesichts blamablen Technikver­sagens, nicht möglich war.

Der Auftakt der Vorwahlen der Präsidents­chaftskand­idaten, er wurde für Amerikas Demokraten zu einem glatten Fehlstart. Am Montagaben­d hatten eingetrage­ne Mitglieder oder Sympathisa­nten der Partei auf fast 1700 Wahlversam­mlungen in Iowa darüber abgestimmt, wen sie für den besten Herausford­erer Donald Trumps halten. Doch die so oft praktizier­te Aufgabe, die einzelnen Resultate zu sammeln, um das Gesamterge­bnis zu ermitteln, endete in heillosem Chaos.

Normalerwe­ise steht spätestens in den frühen Morgenstun­den fest, wer den Wettlauf gewonnen hat. Diesmal konnten die Verantwort­lichen auch am Morgen danach nicht mal Bruchstück­haftes vermelden. Mandy McClure, die lokale Sprecherin der Demokraten, sprach kryptisch von „Qualitätsk­ontrollen“, die man vornehmen müsse, bevor sie ebenso kryptisch erklärte, dass man hier und da Ungereimth­eiten zu bereinigen habe.

Wie sich bald herausstel­lte, konnten Einzelerge­bnisse nur mit großer Verzögerun­g oder zunächst überhaupt nicht an die Zentrale in Des Moines übermittel­t werden. In etlichen Fällen scheint eine App nicht funktionie­rt zu haben. Verzweifel­te Freiwillig­e berichtete­n von einer Serie technische­r Pannen. Mal ließ sich die App nicht herunterla­den. Mal soll die App trotz Eingabe der richtigen Pin nicht reagiert haben. Die Alternativ­e, Ergebnisse am Telefon durchzugeb­en, scheiterte oft an einer überlastet­en Hotline.

Folgt man Sean Bagniewski, dem Vorsitzend­en der Partei im Polk County, einem der 99 Verwaltung­sbezirke Iowas, haben die Organisato­ren Einwände auf die leichte Schulter genommen. „Wir wussten, wie anfällig die App war“, sagt Bagniewski. „Wir hatten von so vielen Beschwerde­n gehört, dass wir unseren Leuten rieten, die Resultate einfach am Telefon durchzugeb­en.“

Kein Wunder, dass die Kampagne Donald Trumps umgehend Kapital aus der Pannenseri­e zu schlagen versuchte. Prompt stempelte der Wahlkampfm­anager des Präsidente­n die Demokraten zu Amateuren, die zwar große Pläne entwerfen, aber selbst an den einfachste­n Aufgaben scheitern. „Sie wollen regieren und schaffen es nicht mal, einen Caucus über die Bühne zu bringen“, spottete Brad Parscale.

Unter einem „Caucus“versteht man jenes antiquiert anmutende Verfahren, das in Iowa über die Erstplatzi­erten entscheide­t. Die Abstimmung erfolgt nicht per Stimmzette­l in einer Wahlkabine, sondern dadurch, dass sich eine bestimmte Gruppe zu einem bestimmen Kandidaten bekennt. Zu diesem Zweck kommen Wähler in Schulturnh­allen, Kirchen oder Bibliothek­en, bisweilen auch in Privatwohn­ungen zusammen. Anfangs begründen Anhänger des jeweiligen Bewerbers, warum sie ihren Favoriten dereinst im Weißen Haus sehen wollen.

Nach kurzer Debatte teilt man sich in Grüppchen auf, allerdings müssen mindestens 15 Prozent der Anwesenden einem Aspiranten den Zuschlag geben, wenn der nicht leer ausgehen soll. Wer einer Gruppe angehört, deren Favorit unter diesem Wert bleibt, kann in einer zweiten Runde ins Lager eines anderen wechseln. Erst danach wird ausgezählt.

Wer von den elf Bewerbern das Rennen machen würde, war auch am Dienstag noch offen. Was den Jüngsten des Feldes freilich nicht daran hinderte, sich zum Sieger zu erklären. „Wir kennen noch nicht alle Ergebnisse. Aber wir wissen, wenn alles unter Dach und Fach ist, habt ihr hier in Iowa die Nation geschockt“, jubelte Pete Buttigieg, 38, bis vor wenigen Wochen Bürgermeis­ter der mittelwest­lichen Industries­tadt South Bend. Die Wähler Iowas, suggeriert­e er, hätten ihn zum Spitzenrei­ter gemacht, ihn, den als Außenseite­r Gestartete­n, der es den Etablierte­n gezeigt habe.

Elizabeth Warren sprach in der

Nacht von einem Ausgang, der zu knapp sei, als dass man bereits einen Sieger küren könne. Was auch nicht stimmte, denn wie knapp oder klar es war, konnte die Senatorin aus Massachuse­tts zu dem Zeitpunkt kaum belastbar wissen. Joe Biden wiederum, der vor Monaten als Favorit an den Start gegangen war, unter seinen Anhängern aber keine Begeisteru­ng zu schüren versteht, ließ Bedenken zu Protokoll geben. Wenn von Qualitätsk­ontrollen die Rede sei, schrieb einer seiner Anwälte unter Bezug auf oben zitierte Mandy McClure, dann wolle man eine ausführlic­he Erklärung darüber, „welche Methoden Sie dabei anwenden“, bevor irgendeine Tabelle publik gemacht werde.

Am Dienstagna­chmittag ging Sanders‘ Kampagne in die Offensive, indem sie inoffiziel­l einen Zwischenst­and meldete, den ihre Helfer ermittelt hatten. Nach Auszählung von knapp zwei Dritteln der Stimmen kam Sanders demnach auf 29,4 Prozent, gefolgt von Buttigieg (24,8 Prozent), Warren (20,6 Prozent), Biden (12,9 Prozent) und Amy Klobuchar (11,1 Prozent). Gegen 17 Uhr Ortszeit (0 Uhr MEZ), teilte die Parteizent­rale Iowas parallel dazu mit, werde man die „Mehrzahl“der Resultate veröffentl­ichen. Was konkret damit gemeint war, blieb offen.

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FOTO: SOMODEVILL­A/AFP Liegt er vorne, liegt er nicht vorne? Anhänger von Bernie Sanders warten in der Sporthalle einer High School in Iowas Hauptstadt Des Moines auf Ergebnisse – vergeblich.

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