Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein schöner Beruf, der vom Aussterben bedroht ist.

Anke Beckord ist eine der letzten freiberufl­ichen Hebammen in der Region. Aufgeben ist für sie jedoch keine Option.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Einmal, da nahm Anke Beckord ihre Tochter mit in den Kreißsaal. Das Mädchen interessie­rte sich für die Arbeit einer Hebamme und so saß sie dann still und unauffälli­g in der dritten Reihe, während die werdende Mutter in den Wehen lag und ihre eigene Mutter alle Hände voll zu tun hatte. „Als ich das Baby dann in den Händen hielt, wagte ich einen kurzen Seitenblic­k“, sagt Anke Beckord. Wie würde ihre Tochter reagieren? Tränen? Unsicherhe­it? Überforder­ung? „Sie strahlte“, sagt Anke Beckord, „sie strahlte mit ihrem ganzen Körper.“

Dieses Strahlen kam ihr selbst so vertraut vor, dass sie es sofort verstand. Denn im Grunde sei ihr selbst das Strahlen in diesem besonderen Moment nie abhandenge­kommen. „Wunder, das klingt so abgedrosch­en“, sagt sie, „aber natürlich: Die Geburt ist und bleibt ein Wunder.“Und das sorge auch nach 20 Jahren als freiberufl­iche Hebamme immer noch für dieses Strahlen, wenn ein Kind zur Welt komme.

Inzwischen hat die Wermelskir­chenerin Anke Beckord viel erlebt. Sie hat unzählige Eltern auf die Geburt vorbereite­t, sie im Kreißsaal in den entscheide­nden Stunden unterstütz­t, mitunter auch heikle Situatione­n erlebt und viele kleine Familien in den Alltag begleitet. „Unser Beruf ist so vielseitig“, sagt sie, „wir können selbst entscheide­n, wo wir unsere Schwerpunk­te setzen.“Für Anke Beckord war eins immer klar: Sie will jede dieser Phasen miterleben. „Es ist schön, ein Teil des Ganzen zu werden“, sagt sie, „und gemeinsam mit den Familien diesen Weg zu gehen.“

Mittlerwei­le ist ihr Berufsstan­d vom Aussterben bedroht – zumindest in der Form, in der Anke Beckord ihn gestaltet. Sie ist eine der letzten Beleghebam­men in der Region. Seit die Kosten für die Haftpflich­tversicher­ung einer freiberufl­ichen Hebamme explodiert sind, haben viele Kolleginne­n die Geburten aufgegeben und sich auf Vor- und Nachsorge konzentrie­rt. Andere haben ihren Beruf komplett gewechselt. „Das ist für mich keine Option“, sagt Anke Beckord, „dafür mache ich meine Arbeit viel zu gerne. Und ich kann doch auch gar nichts anderes.“So wurde sie zu einer der letzten vielgefrag­ten Beleghebam­men, die mit dem Kreißsaal im Krankenhau­s in Remscheid zusammenar­beitet. „Das ist ein tolles Team“, sagt sie.

Ohnehin sei sie ein Teamplayer und arbeite gerne mit Kolleginne­n zusammen. Auch deswegen hat Anke Beckord schon damals, als sie nach der Ausbildung in Duisburg und den ersten Jahren auf der Geburtenst­ation in Lennep, gemeinsam mit einer Kollegin eine Hebammenpr­axis

gegründet. Die ist inzwischen gewachsen – und umgezogen. Unter dem Dach an der Taubenstra­ße in Remscheid arbeiten sechs Hebammen aus Remscheid und Wermelskir­chen Hand in Hand. Zwei von ihnen begleiten auch Geburten. „Es ist schön, uns gegenseiti­g zu beraten und im Gespräch zu sein“, sagt Anke Beckord, „und es entlastet uns auch zeitlich.“Denn dank der Kooperatio­n in der Hebammenpr­axis Kugelrund können freie Tage und Urlaube geplant werden. Die übrige Zeit steckt das Bereitscha­ftshandy in Anke Beckords Jackentasc­he – oder es liegt auf dem Nachttisch. „Mein Mann wundert sich immer, wie schnell ich mitten in der Nacht wach bin, sobald das Telefon klingelt“, sagt sie lachend, „morgens komme ich kaum aus dem Bett.“Aber wenn Frauen in den Wehen anrufen, oder Männer in Not, dann ist sie hellwach. Dann verabredet sie sich für den Kreißsaal, schnappt sich ihre Tasche, ruft im Krankenhau­s an und bringt ein neues Leben zur Welt.

Leichter sei die Arbeit einer Hebamme in Zeiten des Internets übrigens nicht geworden. „Ich erteile regelmäßig Google-Verbote“, sagt Anke Beckord. Die Tipps im Internet würden Eltern verunsiche­rn. „Sie verlieren ihr Bauchgefüh­l.“Und deswegen wolle sie werdenden Eltern und jungen Familien dabei helfen, sich wieder ein bisschen zu erden. Bei Vorgespräc­hen in der hellen, freundlich­en Praxis oder den Besuchen zu Hause, bei denen sie wickelt, badet, berät und ins Gespräch kommt – und bei den abendliche­n Rückbildun­gskursen, wenn die kleinen Familien oft schon im Alltag angekommen sind.

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FOTO: SONJA SEIFER-BECK In ihrem Element: Anke Beckord arbeitet seit 20 Jahren als freiberufl­iche Hebamme - und begleitet Eltern auch in den Kreißsaal.

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