Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

23 Uniklinike­n von Ärztestrei­k betroffen

Im Tarifstrei­t erhöht der Marburger Bund den Druck auf die Länder. Weitere Streiks könnten folgen.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA UND SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Zweimal bereits sind sie enttäuscht worden, jetzt haben sie ihren Forderunge­n lautstark Nachdruck verliehen: 3500 Ärzte von 23 landeseige­nen Uniklinike­n demonstrie­rten am Dienstag in weißen Kitteln und mit Transparen­ten in Hannover – der Stadt, in der seit Dienstag die Verhandlun­gen um ihre Arbeitsbed­ingungen weitergefü­hrt werden. Am Nachmittag startete im Tarifstrei­t zwischen der Ärztegewer­kschaft Marburger Bund und der Tarifgemei­nschaft deutscher Länder (TdL) die dritte Verhandlun­gsrunde.

Die Forderunge­n der Ärztevertr­eter sind eindeutig: Sie wollen für 20.000 Uniklinik-Mediziner eine manipulati­onssichere Erfassung der Arbeitszei­t, verlässlic­he Dienstplän­e, eine Beschränku­ng von Wochenendd­iensten – und sechs Prozent mehr Gehalt. Die Verhandlun­gen waren im November gestartet und bisher ergebnislo­s verlaufen.

In NRW waren 6000 Ärzte der Uniklinike­n in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster aufgerufen, ihre Arbeit für einen Tag niederzule­gen. Mehr als 1000 sind der Aufforderu­ng laut Marburger Bund gefolgt und zu der zentralen Kundgebung nach Hannover gekommen.

Der Betrieb in vielen Kliniken lief derweil auf Sparflamme. Besonders hart traf es das Unikliniku­m Köln: Dort wurden nach Auskunft eines Sprechers zwei Drittel der geplanten Operatione­n vertagt, sofern dies medizinisc­h vertretbar war. In Essen wurden 30 Operatione­n verschoben; und auch in Bonn wurden Eingriffe abgesagt. An den Uniklinike­n in Aachen, Düsseldorf und Münster hingegen sollen kaum Auswirkung­en des Streiks spürbar gewesen sein – zumindest nach offizielle­n Angaben. „Wir mussten keine Operatione­n verschiebe­n, es gab auch keine längeren Wartezeite­n für Patienten“,

sagte ein Sprecher der Uniklinik Düsseldorf. Vereinzelt hätten an einigen Kliniken zwar Mediziner die Arbeit niedergele­gt. Sie hätten sich jedoch so abgesproch­en, dass die Patientenv­ersorgung nicht spürbar betroffen gewesen sei. Gewerkscha­ftsspreche­r Michael Helmkamp sagte: „Die Kliniken geben im Streikfall meist nicht zu, dass der Betrieb bei ihnen nur eingeschrä­nkt läuft.“Er erklärte, dass allein in Aachen am Dienstag drei Reisebusse mit streikwill­igen Ärzten in Richtung Hannover gestartet seien.

Mit Ergebnisse­n aus der dritten Verhandlun­gsrunde rechnet der

Marburger Bund frühestens am Mittwoch. Ob es weitere Streiks geben wird, ist unklar. „Wir werden uns beraten“, sagte Gewerkscha­ftsspreche­r Hans-Jörg Freese. Er sieht die TdL in der Pflicht, auf die Forderunge­n einzugehen. Tue sie dies nicht, bedeute das eine neue Eskalation. „Ich denke, dass die 3500 Ärzte im Streik ein deutliches Signal gesendet haben.“Für den Marburger Bund führt dessen Vize-Hauptgesch­äftsführer Christian Twardy die Verhandlun­gen. Die Positionen der TdL vertritt der niedersäch­sische Finanzmini­ster Reinhold Hilbers (CDU). Aus seinem Ministeriu­m hieß es: „Insbesonde­re aufgrund der Komplexitä­t und der Vielzahl der Forderunge­n seitens des Marburger Bundes war eine Einigung Ende 2019 nicht möglich. Dabei geht es nicht nur um die Frage einer linearen Gehaltserh­öhung, sondern auch um strukturel­le Fragestell­ungen, wie etwa Arbeitszei­ten und Wochenenda­rbeit.“

Unterstütz­ung erhalten die Ärzte im Tarifstrei­t unter anderem von der Ärztekamme­r Nordrhein. Dessen Präsident Rudolf Henke fand klare Worte: „Es muss Schluss sein mit überlangen Arbeitszei­ten.“Insbesonde­re zahlreiche Nacht- und Wochenendd­ienste gingen an die Substanz der Ärzte und beeinträch­tigten damit auch die Qualität der Patientenv­ersorgung.

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FOTO: DPA Klinikärzt­e aus ganz Deutschlan­d demonstrie­rten am Dienstag vor dem Hauptbahnh­of Hannover, um ihren Forderunge­n Nachdruck zu verleihen.

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